Mit alten landwirtschaftlichen Methoden wird die Sahelzone fruchtbarer
Sonnenuntergang auf dem Zentralplateau von Burkina Faso. Es war wieder ein brütend heißer Tag. Aber hier, auf dem Anwesen von Yacouba Sawadogo, ist die Luft merklich kühler. Mit einer Hacke über der Schulter marschiert der graubärtige Bauer leichtfüßig wie ein junger Mann über seine Felder. „Klimawandel ist ein Thema, bei dem ich ganz gut mitreden kann“, sagt Sawadogo in seiner Stammessprache Mòoré, die sich für uns wie ein tiefes, gemächliches Rumpeln anhört. Yacouba Sawadogo kann weder lesen noch schreiben, aber er ist ein Pionier der neuen Anbaumethode, die der westlichen Sahelzone seit einigen Jahren einen tiefgreifenden Wandel gebracht hat. Diese neue Methode setzt auf die Integration von Bäumen in die landwirtschaftliche Nutzung und ist eines der hoffnungsvollsten Beispiele dafür, wie selbst arme Leute den verheerenden Wirkungen des Klimawandels begegnen können.
Sawadogo trägt ein braunes Baumwollgewand und eine weiße Scheitelkappe. Nach unserem Rundgang hat er sich unter Akazien und Jujubebäumen niedergelassen, in deren Schatten er ein Drahtgehege für etwa zwanzig Perlhühner angelegt hat. Neben ihm dösen zwei Kühe, durch die abendliche Stille ertönt das Gemecker von Ziegen. Für burkinische Verhältnisse ist dies ein großes Anwesen, der größte Teil der etwa 20 Hektar ist seit Generationen im Besitz von Sawadogos Familie. Aber nach der schrecklichen Dürreperiode von 1972 bis 1984 haben die Verwandten ihr Land aufgegeben. Der Rückgang der jährlichen durchschnittlichen Regenmenge um 20 Prozent hat damals in der ganzen Sahelzone zu Ernteausfällen geführt, weite Bereiche der Savanne in Wüste verwandelt und Hunderttausende dem Hungertod ausgeliefert.
Yacouba wollte seine Felder auf keinen Fall verlassen. „Mein Vater ist hier begraben“, sagt er schlicht. Für ihn markiert die Dürre der 1980er Jahre den Beginn des Klimawandels. Das Wort sagt den meisten Leuten hier nichts. Sawadogo hingegen erzählt, dass er sich schon seit zwanzig Jahren an ein heißeres und trockeneres Klima anpasst.
„Die Dürrejahre haben den Leuten so sehr zugesetzt, dass sie ganz neue Denkweisen entwickeln mussten“, meint Sawadogo, der sich stolz als Innovator bezeichnet. Er hat eine Technik wiederbelebt, die in dieser Region seit Jahrhunderten bekannt war und die er jetzt an die neuen klimatischen Bedingungen angepasst hat. Lange Zeit hatten die Bauern der Sahelzone um ihre Pflanzen flache Kuhlen, sogenannte zai angelegt, damit das kostbare Regenwasser gezielt an die Wurzeln gelangt. Sawadogo hat den Radius dieser zai vergrößert, um mehr Regenwasser einzufangen. Aber noch wichtiger war eine zweite Innovation, sagt er: Während der Trockenzeit gab er Viehdung in diese Kuhlen.
Anfangs machten sich die anderen Bauern über ihn und seine „unnütze Arbeit“ lustig. Doch das Experiment war erfolgreich. Mehr Regenwasser und die Anreicherung mit Naturdünger bedeuteten höhere Erträge. Aber das wichtigste Ergebnis hatte er nicht vorausgesehen: Der Dung enthielt auch Baumsamen, sodass zwischen den Hirse- und Sorghumpflanzen winzige Schösslinge aus dem Boden sprossen. Nach einigen Jahren stellte Sawadogo fest, dass die jungen Bäume – die inzwischen Mannshöhe erreicht hatten – die Erträge weiter verbesserten und auch die Fruchtbarkeit der Bodenkrume konservieren halfen. Heute kann er stolz sagen: „Seit ich diese Technik zur Rehabilitation des vertrockneten Bodens anwende, kann ich meine Familie in guten wie in schlechten Jahren versorgen.“
So unbedeutend die Errungenschaft, von der Sawadogo berichtet, erscheinen mag, so ist sie doch ein Beitrag zur Bewältigung der größten Herausforderung, vor der die Menschheit heute steht. Was immer der letzte oder weitere Klimagipfel bewirken mögen, die Temperaturen werden noch über Jahrzehnte weltweit ansteigen und entsprechend extreme Klimaeffekte hervorbringen: längere Dürreperioden und heftigere Überschwemmungen, begleitet von höherem Schädlingsbefall. Wie sich die Bevölkerung der Südhalbkugel auf diese Veränderungen einstellt, wird mit darüber entscheiden, ob Millionen Menschen sterben oder überleben.
Der Satellit sieht grün
Die von Sawagodo angewandte Technik wird mittlerweile von hunderttausenden armer Bauern in der Sahelzone genutzt und könnte Millionen landwirtschaftlicher Produzenten in aller Welt dabei helfen, sich auf den Klimawandel einzustellen. Die neue Methode hat sich nicht nur in weiten Teilen von Burkina Faso, sondern auch in den Nachbarstaaten Niger und Mali durchgesetzt und Millionen Hektar ehemals halbwüstenartiger Gebiete in fruchtbareres Land verwandelt. Dieser Wandel ist so tiefgreifend und großflächig, dass man die neuen grünen Landstriche auf Satellitenfotos ausmachen kann. Mit dem fortschreitenden Klimawandel werden noch weit mehr Gebiete der Erde ähnlich heiß und trocken wie die Sahelzone werden. Daher ist es nur sinnvoll, auch in anderen Regionen von dem grünen Wunder zu lernen, das sich im Westen Afrikas in aller Stille vollzogen hat.
„Dies ist wahrscheinlich die bedeutendste Entwicklung in der Sahelzone und vielleicht in ganz Afrika“, meint auch der holländische Geograf Chris Reij, der sich seit dreißig Jahren mit dieser Region beschäftigt. Der Fachausdruck für die neuen Methoden lautet „Agroforstwirtschaft“ (agroforestry) oder FMNR („Farmer Managed Natural Regeneration“). Wissenschaftliche Studien haben bestätigt, was Sawadogo bereits weiß: Die Mischung von Bäumen und Nahrungsmittelpflanzen bringt eine ganze Reihe erheblicher Vorteile. Die Bäume schützen die angebauten Pflanzen vor der sengenden Hitze, sie helfen die Feuchtigkeit im Boden zu halten und dienen als Windschutz für die jungen Kulturen.
„Früher mussten die Bauern zuweilen vier- oder fünfmal aussäen, weil der Wind das Saatgut weggetragen hat“, erklärt Reij, der sich mit dem Eifer eines Missionars für die FMNR-Methoden einsetzt. „Dank der Bäume, die den Wind abhalten und den Boden befestigen, müssen die Bauern nur einmal aussäen.“ Und wenn die Bäume ihre Blätter verlieren, dienen die als Mulch, der die Bodenfruchtbarkeit erhöht und zudem als Viehfutter verwandt wird. Und im Notfall können die Bauern während einer Dürreperiode die Blätter sogar essen, um dem Hungertod zu entgehen.
Für ebenso wichtig hält Reij eine weitere Wirkung von zai und anderen Techniken verbesserter Wassernutzung (water harvesting). Sie sorgen für ein Ansteigen des Grundwasserspiegels. „In den 1980er Jahren sank das Grundwasser jährlich um durchschnittlich einen Meter. Seit sich die Methoden von FMNR und Water Harvesting weiter ausbreiten, ist das Grundwasser – trotz wachsender Bevölkerung – um 5 Meter angestiegen, in einigen Gegenden sogar um 17 Meter.“ Einige Wissenschaftler erklären dies mit den seit 1994 gestiegenen Niederschlagsmengen. Aber das kann Reij nicht überzeugen: „Der Anstieg des Grundwasserspiegels hat deutlich vorher begonnen, und die Wirkung der neuen Methoden setzt innerhalb von ein, zwei Jahren ein.“
Sawadogos Leidenschaft für Bäume ist mit der Zeit ständig gewachsen. Heute gleicht sein Anwesen eher einem Waldgebiet als Ackerland. „Anfangs habe ich Bäume und Anbaupflanzen gemischt“, erzählt Sawadogo. „Aber mit der Zeit interessierten mich die Bäume mehr, weil sie noch andere Vorteile haben.“ Denn Bäume kann man abernten, das heißt, abgeschnittene Zweige, die dann nachwachsen, verkaufen. Die Rehabilitation des Bodens macht es im Übrigen immer leichter, weitere Bäume zu ziehen.
In Afrika ist Holz auf dem Lande nach wie vor die wichtigste Energiequelle. Je mehr Bäume auf Sawadogos Land wachsen, desto mehr Holz verkauft er: als Bau- und Brennmaterial, aber auch zum Herstellen von Möbeln. Damit kann er sein Einkommen diversifizieren und vergrößern – auch dies ein wichtiger Beitrag zu Anpassung an den Klimawandel. Zudem liefern Bäume gewisse Stoffe für die Naturmedizin – ein beträchtlicher Nutzen für eine Region, in der eine moderne Gesundheitsversorgung selten und teuer ist. Und schließlich schenken Bäume Mensch und Tier in der brutalen Hitze der Sahelzone wenigstens etwas Kühle und Schatten.
Für Sawadogo sind Bäume „zumindest ein Teil der Antwort auf den Klimawandel“. Das versucht er möglichst vielen anderen Bauern klarzumachen: „Mit meinem Motorrad habe ich bestimmt hundert Dörfer besucht; viele Leute kommen auch zu mir, um zu lernen. Ich muss sagen: Ich bin sehr stolz, dass sich diese Ideen weiterverbreiten.“
An dieser Stelle muss man sich klarmachen: Die Bauern der Sahelzone pflanzen keine Bäume, wie es das Green-Belt-Movement propagiert, das die kenianische Nobelpreisträgerin Wangari Maathai angestoßen hat. Sawadogo und seine Schüler hegen und pflegen vielmehr Bäume, die von selbst sprießen. Für sie wäre das systematische Pflanzen viel zu teuer und zu riskant. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass in der westlichen Sahelzone 80 Prozent aller angepflanzten Bäume innerhalb von ein bis zwei Jahren absterben. Dagegen sind Bäume, die auf natürliche Weise wachsen, stets heimische Arten und damit weitaus widerstandsfähiger – und sie sind umsonst.
Auch in Mali wachsen Bäume inzwischen fast überall inmitten landwirtschaftlich genutzter Flächen. Ich habe es selbst in einem bitterarmen Dorf namens Sokoura erlebt. Die Wände der Hütten bestehen aus einem Gerüst von Stecken, das mit Lehm beworfen wurde. Es gibt weder elektrischen Strom noch fließendes Wasser, die Kinder laufen in dreckiger, zerrissener Kleidung herum, viele von ihnen mit Blähbäuchen, wie sie für Unterernährung typisch sind. Und doch erzählen die Bewohner von Sokoura, dass es allmählich aufwärtsgeht – vor allem dank der Bäume.
Das Land von Oumar Guindo liegt nur fünf Gehminuten außerhalb des Dorfs. Guindo besitzt etwa 6 Hektar, auf denen er Hirse und Sorghum anbaut. Seit zehn Jahren hält er sich an die Empfehlungen von Sahel Eco, einer britisch-malischen Hilfsorganisation, die Methoden der Agroforstwirtschaft fördert.(1) Heute sind auf Guindos Feldern zahlreiche Bäume herangewachsen, etwa alle fünf Meter einer. Die meisten sind noch jung, und mit ihren dürren Zweigen ähneln sie eher einem Busch, aber es gibt auch schon Exemplare mit armdicken Stämmen.
Folgen der Kolonialzeit
Wir sitzen unter einem ausladenden Exemplar, dessen Zweige zentimeterlange Dornen haben. Die Einheimischen nennen ihn den „Sahel-Apfelbaum“.2 Der Boden ist hell und körnig wie Sand -nicht unbedingt ideales Ackerland. Aber seit Oumar Guindo die Bäume auf seinen Feldern hat, sorgen die erhöhten Wassermengen für deutlich bessere Erträge. „Die Ernte von diesem Feld hat früher nicht mal einen Schuppen gefüllt, heute füllt sie anderthalb.“
Guindo führt mich zu einem der rechteckigen Vorratsspeicher, die wie die Wohnhütten aus einem lehmbeschichteten Holzgerüst bestehen. Sie haben eine Grundfläche von etwa zwei mal fünf Metern, die einzige Öffnung liegt knapp unter dem Dach, erreichbar über einen angelehnten Baumstamm, der mit seinen ausgekerbten Stufen als Leiter dient. Alle Speicher sind gut mit Hirse gefüllt. Man ist also bis zur nächsten Ernte versorgt, oder sogar darüber hinaus.
„Vor zwanzig Jahren, nach der Dürre, waren wir in einer verzweifelten Lage“, erzählt einer der Bauern. „Aber heute haben wir ein viel besseres Leben. Vorher hatten die meisten Familien nur einen Vorratsschuppen. Jetzt haben sie drei oder vier, obwohl sie nicht mehr Land bebauen. Und wir haben inzwischen mehr Vieh.“ Überflüssig zu sagen, dass in Sokoura inzwischen auf allen Feldern auch Bäume wachsen.
Wenn die Agroforstwirtschaft die Sahelzone grüner macht, liegt das nicht nur am Informationsaustausch zwischen den Bauern und der Hilfe einiger kleiner NGOs. Eine maßgebliche Rolle spielt auch, dass die Regierungen heute eine andere Politik verfolgen.
In Mali war das Aufziehen von Bäumen schon in der traditionellen Landwirtschaft üblich gewesen. In dem Dorf Endé erläutert ein Bauer namens Salif, wie er zusammen mit anderen Dorfbewohnern eine alte Form bäuerlicher Assoziation wiederbelebt hat. Diese sogenannten Barahogon waren früher auch für die Pflege der Bäume zuständig gewesen. Als dann aber die französische Kolonialregierung den Holzeinschlag unter Strafe stellte, erstarb das Interesse, sich um die Bäume zu kümmern. Die wurden von der Kolonialverwaltung zu staatlichem Besitz erklärt, um die Einschlagrechte an Holzfäller verkaufen zu können. Auch nach der Unabhängigkeit blieben das Fällen von Bäumen und das Abschneiden von Ästen bei Strafe verboten. Deshalb gingen die Bauern dazu über, schon die ersten Baumsprösslinge auszureißen, damit sie später keine Probleme mit den Behörden bekamen. Das unvermeidliche Resultat war, dass das Land nach einigen Generationen baumlos und ausgedörrt war.
Zu Beginn der 1990er Jahre verabschiedete eine neue Regierung in Mali ein Gesetz, das die Bauern zu Eigentümern der auf ihrem Land wachsenden Bäume machte.(3) Allerdings wurden die Bauern über das neue Gesetz erst durch die Sahel Eco informiert, als diese per Rundfunk und Mundpropaganda eine Informationskampagne in Gang brachte. Seitdem haben die FMNR-Methoden auch über die Grenzen von Mali hinaus rasch Verbreitung gefunden. Salif berichtet, wie vor kurzem zwanzig Bürgermeister und Direktoren lokaler Landwirtschafts- und Umweltbehörden aus Burkino Faso sein Dorf besucht haben: „Sie haben nicht schlecht gestaunt, als sie unsere Geschichte gehört haben und mit eigenen Augen sehen konnten, dass sie wahr ist. Die wollten das erst gar nicht glauben.“
Auch in Niger konnten die FMNR-Methoden Fuß fassen, wenn auch nur langsam. Und auch hier hatte es mit der intuitiven Auffassung zu tun, dass jemand, der Bäume großzieht, diese irgendwann auch fällen dürfen muss. Deshalb, darauf weist der australische Agronom und Missionar Tony Rinaudo, einer der ersten Vorkämpfer für FMNR, hin, kam die Kultivierung von Bäumen in Niger erst wieder in Gang, als die staatlichen Behörden auf die Durchsetzung des Abholzverbots verzichtet hatten. „Erst als die Bauern das Gefühl hatten, dass ihnen die Bäume auf ihren Feldern wirklich gehören, konnten sich die neuen Methoden durchsetzen. Jetzt wurden die Bäume nicht mehr als Unkraut, sondern als ein realer Wert wahrgenommen.“
Ganz ähnlich lief es überall in der westlichen Sahelzone ab. Die FMNR-Methoden wurden fast zum Selbstläufer. Sie wanderten von Bauer zu Bauer und von Dorf zu Dorf, sobald die Leute die Resultate mit eigenen Augen sehen konnten. Dank der Agroforstwirtschaft ist heute auf Satellitenfotos die Grenze zwischen Niger und Nigeria klar zu erkennen. Sie zeigen auf dem Gebiet von Niger, wo die Bauern Bäume besitzen dürfen und die FMNR-Methoden allen vertraut sind, einen umfassenden Baumbestand; auf der Seite von Nigeria, wo die großen Aufforstungsprogramme grandios gescheitert sind, ist die Landschaft dagegen fast nackt.
Als diese Bilder 2008 veröffentlicht wurden, traf es selbst FMNR-Anhänger wie Reij und Rinaudo fast wie ein Schock: Erst jetzt registrierten sie, dass so viele Bauern schon so viele Bäume großgezogen hatten. Auf Basis der Satellitenaufnahmen, weiterer Nachforschungen vor Ort und anderer empirischen Daten wagt Reij die Schätzung, dass die Bauern allein in Niger 200 Millionen Bäume gezogen und damit 5 Millionen Hektar degradierter Böden als Ackerland wiedergewonnen haben.
Die große Wirkung und die Nachhaltigkeit von FMNR beruht darauf, dass diese Methoden den Afrikanern selbst gehören und sie nichts kosten. Im Grunde ist es nichts weiter als das schlichte Wissen um die vielfachen Vorteile, die auf Ackerland wachsende Bäume mit sich bringen. Was das für arme Bauern – und Länder – bedeutet, kann man gar nicht stark genug betonen. Denn die Techniken sind sofort anwendbar, ohne dass man auf Kapitalspritzen aus dem Ausland oder Hilfen von Regierungen oder von humanitären Organisationen angewiesen wäre.
Auf diesen Punkt legt Chris Reij besonders großen Wert, denn es unterscheidet das FMNR-Konzept von einem anderen Entwicklungsmodell, das Jeffrey Sachs unter dem Namen „Millennium Villages“ populär gemacht hat. Dieses Programm des prominenten Leiters des Earth Institute an der Columbia University finanziert den geförderten Dörfern einen Satz von Entwicklungs-„Bausteinen“: modernes Saatgut und Düngemittel, Brunnen mit sauberem Wasser und Krankenstationen. Zu diesem Modell meint Reij: „Es ist schön, eine solche Vision vom Ende des Hungers in Afrika zu haben, das Problem ist nur, dass es so nicht funktioniert. Millennium Villages erfordert für jedes Dorf eine hohe Investitionssumme plus Hilfe von außen auf Jahre hinaus. Das aber ist keine nachhaltige Lösung. Man kann kaum davon ausgehen, dass die Restwelt die Milliarden von Dollars zahlt, die nötig sind, um in Afrika zehntausende Millennium Villages zu gründen.“ Tatsächlich sind die ausländischen Hilfszahlungen nach der Finanzkrise von 2008 massiv eingebrochen.
Unterstützung durch Kräfte von außen kann dennoch eine wichtige Rolle spielen. Diese können zum Beispiel bei afrikanischen Regierungen auf den notwendigen Politikwandel drängen, um die Bauern wieder zu Eigentümern der Bäume zu machen. Und sie können für wenig Geld die Verbreitung von Informationen unterstützen, die in der westlichen Sahelzone so erfolgreich war. Denn obwohl hier die Aufklärung über die Vorteile von FMNR vor allem von den Bauern selbst geleistet wurde, spielte die Hilfe von Aktivisten wie Rinaudo und Reij und von NGOs wie Sahel Eco eine entscheidende Rolle.
Die Organisation will in Zukunft, wie Reij berichtet, ein Netzwerk von „African Re-Greening Initiatives“ auf die Beine stellen, um die Methoden von FMNR in noch mehr afrikanischen Ländern zu verbreiten. Darüber hat er bereits ein Gespräch mit dem äthiopischen Präsidenten geführt. Reijs Hauptargument lautet, dass eine Landwirtschaft, die auf der Symbiose mit Bäumen basiert, im Grunde nur Gewinner kennt: Es hilft den Bauern, sich auf den Klimawandel einzustellen, ist aber auch ein Beitrag zu sicherer Nahrungsmittelversorgung und damit zur Reduzierung der ländlichen Armut.
All das wird am Ende jedoch vergeblich bleiben, wenn wir im Kampf gegen die globale Erwärmung, die den Bewohnern der Sahelzone so schwer zusetzt, am Ende erfolglos bleiben. Denn jede Form der Anpassung hat ihre Grenzen, und wenn die Emission der Treibhausgase in der Atmosphäre nicht zurückgeht, können selbst die fantasievollsten landwirtschaftlichen Methoden gegen die steigenden Temperaturen nicht ankommen. Auch in dieser Hinsicht sind Bäume allerdings ein höchst geeignetes Mittel, weil sie mit ihrer Fotosynthese das CO(2) aus der Luft abbauen. Deshalb sollten die globalen Maßnahmen gegen den Klimawandel die strikte Verpflichtung beinhalten, speziell die Waldzonen in den Entwicklungsländern zu schützen und auszuweiten.(4 )
Auch das hat Sawadogo schon längst verstanden: „Aufgrund meiner persönlichen Erfahrungen bin ich überzeugt, dass die Bäume wie Lungen sind. Wenn wir sie also nicht schützen und weiter vermehren, wird es das Ende der Welt bedeuten.“
Fußnoten:
(1) Die 2004 gegründete NGO ist aus dem von der britischen Regierung geförderten Programm SOS Sahel (gegründet 1983) hervorgegangen. Sie wird getragen von einheimischen und britischen Experten, die weitere lokale NGOs beraten.
(2) Ziziphus mauritania, auch als „Indischer Jujubebaum“ bezeichnet.
(3) Vorausgegangen waren einige Vorfälle, bei denen wütende Bauern, die sich ihrer Rechte beraubt fühlten, Mitarbeiter der Forstbehörde umbrachten.
(4) Diese Verpflichtung enthält auch das REDD-Programm (Reducing Emissions from Deforestation and Forest Degradation in Developing Countries) der UN.
Aus dem Englischen von Niels Kadritzke
Mark Hertsgaard ist Journalist in San Francisco und schreibt vor allem über Umweltthemen. Sein in Kürze erscheinendes Buch heißt „Living Through the Storm: Our Future Under Global Warming“, siehe www.markhertsgaard.com.
aus: Le Monde diplomatique Nr. 9264 vom 13.8.2010