Im Boxsport würde mensch vom endgültigen knock-out sprechen. Die Nachricht aus der zweiten Januarwoche, dass sich die Fischbestände in den Seegebieten vor Somalia und Kenia aufgrund der Piraterie merklich erholen, müsste eigentlich für die aus aller Welt herbeigeeilten Piratenjäger Anlass genug sein, in ihre Heimathäfen zurückzukehren.
Schon vorher hatte die mittlerweile auf mindestens 30 Kriegsschiffe angewachsene Anti-Piratenflotte zahlreiche Schläge einstecken müssen. Bereits im Mai letzten Jahres bilanzierte Kommandant Jones auf einer Pressekonferenz in Brüssel das halbe Jahr der EU-Mission Atalanta mit einem schlechten Ergebnis. 14 entführte Schiffe hatte er zu vermelden und hinterließ dabei, gemessen an den 16 erfolgreichen Kaperungen vor Beginn der im Dezember 2008 angelaufenen Militärintervention, nicht den Eindruck, dass sich mit Atalanta die Sicherheit für die Handelsschifffahrt in diesem Seegebiet entscheidend verbessert habe.
Ein weiteres Indiz für die begrenzten militärischen Fähigkeiten der Piratenjäger stellte auch die misslungene Befreiungsaktion des deutschen Containerschiffes ‚Hansa Stavanger‘ dar. Die deutsche Eliteeinheit GSG 9 war gezwungen, ihren Angriff auf das gekaperte Schiff abzubrechen, weil ihr die angeforderte Hilfe der amerikanischen Verbündeten verweigert wurde. Deren Sicherheitsberater gab mit Hinweis auf das zu große Risiko den zur Unterstützung benötigten amerikanischen Helikopterträger nicht frei.
Auch später konnte die aus Schiffen der EU, der USA, Chinas, Indiens und Russlands bestehende Kriegsarmada nicht wirklich punkten. Nach Angaben der Handelsorganisation ‚International Maritime Bureau‘ (IMB) befanden sich Anfang Januar 2010 13 Schiffe mit 320 Besatzungsmitgliedern in der Gewalt somalischer Seeräuber. Deren Erfolgsbilanz war danach im Jahr 2009 kaum schlechter als im Jahr davor – dem Jahr, in dem sich die Piratenjäger auf den Weg in den Golf von Aden machten. So verzeichnete das IMB im letzten Jahr eine Zunahme der Piraterie um 70 Prozent. Insgesamt griffen die Seeräuber 227 Schiffe an, in 68 Fällen endeten diese Attacken mit der erfolgreichen Entführung. Dabei wurden etwa 150 Millionen US Dollar verdient. Im Vergleich dazu gab es 2008 nur 134 versuchte Enterungen, von denen 49 erfolgreich abgeschlossen wurden.
So gerieten angesichts einer im Trüben fischenden Armada, die die Piraterie gar zu zu provozieren scheint, bereits unbelehrbare Interventionisten ins Schwimmen, wenn sie die Existenzberechtigung dieser teuren Militäraktion ernsthaft begründen müssten. Endgültig unter gingen aber jegliche humanitären Erklärungsversuche, wenn die durch verschiedene Medien laufende Meldung aus der zweiten Januarwoche auch für die Zukunft Gültigkeit haben sollte.
Weil die Fangflotten der großen Fischkonzerne aus Angst vor Überfällen den Gewässern vor Somalia und Kenia fernblieben, haben sich die Fischbestände dort merklich erholt. Das bedeutet für die lokalen Fischer endlich wieder eine Erwerbsmöglichkeit und für die Bevölkerung Zugang zu einem hochwertigen bezahlbaren Nahrungsmittel.
Damit ist die bisherige Geschichte der Nachfahren Störtebeckers am Golf von Aden ein Lehrstück in Sachen erfolgreicher Selbstverteidigung gegen die Zerstörungen kapitalistischer Globalisierung.
Es begann zum einen mit riesigen Fischfangflotten, zum anderen mit Giftmüllverklappungen, oft von europäischen oder asiatischen Firmen illegal betrieben, die den natürlichen Reichtum des Indischen Ozeans vor den Küsten Somalias und Kenias zu vernichten drohten. Ein Großteil der Fischer, der Einkommensmöglichkeiten ihres bisherigen Berufes beraubt, sah sich gezwungen, auf Piraterie umzuschulen. Diese betreiben sie, verbunden mit den Orten sozialer Reproduktion in den küstennahen Stützpunkten geschützt von ihren Clans und den ihre Ausrüstung finanzierenden Organisationen, mit viel Wagemut und Geschick.
So setzen sie mit dem dafür notwendigen Nachdruck die grundsätzliche Frage nach Ursache und Wirkung der globalen Ausbeutungsverhältnisse auf die mediale Tagesordnung.
Auch wenn deren Lebensentwürfe möglicherweise wenig mit denen metropolitaner linker Utopien gemein haben, ändert das nichts an der moralischen Legitimation dessen, was die Piraten tun. Sie nehmen das Notwehrrecht zur Sicherung ihres und des Überlebens vieler von ihnen unterstützter Angehöriger wahr.
Zudem hätte es kein noch so nachhaltig ausgeklügeltes UNO-Programm vermocht, dem Meer und seinen Anwohner_innen den Fisch zurückzubringen.