Begleitet von Protesten begann am 22.11.10 in Hamburg der erste Piratenprozess seit ungefähr 400 Jahren. Angeklagt sind zehn junge Männer bzw. Jugendliche somalischer Herkunft, denen vorgeworfen wird, am 5. April dieses Jahres ein Containerschiff der Hamburger Reederei Komrowski gut 500 Seemeilen vor der Küste Somalias überfallen zu haben. Eine per Notfunk zu Hilfe gerufene niederländische Anti-Piraterie-Spezialeinheit enterte die MS Taipan und nahm die Piraten nach einem Schusswechsel fest.
Die Staatsanwaltschaft wirft den Angeklagten „gemeinschaftlich verübten Angriff auf den Seeverkehr in Tateinheit mit erpresserischem Menschenraub“ vor. Sie musste sich dieses neuen juristischen Konstruktes bedienen, da der Tatbestand der ‚Piraterie‘ im deutschen Strafrecht nicht existiert.
Auch ansonsten wirft der Prozess einige Fragen auf. Keiner der Angeklagten ist identifizierbar. Bei einem von ihnen geht die Verteidigung davon aus, dass er noch keine 14 Jahre alt ist und somit nicht als ’strafmündig‘ gelten kann. Zudem weist die Verteidigung darauf hin, dass die Auslieferung der Angeklagten von den Niederlanden nach Deutschland möglicherweise gegen deutsches und niederländisches Recht verstößt.
Mit Transparenten wie We are not pirates we are fishermen oder Vereint gegen koloniales Unrecht wiesen Demonstrant_innen am ersten Prozesstag auf die politische Dimension dieses Prozesses hin. Wie abhängig die Beurteilung der Piratenaktivitäten von der politischen Perspektive ist, zeigten Anfang November zwei Prozesse im kenianischen Mombasa. Ein Gericht ordnete mit der Begründung, die Festgenommenen würden unter Missachtung ihrer Grundrechte festgehalten, deren Freilassung an, während ein anderes Gericht 17 Angeklagte aus Mangeln an Beweisen freisprach.
Quellen:
Gericht in Mombasa lässt Piraten frei. Neue Zürcher Zeitung. 11.11.2010
http://thecaravan.org/node/2653
Hamburg wieder Bühne für Piratenprozess. Frankfurter Rundschau. 22.11.2010
Somalische Piraten vor Gericht. Neue Zürcher Zeitung. 23.11.2010