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F. Cooper: Afrika in der kapitalistischen Welt

Eher verhalten fielen die 50-Jahresfeiern zur Staatsgründung in den 17 subsaharischen Ländern aus, die allein im „Afrikanischen Jahr“ 1960 in die Unabhängigkeit entlassen wurden1 – zu sehr wurden die mit der Entkolonisierung verbundenen Hoffnungen der Menschen auf ein besseres Leben enttäuscht.

Populäre Erklärungen für die stattdessen eingetretene Misere führen dies auf die mangelnde Fähigkeit der afrikanischen Gesellschaften zurück, kapitalistisch-marktwirtschaftliche Strukturen und funktionierende Staatswesen nach westlichen Vorbild zu installieren – sämtliche „Entwicklungs“-modelle und -bemühungen sind gescheitert.

Frederick Cooper stellt in seinem bereits 1994 veröffentlichten Aufsatz „Africa in a Capitalist World“2 einer solchen „westlichen“ Sichtweise entgegen, dass die Nicht-Durchsetzung kapitalistischer Produktions- und Reproduktionsweisen auf den erfolgreichen Widerstand der Afrikaner_innen gegen die Logik von Ausbeutung und Akkumulation zurück zu führen ist. Seine historische Studie belegt, dass die Komplexität der sozialen Beziehungen in Afrika es sowohl den afrikanischen Mächtigen wie auch europäischen Invasoren besonders schwer machten, jene Voraussetzungen für eine systematische Ausbeutung zu schaffen, die für den Kapitalismus charakteristisch sind.

Daher halten wir den Aufsatz auch heute noch für einen Schlüsseltext zum Verständnis der afrikanischen Realitäten. Daran ändert auch grundsätzlich nicht, dass seit seiner Veröffentlichung, insbesondere seit dem rasanten Wachstum in China, Afrika als geostrategische Schatzkammer des 21. Jahrhunderts zum begehrten Objekt einer selektiven Rohstoff-Verwertung geworden ist.

Wir danken Shalini Randeria, Mit-Herausgeberin des 2009 im Suhrkamp-Verlag erschienenen Sammelbandes „Vom Imperialismus zum Empire“, in dem der Text zuerst in deutscher Sprache erschienenen ist, für die Nachdruck-Genehmigung. Wir haben die dort veröffentlichte Fassung mit Abänderungen wiedergegeben. Außerdem vielen Dank an Is Twite, von deren Übersetzung wir sämtliche Fußnoten und auch einige andere Formulierungen übernommen haben.

1Bernhard Schmid: Die erzwungene Unabhängigkeit. jungle world 22.07.2010. Dossier

2erschienen in: Darlene Clark Hine/Jaqueline McLeod (Hg.), Crossing Boundaries. Comparative History of Black People in Diaspora, Bloomington/Indianapolis 1999, S. 391 – 418

Afrika in der kapitalistischen Welt

Frederick Cooper

Afrika erscheint in den europäischen und amerikanischen Medien heute als ein Kontinent tödlicher Plagen, Hungersnöte und Bürgerkriege. Die Bilder, die sich die westliche Welt von Afrika machte, weisen eine erstaunliche Kontinuität auf: Im 18. Jahrhundert war Afrika der Ort der zu versklavenden Anderen – Menschen, die so anders geartet waren, dass es zu einer vorstellbaren Möglichkeit wurde, sie als bewegliches Eigentum zu behandeln. Mitte des 19. Jahrhunderts war Afrika zum Ort der versklavenden Anderen geworden – Menschen, deren tyrannischer und brutaler Umgang miteinander ihre Teilnahme am weltweiten Fortschritt verhinderte und eine Intervention der Europäer rechtfertigte. In den 1920er Jahren waren die kolonialen Bemühungen um die Neugestaltung Afrikas gescheitert, und Afrika wurde als ein Kontinent der Stämme und Traditionen beschrieben, in dem selbst die Kolonialherren bei dem Versuch, einen Wandel herbei zu führen, an ihre Grenzen stießen. In den 1940er und 1950er Jahren war Afrika erneut zum Gegenstand eines Transformationsprozesses geworden, mit dem Tradition in Modernität überführt werden sollte und in dem dieRückständigkeit nicht mehr als unveränderlicher Charakterzug einer Rasse, sondern alsreversibles kulturelles Merkmal betrachtet wurde. Diese Sichtweise stand auch hinter dem Gedanken der Entwicklung, mit dessen Hilfe die europäischen Mächte versuchten, sich mit dem Ende der Kolonialreiche abzufinden – in der Hoffnung, eine in Europa ausgebildete herrschende Klasse würde sich in ihrem Bemühen, die mit einem solchen Unterfangen verbundenen Krisen zu bewältigen, an europäischen Vorbildern und europäischen Verbindungen orientieren. Das Scheitern der Entwicklungsprogramme wiederum führte in der populären Presse und in Teilen der Sozialwissenschaften zu einer starken Tendenz, Afrika ganz abzuschreiben und als für den weiteren Fortschritt der Menschheit unbedeutend zu betrachten. Afrika erschien als ein Kontinent, der sich in seiner Unfähigkeit, die Menschen vernünftig zu regieren, festgefahren hatte und nur noch für wohltätige Organisationen interessant war, die sich um Flüchtlinge und Hungersnöte kümmerten. Gleichzeitig wurde Afrika aber auch zum Symbol für die Bedrohung der übrigen Welt – seine wachsende Bevölkerung drohte, an die Türen aller anderen Länder zu klopfen, und seine anarchische Gewalttätigkeit wurde zu einer Warnung vor den Gefahren einer Welt von Besitzenden und Besitzlosen, wenn es nicht gelingen sollte, die letzteren auf irgendeine Weise zu beruhigen und zu beherrschen.1

In den Darstellungen von Paul Johnson oder Robert Kaplan – denen in der New York Times und The Atlantic Monthly eine prominente Stellung eingeräumt wurde – wird mit einer an Joseph Conrad gemahnenden Beschwörung der Finsternis ein augenfälliger Kausalzusammenhang geliefert. Gewalt, Verbrechen, unfähige Regierungen, Korruption, unproduktive Wirtschaftssysteme und unkontrolliertes Bevölkerungswachstum werden als Ursachen angeführt – völlig losgelöst von jeder historischen Betrachtung und jeder Diskussion der globalen Ökonomie oder der Weltpolitik. Der Leser muss selbst die Schlussfolgerungen ziehen, die die Autoren selbst nicht offen aussprechen können: die Ursachen für die Probleme Afrikas sind die afrikanischen Menschen und die afrikanischen Kulturen selbst. Mit der nicht näher erklärten Behauptung, Afrika sei der Ressourcen vernichtende, gewalttätige, sich ungezügelt vermehrende Andere, konstruieren die Autoren dieselbe Aufteilung in eine westliche und eine restliche Welt, vor deren Gefahren wie warnen wollen.2 Wenn Johnson oder William Pfaff einer Rekolonisierung Afrikas das Wort reden, dann nicht, weil es ihnen darum geht, eine ernsthafte Möglichkeit in Betracht zu ziehen. Frühere Kolonialisten wissen nur zu gut, dass der letzte Versuch dieser Art mit Gewalttätigkeit, Widerstand und sinnlosen Ausgaben verbunden war, und haben weder individuell noch kollektiv auch nur das geringste Interesse an einer neuen Episode kolonialer Herrschaft. Was die Autoren auf dramatische Weise sagen wollen, ist etwas anderes, nämlich dass Afrika außerhalb unserer globalen Vorstellung von normaler Politik liegt.3 Und wenn afrikanische Intellektuelle, wie vor allem Ali Mazrui, ihre eigene Version einer Rekolonisierung propagieren, dann wollen sie mit der Erinnerung an die Kolonialzeit auf zugespitzte Weise deutlich machen, dass die Afrikaner das tief verwurzelte Scheitern vieler ihrer eigenen Regierungen erkannt haben. Wer über ein ausreichendes Maß an visionärer Kraft verfüge, müsse die Verantwortung für jene übernehmen, die gescheitert sind. Mazruis Kritiker weisen darauf hin, dass mit der Beschwörung des Kolonialismus Afrika derselben Geschichte ausgeliefert wird, die für die derzeitigen Schwierigkeiten verantwortlich ist.4 Diese Art von Polemik bringt die zahlreichen afrikanischen Intellektuellen, die seit Jahren offen auf jedwede Unterdrückung, Eitelkeit und Inkompetenz verwiesen haben, in eine äußerst schwierige Situation: Wie kann man gegenüber einer Welt, die von rassischer und kultureller Stereotypisierung geprägt ist, von der dreißigjährigen Geschichte unabhängiger afrikanischer Staaten sprechen, ohne die allzu häufig brutale Wirklichkeit zu leugnen oder sich jeder afrikanischen Verantwortung zu entziehen?5

Dem Problem der Darstellung kommt dabei fundamentale Bedeutung zu. Bestimmte Vorgänge – der erschreckendste ist der Sklavenhandel – konnten im Europa des 18. Jahrhunderts genau deshalb betrieben werden, weil die Sklavenfänger im Zusammenhang mit der Entwicklung von Mechanismen für die Versklavung von Afrikanern eine bestimmte Redeweise entwickelten, wenn sie von den versklavten Menschen sprachen. Die dabei entstehenden Stereotype sind aber nicht nur das Ergebnis einer Geschichte der Ausbeutung, sondern auch dasjenige einer verhinderten Ausbeutung. Die Geschichte der Afrikaner in der Neuen Welt ebenso wie in Afrika selbst ist auch die Geschichte der Kämpfe und Konfrontationen, in denen der europäische Imperialismus daran scheiterte, Afrika in einen Raum zu verwandeln, der nur seinen Zwecken dienlich war oder seinen Erwartungen entsprach. Die Geschichte der Stereotypisierung wurde nicht nur von den Anstrengungen der Sklavenmacher oder Kolonialisten geprägt, ihre Vorgehensweisen als etwas ganz Normales erscheinen zu lassen, sondern auch von den Bemühungen der Versklavten oder Eroberten, aus der Realität, mit der sie konfrontiert waren, das Beste zu machen. Was Afrikaner über die Grenzen der europäischen Wirtschaftskraft zu sagen haben, sollte deshalb mindestens ebenso aufschlussreich sein wie das, was die Machthabenden über die Grenzen der Afrikaner zu sagen haben.

Die Vorstellung von Afrika als einem sehr speziellen Ort, der von einer sehr speziellen Art von Menschen bewohnt ist, entstand aus seiner Diaspora-Geschichte, in der die Sklavenjäger, die Versklavten und die große Zahl von Europäern und Afrikanern, deren Erfahrungswelt von der Sklaverei geprägt wurde, in den Nexus von Ausbeutung und Verunglimpfung einbezogen waren und sich gleichzeitig dagegen zu wehren versuchten. Aber die Tatsache, dass die versklavten Afrikaner in der Neuen Welt in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ebenso wenig Neigung erkennen ließen, zum rationalen ökonomischen Akteur der offiziellen Emanzipationspolitik zu werden, wie sie bereit waren, die gehorsamen Diener der Sklavenhalter zu sein, hatte bedeutsame Konsequenzen. Dieses vermeintliche Scheitern der durch Großbritannien forcierten Emanzipation ebenso wie der späteren Sklavenbefreiung hatte auch Auswirkungen auf Europa selbst. Ein Europa, das vom Gedanken an den Fortschritt besessen war, konnte auf völlig legitime Weise sein Afrikabild verändern, ohne dabei jedoch einen entscheidenden Aspekt aufzugeben: Afrika wurde nicht länger als ein Gefäß betrachtet, das man seines menschlichen Inhalts entleeren konnte, sonder als ein neu zu gestaltender Raum. Aber diese Definierung Afrikas über eine durch Gewalt und Verunglimpfung gekennzeichnete Geschichte sollte bald Rückwirkungen zeigen: Afrika wurde zum symbolischen Brennpunkt der in der gesamten Diaspora verbreiteten Bemühungen, die Jahrhunderte der Unterdrückung rückgängig zu machen und einen Platz an der Sonne zu finden – nicht nur als Menschen, sondern als Afrikaner, deren Besonderheit nun als lebendiger Beitrag zu den Kulturen der Welt galt.6 Dennoch erwies sich auch der in den1960er Jahren triumphierende Afrikanismus – der in den meisten Fällen weiterhin von einer grundlegenden Einheitlichkeit eines so vielgestaltigen Kontinents ausging – als anfällig für immer neue Wendungen: etwa für die Darstellung Afrikas als dem Ort, an dem Entwicklung und Demokratisierung gescheitert sind.7

Dem Nexus von Darstellung und Ausbeutung käme man näher, indem man versucht, Zusammenhänge zu erklären – was freilich die Anhänger des „Afrika-Bashing“ systematisch ablehnen. Ihre Fähigkeit, eine halbe Wahrheit so darzustellen, als stünde sie für das Wesen Afrikas, wurzelt darin darin, manche Phänomene als aus sich selbst heraus verursacht zu behandeln: Afrika mit seinen Hungersnöten, Staatsstreichen und Massakern ist so, weil es eben Afrika ist. Aber selbst wenn wenn man akzeptiert, dass Staaten wie Liberia oder Ruanda, so wie sie heute in unseren Nachrichten erscheinen – oder auch die Hungersnöte, auf die die „Freunde“Afrikas so gerne verweisen – , nicht die Gesamtheit aller Geschehnisse in Afrika repräsentieren, kann eine verantwortungsbewusste Analyse Afrikas die Phänomene nicht einfach auf böswillige Verleumdungen von Seiten der westlichen Presse reduzieren. Der Tatsache, dass „Afrika“ zum Inbegriff der internationalen Diskussion über komplexe Kulturen und das Staatswesen geworden ist, muss man vielmehr die Frage entgegenhalten, wo eine Verallgemeinerung zulässig ist und wo nicht und wie Kausalanalysen, die sich mit lokalen, regionalen, kontinentalen und globalen Zusammenhängen beschäftigen, zueinander in Beziehung gesetzt werden können. Der Schwerpunkt der Debatte muss verlagert werden: Was wir verstehen müssen, ist nicht nur die Besonderheit Afrikas, sondern der ganz spezielle Verlauf der Weltgeschichte, in der Afrika eine Rolle gespielt hat.

Die Meinungsmacher in Europa und Nordamerika können die globalen Märkte und das ökonomische Wachstum als quasi ganz natürliche Phänomene darstellen und über Afrika sprechen, als sei es eine merkwürdige Ausnahme. Im Prinzip könnte man die Situation einfach umkehren: Gerade der Kapitalismus ist die merkwürdige Institution. Es ist offensichtlich, warum die erstgenannte Position die vorherrschende ist: Macht entscheidet nicht nur darüber, wer profitiert, sondern auch, wer den Diskurs bestimmt. Ungeachtet aller Anstrengungen von Seiten afrikanischer und afro-amerikanischer Intellektueller seit dem 19. Jahrhundert, die den Diskussionen über Afrika einen anderen Charakter geben wollten, bündeln sich die Grundlagen des Wissens und der Urteile über Afrika in den Machtzentren außerhalb des afrikanischen Kontinents. Denn trotz aller Bemühungen afrikanischer und afro-amerikanischer Intellektueller seit dem neunzehnten Jahrhundert, die Art und Weise zu ändern, in der über Afrika gesprochen wird, haben sich die Ursprünge des Wissens und des Urteils über Afrika auf Machtzentren außerhalb des Kontinents konzentriert.

So kommt es, dass Afrika in den Medien des größten Teils der Welt als ein Kontinent der Rätsel, der Finsternis und der Rückständigkeit erscheint. Der Kapitalismus dagegen gibt sich überhaupt nicht als System, sondern als Abwesenheit von Zwang. Auf dem freien Markt unternimmt das freie Individuum in seinem Streben nach ökonomischem Vorteil und in Konkurrenz mit anderen eine Folge von Transaktionen, die in ihrer Gesamtheit zu einer optimalen Ressourcenverteilung führen. Einige bekannte Wirtschaftshistoriker erklären den Reichtum Europas mit seinen großen Errungenschaften auf dem Gebiet der kulturellen Unterstützung von Wettbewerb und Innovation, während andere Teile der Welt nicht in der Lage gewesen seien, eine ähnliche Unterstützung zu sichern.8

Einige Afrika-WissenschaftlerInnen entgegnen, AfrikanerInnen seien ebenso gute KapitalistInnen gewesen sind wie alle anderen – die Geschichte Afrikas kennt viele Zeugnisse von überaus effektiven Handelsgemeinschaften ebenso wie von Verwandtschaftsnetzwerken, die jeweils zur Saat und Ernte von Exportfrüchten mobilisiert werden. Aus diesem Argument, das die Afrikaner als potenzielle Kapitalisten kennzeichnet, entspringen zweierlei Schwierigkeiten. Erstens wird das Problem als solches trivialisiert: Praktisch jede Gemeinschaft der Welt hat in dieser oder jener Weise Tauschhandel betrieben, allerdings ohne dieselben ökonomischen Konsequenzen. Und zweitens bedient sich das Argument viel zu stark der Begrifflichkeit seiner Problemstellung – als sei eine bestimmte Form des wirtschaftlichen Verhaltens natürlich.9

Eine andere Argumentation vertauscht die Prämissen: Sie stimmt den Afrika-Denunzierern zu, dass AfrikanerInnen in wirtschaftlicher Hinsicht anders handeln,weil sie eine unterschiedliche Art von Kultur haben, betrachtet das aber nun als etwa Positives – als eine kommunitäre, ganzheitliche Sichtweise des Lebens statt einer individualistischen, eigennützigen. Aber auch diese Umkehrung basiert auf demselben Trugschluss: Kultur ist tatsächlich eine Verdichtung der Geschichte, eine Anerkennung der Tatsache, dass die verschiedenen Wege, denen die Menschen im Laufe der Jahrhunderte gefolgt sind, die dabei zu bewältigenden Kämpfe und ungleichen Begegnungen Konsequenzen für die Gegenwart haben. Axelle Kabou hat andere afrikanische Intellektuelle und politische Eliten für die Verwendung kulturalistischer Argumente kritisiert, um Entscheidungen zu vermeiden und Verantwortung für die Folgen ihrer Handlungen abzulehnen. Solche Führer inszenierten sich damit als Bewahrer der Besonderheit Afrikas, auch wenn es nur die Besonderheit des Elends ist. Aber es gibt noch andere Möglichkeiten, über diese Fragen nachzudenken, und zwar ohne einem der beiden kulturalistischen Irrtümer zu verfallen oder ohne alle kulturellen Verschiedenheiten überhaupt zu leugnen.10 Warum nicht die Geschichte selbst unmittelbar in den Blick rücken, anstelle ihrer zweidimensionalen Projektion auf Kultur, von der man spricht, als sei sie unveränderlich und ausschließlich an einen ganz bestimmten Ort gebunden?

Bei der Betrachtung der Geschichte Afrikas muss man nicht zwingend nur das Spezifische des Kontinents ins Auge fassen, man kann auch die spezifischen ökonomischen und sozialen Strukturen untersuchen, in deren Kontext Afrika seine eigene Position finden musste. Dabei leistet Marx gute Dienste. Er argumentierte, dass die Apologeten des Kapitalismus ihren Erfolg auf die Nutzen bringende Wirkung individueller Transaktionen zurückführen, während er doch in Wirklichkeit auf die schädliche Ausübung gesellschaftlicher Macht zurückgeführt werden müsste. Marx hatte wider seinen Willen doch Respekt vor dem Kapitalismus und seinen enormen materiellen Erfolgen, aber er beharrte darauf, dass Brutalität nicht nur einen bloßen Nebeneffekt, sondern vielmehr den Kern des Kapitalismus ausmache. Der Kapitalismus sei nicht einfach nur freie Marktwirtschaft, sonder basiere vielmehr auf der Trennung der Mehrheit der Produzenten von den Produktionsmitteln bzw. auf der von ihm so genannten ursprünglichen Akkumulation. Die Entwicklung Englands zur stärksten Wirtschaftsmacht der Welt führte er auf die gewaltsame Abschaffung des Rechts der Bevölkerung auf den Zugang zu Land zurück. Dadurch blieb nicht nur der Mehrzahl der Menschen keine andere Wahl als das Einzige zu verkaufen, was sie besaßen – nämlich ihre Arbeitskraft –, auch die Landbesitzer ihrerseits hatten keine andere Wahl, als diese Arbeitskraft zu kaufen. Der Kapitalismus als System war langfristig erfolgreicher als die häusliche Produktion, die Leibeigenschaft oder die Sklaverei, weil er die Reichen zwang, jeden Tag miteinander in Konkurrenz um die angebotene Arbeitskraft zu treten und deshalb diese Arbeitskraft möglichst genauso so effektiv wie alle anderen einzusetzen. Der Sklavenhalter konnte, wenn er mehr Bargeld brauchte, ein wenig mehr Brutalität walten lassen; der feudale Landbesitzer konnte sicher sein, dass seine Leibeigenen auf seinem Land bleiben und ihn weiter mit Nahrungsmitteln versorgen würden, auch wenn er ihre Arbeitskraft weniger effektiv ausbeutete; der Kleinbauer konnte überleben mit dem, was er selbst produzierte, und die sich ihm bietenden Möglichkeiten nutzen, etwaige Überschüsse zu verkaufen, ohne aber darauf angewiesen zu sein. Im Gegensatz dazu standen sich sowohl der Kapitalist als auch der Lohnarbeiter auf dem Arbeitsmarkt gleichsam nackt gegenüber.

Marx’ Kritiker haben darauf verwiesen, dass sich all das in einem internationalen Kontext vollzog. Der Abbau von Ressourcen in anderen Teilen der Welt hat dazu beigetragen, die Akkumulationsfähigkeit des Kapitals zu verbessern und auf dem Weg über billige Importe die Löhne niedrig zu halten. Damit ist aber noch nicht erklärt, warum der Imperialismus in manchen Ländern – wie in Spanien – eine Oberschicht hervorbrachte, die sich mit dem begnügte, was sie herausholen konnte, während beispielsweise in England die imperialen Ressourcen Eingang in eine dynamische Wirtschaft fanden. Einleuchtender ist die Argumentation, dass gerade die Veränderungen der Produktionsverhältnisse innerhalb Englands die Möglichkeit eröffnete, durch den Auslandshandel und die ausländischen Eroberungen – Sklavenhandel und Kolonialismus – das ökonomische Wachstum und die ökonomische Macht des Mutterlandes zu stärken.11

Damit sind wir an dem Punkt, an dem Marx sich durch seine zutiefst eurozentristische Sichtweise irreführen ließ. In seinen Überlegungen zur Situation in Indien sagte Marx voraus, dass die Brutalität der britischen Eroberung ähnliche Auswirkungen haben würde wie die Brutalität der ursprünglichen Akkumulation in England: Sie würde die indischen Oberschichten zwingen, ihre altertümlichen Methoden aufzugeben und ihre Untergebenen in echter kapitalistischer Weise auszubeuten, womit die gesamte Hindu-Gesellschaft aus ihrer Rückständigkeit gerissen würde.12 Aber die Eroberung durch die Briten führte nicht zur Auflösung der gesellschaftlichen Strukturen in Indien, sondern festigte sie vielmehr auf eine ganz spezifische Weise. Das Kolonialsystem selbst musste die Inder als ganz eigene, andere Art von Wesen definieren, um seinen Zusammenhalt als Herrschaftssystem zu wahren. Und diese Form der Distanzierung führte ihrerseits dazu, dass die indischen Eliten die britische Macht zur Stärkung ihrer Autorität nutzen konnten, ohne sich selbst auf eine kapitalistische Dynamik einzulassen. Hier stoßen wir erneut auf das bereits angesprochene Darstellungsproblem. Britische Autoren sahen in alldem nicht etwa ein Scheitern des Kolonialismus oder einen Anhaltspunkt für die künftige Entwicklung eigener Wege innerhalb der indischen Gesellschaft – für sie war es vielmehr eine Frage der indischen Rückständigkeit.13 Mir geht es nicht darum, so zu tun, als gebe es gleichsam eine normale Form wirtschaftlichen Wachstums, unter die auch Afrika fallen würde, noch will ich die Argumentation der Afrika-Denunzierer auf den Kopf stellen und Afrika nur als Opfer betrachten .14 Nach meiner Argumention haben sich die afrikanischen Gesellschaftsstrukturen und die Geographie Afrikas in der Tat dem Vorherrschaftsanspruch der Kapitalisten widersetzt, so wie sie auch die Versuche der afrikanischen Eliten scheitern ließen, umfassende Macht über die Menschen auszuüben. Trotz der ungleichen Machtverhältnisse haben die AfrikanerInnen versucht, Elemente der sich wandelnden globalen Strukturen so gut wie möglich für sich zu nutzen. Ein Großteil der Probleme, mit den Afrika sich heute konfrontiert sieht – die dürftigen ökonomischen Aussichten ebenso wie die verunglimpfende Weise, in der über die Zukunft Afrikas gesprochen wird -, sind weniger das Resultat eines Versagens als vielmehr das Resultat eines Teilerfolgs einer großen Zahl seiner Menschen im Bemühen darum, fremde Bestrebungen um wirtschaftliche Vorherrschaft abzublocken, abzulenken oder für die eigenen Interessen auszunutzen.

Afrikas Wirtschaftsgeschichte ist keine Geschichte fortwährender Rückständigkeit, allgemeiner Armut oder erstickender Überbevölkerung. Seine Geschichte ist auch eine der Anpassung an problematische Ökosysteme, der Produktion von Cash-Crops und der Bildung leistungsfähiger Handelsnetze. Afrika hat sich – ob zu seinem Vorteil oder seinem Nachteil – an die von außen kommende Nachfrage nach seinen Produkten angepasst. Aber die Frage bleibt, welche Form Innovationen und Anpassungen angenommen haben, wie die AfrikanerInnen auf die ihnen aufgezwungenen Veränderungen reagiert haben und welche Auswirkungen Anpassung, Zwang und Widerstand auf mögliche Veränderungen der Produktion und des Austauschs gehabt haben.

Einige Autoren haben argumentiert, die Anpassungen der Afrikaner hätten mit einem Problem begonnen, das mit den heutigen Befürchtungen im Hinblick auf Überbevölkerung nichts zu tun hatte:

Afrika war nicht nur im Verhältnis zur Gesamtfläche des Kontinents dünn besiedelt, die Bevölkerung konzentrierte sich darüber hinaus inselartig auf wenige, weit auseinander liegende Gebiete. Das führte nicht nur zu einer ungewöhnlich großen linguistischen und kulturellen Vielfalt, sondern auch zu einer Spezialisierung bestimmter sozialer Gruppen auf den kostenintensiven Fernhandel und an den meisten Gegenden zu einem Fehlen jeglicher Anreize für eine Intensivierung der Produktion.15 In der Tat war bis in die 1950er Jahre die größte Sorge der Kolonialbeamten nicht die Überbevölkerung, sondern im Gegenteil die Unterbevölkerung. Das Problem der Verteilung von Bevölkerung und Ressourcen ist aber mehr als nur eine Frage von unterschiedlichen Relationen. Die Tatsache, das Afrika Inseln landwirtschaftlichen Wachstums und hoher Bevölkerungsdichte aufwies, die durch weite Landstriche getrennt waren, in denen die Menschen gerade eben überleben konnten, führte zu Machtkonflikten und Ausbeutung.

Auf den ersten Blick erscheint es seltsam, dass einige dieser Inseln mit vergleichsweise hoher Bevölkerungsdichte in Gebieten zu finden waren, die durch ihre gebirgige Lage relativ gut geschützt und nicht besonders fruchtbar waren, während andere in besonders produktiven Gegenden lagen.16 Das lässt darauf schließen, dass Afrikas menschliche Geografie zahlreiche Orte aufwies, an denen man sich verstecken konnte, und nur wenige, die sich für die Ausbildung eines Ausbeutungssystems eigneten. Ein zukünftiger König oder ein zukünftiger Konsument von Arbeitskraft konnte durchaus Anhänger finden und an sich binden – daher die hohe Bevölkerungsdichte im Niger-Bogen oder in den um verschiedene Seen errichteten Königreiche des so genannten ostafrikanischen Zwischenseengebiets, die mehrere Jahrhunderte zurückreichen – aber ihre Bemühungen wurden durch die beständige Gefahr begrenzt, dass verwandtschaftlich organisierte Gruppen in andere Gegenden ziehen und sich dort niederlassen konnten. Untersuchungen zur Sklaverei, meist mit Schwerpunkt auf dem 19. Jahrhundert, haben gezeigt, mit welchem Misstrauen SklavenhalterInnen älteren oder am Ort geborenen SklavInnen – die über Kontakte und das notwendige Wissen verfügten, um kollektive Flucht oder Widerstand zu organisieren – begegneten und es vorzogen, ihre Arbeiterschaft durch Sklavenraub in anderen Gegenden zu verjüngen oder zu vergrößern.17

Die Option der „Abwanderung“, die „exit option“, wie es Albert Hirschman genannt hat, spielte eine durchaus bedeutende Rolle neben den alternativen Möglichkeiten der Loyalität – der Unterstützung des Königs oder der Ältesten, so lange diese ihre Ansprüche nicht zu sehr steigerten – und des Widerspruchs, d.h. der Intervention mit dem Ziel, das System zu verändern, anstatt es zu verlassen oder seinem Diktat zu gehorchen.18 Von den Alternativen, die den Afrikanern offen standen, ist die des Widerspruchs wohl am wenigsten untersucht worden – auch wenn beispielsweise die reichhaltige Geschichte muslimischer Revolutionen in Westafrika im 19. Jahrhundert darauf hin deutet, dass Kritik an den Machtstrukturen und Mobilisierung von Widerstand zu ihrer Veränderung ebenfalls ein Teil der afrikanischen Geschichte gewesen sind. Die Abwanderung verändert natürlich die Bedingungen der beiden anderen Optionen und die Abwanderung war durchaus eine gesellschaftliche Möglichkeit, die sowohl auf der Stärke als auch der Flexibilität von Verwandtschaftsnetzen und anderen Formen der Zusammengehörigkeit beruhte. Die Abwanderung war nicht in allen Teilen der Welt eine wirklich praktikable Option: Durch Faktoren wie ungünstige geographische Lage, höhere Bevölkerungsdichte und die relativ schwache Stellung von auf Verwandtschaft basierenden körperschaftlichen Gruppen (Lineage) waren andere Regionen seht viel schutzloser gegenüber den Forderungen von Seiten potenzieller Könige oder Ausbeuter. Auch eine Geschichte der Staatenbildung fehlt in Afrika nicht, aber in dem Maße, wie Verwandtschaftsgruppen in solchen Fällen gezwungen waren, Tribute zu zahlen, Krieger zu stellen oder Eheschließungen zuzustimmen, die es dem König erlaubten, seinen Familienverband zu erweitern, konnten die Verwandtschaftsgruppen ihrerseits den König zwingen, sich ihnen anzupassen und eine Kontrolle seiner Autorität zu akzeptieren.

Wie John Peel festgestellt hat, bezieht sich der Ausdruck, den die Yoruba für Entwicklung haben, auf die Nutzung externer Ressourcen. Ein potenzieller König musste sich, weil er im Innern Kontrollen unterworfen war, nach außen orientieren. Peel argumentiert, dass dieses nach außen gerichtete Entwicklungskonzept eine lange Kontinuität in der Geschichte der Yoruba aufweist – von der Epoche des Sklavenhandels bis zu der Epoche der Erdölexporte.19 In der Periode des Sklavenhandels (die vom 17. Jahrhundert bis Mitte des 19. Jahrhunderts dauerte und große regionale Unterschiede aufwies) zeigte sich, dass die für die afrikanischer Königreiche charakteristischen strukturellen Einschränkungen katastrophale Konsequenzen hatten, als sie in die Reichweite der sich immer weiter ausdehnenden Fangarme des von Europa ausgehenden Handels gerieten. Für einige afrikanischen Könige und Kaufleute war die Teilnahme am Sklavenhandel nur insofern sinnvoll, als sich die Beschaffung und Disziplinierung der Sklavenarbeit außerhalb ihres eigenen Machtbereichs vollzog. Sie unternahmen Raubzüge in weit entfernten Gegenden und verkauften die dabei erbeuteten Menschen, wobei sie zwar auf die potenziellen Gewinne aus der direkten Ausbeutung der Sklavenarbeit verzichteten, gleichzeitig aber auch die mit der Haltung einer großen Sklavenbevölkerung verbundenen Risiken vermeiden konnten. Nach dem europäischen Sinneswandel in der Frage der Sklaverei mussten die von Sklavenfang profitierenden Eliten vom Export zur direkten Nutzung von Sklavenarbeit übergehen. Das gelang ihnen in einigen Fällen auch – wenngleich nur, indem die Menschen auf dem Weg über den Status der Sklaverei in eine Position weniger stark verdinglichter Unterscheidung und Unterwerfung überführt wurden. Der Preis waren schreckliche, über weite Bereiche des Kontinents ausgedehnte Raubzüge zur Erbeutung von Sklaven.20

Unser Verständnis des Zusammenhangs zwischen Sklavenhandel, Sklaverei und Kapitalismus wurde zu weiten Teilen geprägt von dem westindischen Historiker und Politiker Eric Williams, dessen Arbeiten selbst heute, fünfzig Jahre später, noch zum Widerspruch herausfordern.21 Wenn wir Williams’ Kritikern zugestehen, dass die Sklaverei selbst nicht für die Entwicklung des Kapitalismus verantwortlich ist, so trug der Kapitalismus jedenfalls zur Entwicklung der Sklaverei bei, indem er durch expandierende Märkte und eine zunehmende Effizienz im Transportwesen führte, wodurch sich wiederum der Zucker verbilligte, der dazu diente, das englische Proletariat bei Kräften zu halten.22 Das 18. und frühe 19. Jahrhundert waren in der Tat gekennzeichnet durch die starke Expansion des atlantischen Sklavenhandels. Aber die Sache hatte einen Haken: Die scheinbar problemlose Symbiose verschiedener Systeme auf der ökonomischen Ebene – mit der Nutzung von Sklaven- und Lohnarbeit –hatte in England selbst eine Ideologiekrise zur Folge.

Williams wiederum kommt mit dem Verweis der Wahrheit ziemlich nahe, dass jede Erklärung für die Abkehr führender britischer Politiker von der Sklaverei mit Sicherheit auch mit dem Wachstum der britischen Industrie zu tun haben muss, dank dem die Zuckerrohrpflanzer ihre Bedeutung für die englische Wirtschaft verloren. Sein Hauptargument jedoch, wonach Veränderungen der ökonomischen Grundlagen im sich industrialisierenden England selbst direkt zur Abkehr von der Sklaverei geführt hätten, und zwar als Teil einer ganz bewussten Kalkulation, stellt eine unzulässige Vereinfachung dar. Die Emanzipation der Sklaven war unter diesen Gesichtspunkten ein kostspieliger Fehler und führte zu einer enormen Stärkung der spanischen Sklavenkolonie Kuba.23 Wenn es der ungesteuerten Funktionsweise der Märkte überlassen wäre, dann könnte die Sklaverei in einigen Situationen auch heute noch als ein sinnvoller Weg zur Organisation der Produktion gelten, und im Kongress würde bestimmt jemand aufstehen und sagen, dass wir uns in einer vom Wettbewerb geprägten Welt nicht leisten können, sie abzuschaffen.

Damit kommen wir zurück zum Problem der Ideologie, allerdings nicht im Sinne einer Geschichte des humanitären Fortschritts, dem wieder einmal die Beseitigung einer teuflischen Einrichtung gelingt. David Brion Davis hat deutlich gemacht, wie sehr die moralische Überlegenheit der Lohnarbeit in England selbst umstritten war und wie wenig die LohnarbeiterInnen davon überzeugt waren, dass sie sich auf Gedeih und Verderb dem Markt ausliefern sollten. Die britische Eliten konnten kaum eine Begründung dafür bieten, warum die Unterwerfung unter die Marktdisziplin eine größere Tugend sein sollte als Gemeinschaft und Paternalismus, wenn ihre Landsleute darauf bestanden, die Sklaverei sei in ökonomisch wie moralischer Hinsicht genauso gut. Natürlich versuchten die Unterklassen in Großbritannien, Sklaverei und Lohnsklaverei miteinander in Verbindung zu bringen, aber es war eher eine konservative Kritik an der Sklaverei, die schließlich die Unterstützung der Mächtigen fand. Gleichzeitig mit der Emanzipation auf den West-Indischen Inseln im Jahre 1834 wurden in England drakonische Gesetze gegen die Armen verabschiedet.24 Aber das ist nur der eine Teil der Geschichte. Der andere vollzog sich auf Haiti, Jamaika und anderen Sklavenkolonien, wo Revolutionen und Revolten nachdrücklich deutlich machten, dass Sklaverei Gewalt bedeutete – so konnte die beruhigende Fiktion von der Lohnarbeit als einem unpersönlichen System von Transaktionen einer unmittelbare drohenden Gefahr gegenüber gestellt werden.

Hier stellen wir erneut fest, dass der Kapitalismus nicht als unsichtbare Hand zu verstehen ist, sondern nur als ein System von Darstellungen, in dem Afrika einen ganz bestimmten Platz einnehmen sollte. Man könnte sich vorstellen, dass in den ersten Jahren nach der Abschaffung der Sklaverei das Modell der Lohnarbeit auf den Prüfstand kam. Wie Thomas Holt zeigen konnte, haben viele ehemalige SklavInnen in der Tat diese Möglichkeit ausprobiert und dabei erhebliche Defizite festgestellt. Die früheren Sklaven war vor allem bemüht, ihren Lebensrhythmus nicht den Erfordernissen der Pflanzungen und des Zuckerrohrs unterzuordnen, und strebten stattdessen die Entwicklung familialer Wirtschaftsformen an, bei denen periodische Lohnarbeit, Subsistenzproduktion und die Kultivierung und Vermarktung von Cash Crops miteinander kombiniert wurden. Überall in Westindien wurde die Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen ebenso wie die zwischen PflanzerInnen und ArbeiterInnen in Frage gestellt. Diese ehemaligen SklavInnen haben in hohem Maße auf die Struktur der Wirtschaft eingewirkt, und die kleinbäuerliche Produktion wurde auf Dauer zu einem wichtigen Teil der westindischen Wirtschaftsweise.

Was den Diskurs in den Zentren der Macht betrifft, so war der Einfluss der ehemaligen SklavInnen weitaus geringer. Der Rückgang der Zuckerproduktion galt hier nicht als Ausdruck eines Systemversagens, sondern als Versagen einer bestimmten Rasse. Eine Zeit lang war im Rahmen der Debatten über das Sklavenemanzipationsgesetz von 1833 auch die Möglichkeit diskutiert worden, dass die Menschen afrikanischer Abstammung auf Marktanreize in einer Weise reagieren könnten, die von Mitgliedern des Parlaments als vernünftig und rational bezeichnet worden wäre. Später deutete man den starken Rückgang der Zuckerproduktion als Zeichen dafür, dass ehemalige SklavInnen eine Ausnahme vom angeblich optimierenden Verhalten der freien Märkte bildeten. Dass ehemalige SklavInnen wiederholt ihre Verfügungsgewalt über den Boden und die kürzlich gewonnene und sehr partielle Autonomie ihrer Familien verteidigten, schloss den Kreis, indem es ihrem Verhalten eine Aura der Gewalttätigkeit verlieh. So wurden die AfrikanerInnen zum rückständigen, gewalttätigen Anderen und damit zum Gegenbild, dem gegenüber die fortschrittlichen Tugenden Europas definiert werden konnten.25

Die Welt der afrikanischen Diaspora wurde also zum Schauplatz einer Auseinandersetzung, in der sowohl Darstellungssysteme als Ausbeutungssysteme deutlich zutage traten. Diese waren nicht nur von der Macht des globalen Kapitals geprägt, sondern auch von den Konsequenzen seiner Eigenart, die Menschen als bloße Instrumente zu betrachten. Die Implikationen dieser Auseinandersetzungen wurden in Afrika seit den 1860er Jahren entscheidend spürbar, als europäische Reisende begannen, immer wieder von Rückständigkeit und Gewalt zu sprechen und so das Bild eines Kontinents zu zeichnen, der geradezu nach europäischer Intervention rief. Ironischerweise wurde gerade der Sklavenhandel, der in so starkem Maße mit europäischen Geldern stimuliert und reguliert wurde, zum zentralen Aspekt des Afrika-Bildes. Selbst die Steigerung der Warenproduktion – die scheinbar gut mit der wachsenden europäischen Nachfrage nach Rohstoffen überein stimmte – gab Anlass zu der Befürchtungen, ein solcher Fortschritt sei für Afrika allzu gewaltsam und allzu unberechenbar, als das Europa einfach zusehen und sich nicht einmischen dürfe. Die Reisen von David Livingstone in den 1860er Jahren hatten ein neues Bild von Afrika – einst dem versklavten Opfer – als dem versklavenden Tyrannen vermittelt. So wie in Jamaika oder Guyana die starke Hand des Kolonialstaates nötig schien, um ein scheinbar undiszipliniertes Volk zu disziplinieren, so plädierte man jetzt für die Kolonisierung als dem einzigen Weg, die AfrikanerInnen vor ihrer eigenen Gewaltsamkeit und Tyrannei zu retten und den Kontinent für die wohltuenden Vorzüge des legitimen Handels zu öffnen.26

Die Kolonialisierungen des späten 19. Jahrhunderts wurden nun – anders als beispielsweise die Eroberung der Neuen Welt durch die Spanier – als diszipliniert, zurückhaltend und vorausschauend beschrieben. Die europäischen Mächte nahmen bei all ihren schwerwiegenden Rivalitäten diese Selbstwahrnehmung so wichtig, dass sie zwischen 1884 und 1890 zwei Konferenzen zur Festlegung bestimmter Regeln abhielten – unter anderem wurde den Eroberermächten die Abschaffung des Sklavenhandels aufgetragen. Die Einhaltung dieser Regeln stand zumindest unter minimaler Überwachung: König Leopold von Belgien erhielt eine Strafe, weil er während des kurzen Kautschuk-Booms in Kongo um die Jahrhundertwende Terrormethoden einsetzte, um das Sammeln des Rohstoffs zu fördern.

Allerdings war das Scheitern dieses reformierten Imperialismus absehbar. Mit seinen ideologischen Grundprinzipien konnte er weder Kontrolle über die Art der Machtausübung in der Kolonialherrschaft gewinnen, noch erkennen, warum es so schwierig war, aus den Afrikanern zuverlässige Produzenten zu machen. Die afrikanischen Herrscher und Sklavenhalter definieren ebenso wie die BäuerInnen und SklavInnen ihr Verhältnis zueinander in einer Weise, das nicht einem Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer entsprach. Die Kolonialherrscher mussten bald feststellen, dass sie die nur dann die Ordnung aufrecht erhalten konnten, wenn sie Allianzen mit den Eliten eingingen, gegen deren Tyrannei sie so lautstark gewettert hatten. In weiten Teilen des Kontinents begnügte sich der Kolonialismus schon bald damit, sich die Überschüsse der BäuerInnen einzuverleiben oder den Mehrwert aus der Arbeitskraft von Menschen anzueignen, deren Leben fest in ihren dörflichen Strukturen verwurzelt blieb und die daher nur einen Teil ihres Lebens den Anforderungen einer kapitalistischen Produktion widmeten.27

Das hatte jedoch nur wenig mit wohlmeinenden Absichten der Kolonialmächte zu tun. Durch ihre gesellschaftlichen Ressourcen der Mobilität, der verwandtschaftlichen Netzwerke und der Fähigkei zum Wechsel zwischen verschiedenen Systemen konnten die AfrikanerInnen eine allzu große Abhängigkeit von den weißen ArbeitgeberInnen in Minen oder Städten oder von potenziellen afrikanischen KapitalistInnen auf dem Lande vermeiden.28 Entgegen manchen marxistischen Interpretationen brachte das System der Wanderarbeit die Gefahr, dass die AfrikanerInnen Lohnarbeit ebenso oft zur Reproduktion und Stärkung ihrer dörflichen Ökonomie einsetzten wie die Subsistenzwirtschaft zur Stützung der Lohnarbeits-Ökonomie. Was Marx unter ursprünglicher Akkumulation verstand, war vor allem in Südafrika zu beobachten: Hier gab es nicht nur eine große Siedlerbevölkerung, die eine gewisse Kontrolle am Arbeitsplatz ausüben konnte, sondern auch eine umfassende Bürokratie zur Überwachung eines rassistisch definierten Migrationssystems sowie eine Goldindustrie, für die genügend auf dem Spiel stand, um die ganze Operation zu finanzieren. Aber selbst dort bestimmten die AfrikanerInnen die Grenzen ihrer Ausbeutung, wie Keletso Atkins gezeigt hat. Sie taten dies vor allem, indem sie sich nachdrücklich für TagelöhnerInnen-Systeme, Arbeitergilden in den Städten oder verschiedene Formen der Pachtarbeit auf Farmen stark machten. Dadurch konnten sie die familialen Arbeitskräfte einsetzen und den Arbeitsrhythmus in erheblichen Umfang selbst bestimmen.29

Auch hier spielt die Frage der Darstellung wieder eine zentrale Rolle. Atkins zeigt, wie die Teilerfolge der AfrikanerInnen in Arbeitskämpfen von weißen AutorInnen darauf reduziert wurden, das es sich eben um faule Kaffern handle. Derweil mühten sich britische und französische Herrscher um den Eindruck, ihr Scheitern bei der Neugestaltung Afrikas sei in Wirklichkeit der Erfolg einer Politik der Bewahrung afrikanischer Kultur und ihrer allmählichen Veränderung von Innen heraus. Dabei wurde nicht hinterfragt, inwieweit die angeblich unveränderliche afrikanische Tradition nicht vielmehr ein Abbild der Eingriffe der Kolonialmächte in Sozialstrukturen darstellte, die lange Zeit einen ausgeprägt dynamischen und flexiblen Charakter gehabt hatten.30

All das war problemlos vereinbar mit dem sich ausweitenden Anbau von Exportfrüchten, da Verwandtschafts- und Klientelwirtschaft sich durchaus als fähig erwiesen, auf Marktanreize zu reagieren und Ressourcen zu mobilisieren. Die bemerkenswertesten afrikanischen Erfolgsgeschichten in dieser Hinsicht – der Kakaoanbau in Ghana, Nigeria und in der Côte d’Ivoire– basierten auf flexiblen Produktionsverhältnissen, die sich nicht auf die Begriffe bäuerlich oder kapitalistisch reduzieren lassen. Jene Gruppen, die für den Kakaoanbau günstige Ländereien kontrollierten, verpachteten diese häufig an fremde UnternehmerInnen. Letztere mobilisierten ihrerseits Verwandte sowie bereits erfolgreiche BäuerInnen, die sie beim Pflanzen der Bäume unterstützten und für ihren Lebensunterhalt aufkamen, bis die Bäume Früchte trugen. Zusätzliche Arbeitskraft lieferten WanderarbeiterInnen oder Menschen, die neben formalen Lohnarbeitsverhältnissen auch längerfristige Klientelbeziehungen eingingen. Durch ein derartiges System wurde der Ausbeutung eine Grenze gesetzt: Die Pflanzer konnten weder beliebig schnell expandieren noch ihre Arbeiter allzu intensiv ausbeuten oder anderen den Zugang zu Ressourcen verwehren, da ihr Zugang zu Land und die Verfügbarkeit von Arbeitskräften von Gemeinschaftsbeziehungen und Klientelverhältnissen abhängig waren. Sara Berry argumentiert, dass die anhaltenden Unsicherheiten hinsichtlich der Bodennutzung sowohl die Entwicklungsmöglichkeiten eines durchgängigen kapitalistischen Systems unter AfrikanerInnen beschränkten als auch das Ausmaß von Landentzug und Verarmung begrenzten.31 Selbst wenn sie in den Genuss der Exporteinnahmen kamen, haben die Kolonialregime nie ganz die Bedeutung dieser Begrenzungen erkannt: die AfrikanerInnen produzierten nicht nur wertvolle Agrarprodukte, sondern sie taten das auf ihre eigene Weise, indem sie ganz neue Formen der Mobilisierung von Arbeitskräften entwickelten.

Die Stärke der afrikanischen Gesellschaften lag, wie Jane Guyer argumentiert, nicht einfach in ihrer Tradition, sondern in ihrem Erfindungsreichtum, nicht nur in ihrer Solidarität, sondern in der „Schaffung und praktischen Umsetzung von Verschiedenheit“.32 Verwandtschaftssysteme waren überaus flexibel, Kinder wurden für ihre vielfältigen Begabungen und die sich dadurch bietenden Möglichkeiten hoch geschätzt; die Menschen leisteten Pionierarbeit bei der Entwicklung neuer landwirtschaftlicher Aktivitäten und entzogen sich Herrschern, die zu hohe Anforderungen an sie stellten. Könnten aber ausgerechnet dieser Erfindungsreichtum, die Differenzierung und diese Flexibilität der Sozialsysteme – Barrieren gegen Tyrannei und Ausbeutung – es den AfrikanerInnen und ihren Invasoren schwer gemacht haben, ihre Fähigkeiten zu jener systematischen Ausbeutung zu vervollkommnen, die der kapitalistischen Entwicklung zugrunde lag? Genau das war es, was die Kolonialregime fürchteten. Sie erkannten, dass die Zerbrechlichkeit ihrer Macht über die LohnarbeiterInnen einen Freiraum eröffnen würde, den die AfrikanerInnen für sich nutzen könnten. Darüber hinaus waren die kolonialen Ökonomien verwundbar durch kollektive Aktionen einer kleinen Zahl von AfrikanerInnen, die untereinander Netzwerke bilden konnten.33

In den 1940er Jahren vollzog sich ein dramatischer Wandel in der Art und Weise, wie die Kolonialregime sich selbst und ihre Zielsetzungen sowie ihr Verhältnis zu den AfrikanerInnen definierten – ein eindrucksvolles Beispiel für eine Situation, in der die scheinbar Mächtigen auf die Aktionen der scheinbar Schwachen reagieren müssen. Als sie ihre Kontrolle über die Schlüsselzentren überall in West-, Zentral-, Ost- und Südafrika durch Streiks bedroht sahen – noch dazu in einer globalen Atmosphäre, die durch nationalistische Bewegungen in Indien, Südostasien und Nordafrika, aber auch durch das Trauma des Zweiten Weltkriegs bestimmt war -, erkannten die Kolonialisten, wie aussichtslos ihr Bemühen geworden war, Afrika als gesellschaftlich starres Gebilde erscheinen zu lassen. Sie kehrten in gewissem Sinne zurück zu dem Versuch der Verwirklichung einer stärker transformativen Form von Kolonialismus, diesmal allerdings in einer Situation, in der sie den AfrikanerInnen, sich selbst und der übrigen Welt zeigen wollten, dass koloniale Herrschaft nun durchaus als fortschrittlich gerechtfertigt werden konnte. Zu diesem Zweck verwendeten sie den Ausdruck Entwicklung, der sowohl im britischen Gesetz zur Kolonialen Entwicklung und Wohlfahrt (Colonial Development and Welfare Act) von 1940 als auch im französischen Fonds für Investitionen zur Ökonomischen und Sozialen Entwicklung von 1946 auftaucht.

Und wieder einmal offenbart sich ein Darstellungsproblem: Der Wandel wurde weniger aus afrikanischer, sondern vielmehr aus einer verkürzten und beschönigenden europäischen Perspektive gesehen. Das Problem der Arbeitskraft sollte nun gelöst werden, indem man die Lektionen, die man bei der Lösung von Klassenkonflikten in Europa gelernt hatte, auf die Kolonien übertragen wollte: Gewerkschaften, Formalisierung der Beziehungen zwischen Kapital und Arbeit, Tarifverhandlungen in innerhalb der einzelnen Branchen. Das bedeutete einen tief greifenden Bruch: Afrikanische ArbeiterInnen wurden jetzt als ArbeiterInnen betrachtet, sie sollten aber aufhören, AfrikanerInnen zu sein. In ländlichen Gebieten sprachen die Kolonialbeamten nun von der Notwendigkeit einer Agrarrevolution, allerdings ohne jede Rücksicht auf die Produktion von Cash Crops, die gerade in den späten 1940er Jahren einen Boom erlebte. Vielmehr tat man so, als würde man bei Null anfangen und die afrikanischen BäuerInnen – zur Verbesserung der Agrarproduktion bzw. zur Vermeidung von Bodenerosion – zum Einsatz neuer Techniken überreden oder zwingen.

Unsere Erkenntnisse darüber, wie sehr die Idee von Entwicklung, Wissenschaft und Modernität mit Machtansprüchen befrachtet waren, sollte zur Genüge belegen, dass dieser neuerliche Rückgriff auf den Kolonialismus kein Erfolg war. Die afrikanischen ArbeiterInnen-Bewegungen erwiesen sich als geschickt in ihrem Bemühen, koloniale Rechtfertigungsansprüche umzukehren: Wenn wir wie europäische ArbeiterInnen produzieren sollen, forderten sie, dann sollten wir auch gleichen Lohn für gleiche Arbeit bekommen. In gesetzgebende Organe in Frankreich gewählte AfrikanerInnen wendeten das französische Beharren, dass die französische Kultur das Modell für Afrika darstellte, in einen Anspruch nach dem anderen und gebildete AfrikanerInnen in Britisch-Afrika trugen dazu bei, dem Apparat der indirect rule zu einem schnellen Begräbnis zu verhelfen. Die andere Seite der Geschichte ist, dass eine Mobilisierung ebenfalls über kulturelle Mechanismen erfolgte, die die EuropäerInnen nicht verstehen konnten, wie städtische religiöse Gemeinschaften und Bauernbewegungen. HeilerInnen und Älteste von Verwandtschaftsgruppen sowie neue kollektive Frauenorganisationen nutzten eine Vielzahl von Idiomen, um darauf hinzuweisen, dass die europäischen Praktiken das Land schädigten und dass die Harmonie wiederhergestellt werden müsse. Das Zusammenkommen verschiedener Formen machte die Proteste der späten 1940er und 1950er Jahre effektiv: Die Angst einjagende Antimodernität der Mau-Mau-Rebellen in den Wäldern stand neben den Aktionen einer Gewerkschaft in den Städten, von der Kolonialbeamte annahmen, dass sie sie verstünden und dass mit ihr Abmachungen getroffen werden könnten.34 Soziale und politische Bewegungen veränderten mehr als das Regierungssystem: in den 1950er Jahren veränderten sie entscheidend den internationalen Diskurs über Kolonialismus, nationale Selbstbestimmung, wirtschaftliche Entwicklung und Afrika.

Die Menschen, die die Erfolgsgeschichte des ökonomischen Wachstums hätten schreiben sollen – die KakaoproduzentInnen im westlichen Teil Nigerias oder die KaffeepflanzerInnen im Norden Tanganjikas – nutzten ihre Einkünfte zur Stärkung ihrer Stellung in den jeweiligen Gemeinschaften, zum Ausbau neuer Netzwerke von KlientenInnen und UnterstützerInnen, zur Investition in die von kolonialen Unternehmen unabhängigen Marketingorganisationen und nicht zuletzt zur Finanzierung politischer Parteien, die ihre Interessen gegenüber dem Kolonialstaat vertraten.35 Die Kolonialregime mussten schließlich erkennen, das sich das berechenbare, geordnete und produktive neue Afrika, das durch die Entwicklungsbemühungen entstehen sollte,in keiner Weise realisierte und dass ihr neuer Reformismus mehr Konflikte verursachte als er löste, weil er feindlich eingestellten sozialen und politischen Bewegungen neue Möglichkeiten verhalf, ihre legitimen Ansprüche geltend zu machen. Frankreich und Britannien rechneten die Kosten und die Vorteile, die dieses Afrika ihnen de facto einbrachte, neu gegeneinander auf. Diese nüchternen Berechnungen lassen sich in den Archiven nachlesen. Sie zeigen, dass die Bilanz Mitte der 1950er Jahre eindeutig negativ ausfiel.36

Was auf die Kolonialherrschaft folgte, war – so würden manche sagen – nicht etwa Unabhängigkeit in einem mehr als rein technischen Sinne, sondern Neokolonialismus. Diese Argumentation ist insofern problematisch, als sie eine zu simple Antwort gibt, wo eigentlich eine wichtige Frage zu stellen wäre: Auf welche Weise ist es möglich, Macht über formal souveräne Staaten auszuüben? Andere WissenschaftlerInnen haben sich bemüht, das, was auf die Kolonialherrschaft folgte, mit dem noch abstrakteren Begriff Post-Kolonialismus zu charakterisieren, so als könnte man von einer grundsätzlichen Natur des Lebens nach dem Kolonialismus sprechen, unabhängig von lokaler oder regionaler Geschichte, unabhängig auch von Veränderungen der globalen Politik und Ökonomie seit der Entkolonisierung.37 Wieder andere Wissenschaftler sprechen von einer Ära des Ultraimperialismus, bei dem die ökonomische und die politische Macht in kapitalistischen westlichen Institutionen lägen und nicht mehr mit einem bestimmten Staat verbunden seien.38 Aber in Afrika hatte Souveränität ein ganz bestimmtes Ziel: Sie sollte unmittelbar das vormals koloniale Konzept von Entwicklung in ein nationales Konzept wandeln. Finanz- und Investitionspolitik orientierten sich an nationalen Zielsetzungen, und gesellschaftliche Gruppen mit direkten Verbindungen zu den MachthaberInnen erhoben nachdrücklich Anspruch auf ein Stück vom Kuchen. So sehr auch die Struktur der Bürokratien – und in der Tat die die Idee einer staatlichen Kontrolle und Überwachung des gesellschaftlichen Lebens selbst – das institutionelle Erbe der letzten Jahrzehnte kolonialistischer Herrschaft widerspiegelt, so deutlich reflektiert die Funktionsweise dieser Bürokratien und interventionistischen Programme die sozialen Beziehungen und kulturellen Inhalte, die ihnen die AfrikanerInnen selbst gegeben haben.39

Es sind die Machtbeziehungen zwischen den internationalen Institutionen und nationalen Bürokratien, die dem Konzept der Entwicklung im selbstständig gewordenen Afrika besondere Bedeutung verleihen. James Ferguson macht deutlich, dass Entwicklungsorganisationen den Gegenstand ihrer Intervention als einheimische Armut bestimmen, als Gelegenheit, „praktisch von der modernen ökonomischen Entwicklung unberührte“ AfrikanerInnen an die Märkte heranzuführen. Angewandt auf Lesotho – umgeben von Südafrika – ist die Sichtweise der Entwicklungsorganisationen absurd: Lesothos Armut wurzelt in seiner langen Einbindung in die sich entwickelnde kapitalistische Wirtschaft Südafrikas. Auch wenn EntwicklungshelferInnen das genau wissen, können sie es nicht äußern, da ihr Zugang zu dem unabhängigen Staat Lesotho davon abhängt, dass sie sich selbst als apolitische Technokraten definieren. Die Folgen einer solchen Problembestimmung sind nicht auf das Vorwort von Entwicklungsplänen beschränkt: die konkreten Projekte waren darauf ausgelegt, BäuerInnen und ViehzüchterInnen in Wirtschaftskreisläufe zu integrieren, und nicht darauf, nach Möglichkeiten zu suchen, wie zurückkehrende ArbeitsmigrantInnen ihre Überweisungen besser ansparen konnten oder wie Frauen, die in dem historischen Muster gefangen waren, zurückzubleiben, an Sicherheit gewinnen konnten. Mit der Lösung eines imaginären Problems befasst, wurde der Entwicklungsapparat den tatsächlichen Problemen Lesothos nicht gerecht und die Projekte scheiterten, wie vorherzusehen war. Aber gerade ihr Scheitern wurde als Beleg dafür betrachtet, dass die Bevölkerung Lesothos tatsächlich verzweifelt und rückständig war und daher die Intervention staatlicher Beamter und internationaler Organisationen umso nötiger. Das Entwicklungsprojekt verringerte weder die Armut – sein ausgewiesenes Ziel – noch machte es die AfrikanerInnen ausbeutbarer für den Weltmarkt, wie einige KritikerInnen annehmen. National und international verstärkte es allerdings die Entmachtung der Mehrheit der afrikanischen Bevölkerung.40

Inzwischen sprechen manche Autoren – wie Mamadou Diouf – von dem Entwicklungsgedanken nicht als einem Diktat des Westens, sondern als einem Diskurs, den man sich aneignen könne. In der Tat gab es in den 1950er Jahren ein breites Spektrum von Ideen zur Veränderung der Ökonomien, die die grundlegenden Strukturen der Weltwirtschaft verändern wollten, und von TheoretikerInnen aus der Dritten Welt, denen es um einen Austausch zwischen den Ländern des Südens und um Formen internationaler Kooperation unter Umgehung der Industrienationen geht.41 Im Senegal, so zeigt Diouf, schauten die frühen Regierungen weniger auf das, was später die vorherrschende westliche Lehrmeinung werden sollte, als auf unkonventionelle Sozialtheoretiker katholischer Provenienz in Frankreich und auf Ansätze von Dritte-Welt-Theoretikern. Die ersten senegalesischen Führer setzten nicht an einem Wachstumsmodell an, sondern begannen mit der Untersuchung konkret bestehender Gemeinschaften. Dieser Ansatz setzte sich am Ende nicht durch, denn seine VertreterInnen wurden kompromittiert durch einflussreiche Powerbroker im Senegal selbst und durch die fortgesetzt engen Beziehungen der Regierung zu Frankreich. Auf die in erster Linie sozial orientierten Bemühungen folgte ein eher technokratischer Entwicklungsansatz. Jedenfalls zeigt die Untersuchung von Diouf neben den Bestrebungen zur Beendigung der Debatte um das Thema Entwicklung auch eine Reihe von öffnenden Ansätzen.

Dioufs Argumentation beinhaltet auch eine ernst zunehmende Warnung davor, im Begriff der Entwicklung allzu voreilig nur ein weiteres Konstrukt westlicher Modernität zu sehen, das allen anderen aufgezwungen wird.42 Der Begriff ließe sich ungeachtet seiner Entstehung durchaus aufnehmen und in seiner Stoßrichtung umdrehen; gerade weil er innerhalb der Bezugssysteme des Westens eine Bedeutung hatte, bot er die Möglichkeit, etablierte Ideen in Frage zu stellen und auf seiner Grundlage neue, eigene Forderungen zu stellen. An der Arbeitsmarktfront führten die Unruhen der 1940er und 1950er Jahre – und die Bemühungen der Kolonialregime, diese einzudämmen – dass die Internationale Labour Organization (ILO) bestimmte Standards festlegte, wonach niemand gezwungen werden dürfe, mehr als eine bestimmte Anzahl von Wochenstunden zu arbeiten, und niemand daran gehindert werden dürfe, sich gewerkschaftlich zu organisieren. Als die Führer einiger afrikanischer Staaten mit Indien und anderen Staaten einen Dritte-Welt-Block bildeten, beriefen sie sich auf eben diese Art von Standards und den Begriff Entwicklung und erhoben Anspruch auf eine Art Weltbürgerschaft. Sie beharrten darauf, dass alle BewohnerInnen der Erde zumindest ein Mindestmaß an Rechten auf Nahrung, Wasser, Gesundheitsversorgung und politische Mitsprache haben sollten. Weltbürgerschaft wurde damit den typischerweise eher ausschließenden Vorstellungen von Staatsbürgerschaft gegenübergestellt, die von den Eliten der etablierten Staaten zur Verteidigung ihrer Privilegien in Anspruch genommen wurde und von den Führern neu gegründeter Staaten als Zeichen ihrer Souveränität angestrebt wurde. Die Fähigkeit der Menschen in Afrika, die Aufmerksamkeit von Menschen in anderen Ländern auf Probleme wie Armut und fortgesetzte rassistische Unterdrückung in Teilen des afrikanischen Kontinents lenken, eröffnete immerhin die Möglichkeit einer Mobilisierung in größerem Maßstab, auch wenn sie unberechenbar blieb und gelegentlich auf der Darstellung der betroffenen Opfer basierte. So schuf beispielsweise in Südafrika die Verknüpfung einer starken, tief verwurzelten nationalen Bewegung mit globalen Diskursen über bestimmte Rechte ein kreatives Spannungsverhältnis zwischen universellen Werten und solchen von lokalen Gemeinschaften mit weit reichenden Auswirkungen.

Es war keine Überraschung, dass die Konservativen im Norden versuchten, die Legitimität des Entwicklungskonzepts zu bestreiten, während im Süden – einschließlich in vielen afrikanischen Staaten – die führenden Staatsmänner darauf bestanden, dass kein außen Stehender das Recht habe, Fragen über das Wohlergehen der Bevölkerung in den betreffenden Ländern zu stellen.43 Der jüngste schwerwiegende Angriff gegen das Konzept Entwicklung kam von Anhängern der reinen Lehre einer freien Marktwirtschaft, die beharrlich die Meinung vertreten, jede staatliche Intervention – so gut sie auch gemeint sei – bewirke eine Verzerrung der optimierenden Funktion der Märkte. Nach dieser Auffassung darf es keine Definition eines minimalen Lebensstandards geben und man braucht nur korrekte Preise – konsequenterweise wäre also die Tatsache, dass die Schweiz wohlhabend ist und Mozambique arm, einfach eine natürliche Gegebenheit und nicht etwa Ungerechtigkeit. Es handelt sich hierbei um einen Versuch, eine der entscheidenden Innovationen der 1950er und 1960er Jahre aus dem internationalen Diskurs auszublenden. Hinter einer solchen Argumentationsweise steht nicht nur der Einfluss einer rein ökonomischen Logik, sondern auch die finanzielle Macht von Institutionen wie der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds. Just in dem Moment, da die Spannung zwischen dem Streben nach weltweitem Wohlstand und der Sensibilität für die kulturspezifisch unterschiedliche Art und Weise, wie Menschen ihr Wohl zu erreichen suchen, neue Möglichkeiten eröffnet, bestimmte Formen von Macht zu hinterfragen und alternative Handlungsmöglichkeiten zu diskutieren, macht der IWF der ganzen Diskussion ein Ende.

Aber was wir brauchen, sind gerade neue Diskussionen, neues Engagement und sorgfältige neue Untersuchungen darüber, wie die ökonomischen Strukturen in Afrika und im Westen tatsächlich funktionieren. Auf die Sterilität der Verunglimpfung des Afrikas sollten wir nicht antworten, indem wir verteidigen, was in Afrika geschehen ist. Und afrikanische Intellektuelle waren – zumindest seit den 60er Jahren – unter den Ersten, die nicht nur auf das Problem der Korruption in afrikanischen Staaten hingewiesen haben, sondern auch auf die Gleichgültigkeit der Eliten gegenüber den Interessen der jeweiligen Bevölkerungen, auf die Manipulation ethnischer Unterschiede durch die Eliten sowie auf die übermäßige Unterordnung der Oberschichten unter die westliche Kultur.44 Ein Großteil der typischen Vorwürfe gegen afrikanische Regierungen reduzierte die erhebliche Vielfalt und dreißig Jahre Erfahrung45 auf ein einziges Paket von Unterstellungen und Klischees. Gemessen an herkömmlichen ökonomischen Kriterien ist die Wirtschaft in vielen afrikanischen Ländern seit Anfang der frühen 1970er Jahre erheblich gewachsen, und die früheren Erfolge Erfolge bei der Einrichtung von Universitäten und dem Bau von Straßen waren konkreter Ausdruck des Bemühens, jenes Humankapital zu vergrößern, das die Voraussetzung von jeder Art von ökonomischen Wachstums ist. Wie groß die Misswirtschaft, die politischen Fehler oder die Verschwendung in dieser Ära auch gewesen sein mögen: die eigentliche Krise kam in den 1980er Jahren und war das Ergebnis von Veränderungen in der Weltwirtschaft, insbesondere einer gesunkenen Nachfrage nach Bodenschätzen und landwirtschaftlichen Produkten Afrikas und des erheblich Anstiegs der Preise für Brennstoff, die für die Entwicklungsanstrengungen notwendig waren. Durchgehend enttäuschend waren die Ergebnisse vor allem gemessen an den von vielen afrikanischen Führern selbst propagierten Standards und ihrem Anspruch, eine wahrhaft nationale Wirtschaft in den Ländern aufzubauen. Wir sollten allerdings die gegenwärtige Situation nicht allein mit den worst-case-Szenarien charakterisieren: Südafrika ist nicht Zaire und Uganda nicht Liberia. Christopher Clapham hat mit Recht darauf hingewiesen, dass viele Seiten für die Fehlschläge und Versäumnisse in Afrika verantwortlich sind, dass es aber „eine Seite [gab], […] die in der Lage war, ihre Erklärungen des Problems durchzusetzen“ und die Bedingungen zu diktieren, zu denen Lösungen gesucht werden konnten.46

Eine der Anschuldigungen gegen afrikanische Regierungen – dessen Auswirkungen für die Politik ganz erheblich sind – hängt unmittelbar mit dem Bemühen der Regierungen um den Aufbau einer städtischen ArbeiterInnenschaft zusammen, die innerhalb ihres Umfeldes ausreichend abgesichert und in der Lage sein soll, ihre Qualifikationen zu erweitern und sich in ein industrielles Milieu zu integrieren. Jegliche Erfolge in dieser Richtung werden von Vertretern des IWF und von manchen Intellektuellen häufig als urban bias (Bevorzugung urbaner Gebiete) abgetan: Weil man in den Städten die Lebensmittelpreise subventioniert und die Löhne zu stark angehoben hat, gebe es nicht genügend Anreize für die BäuerInnen und die Landbevölkerung würde zur Abwanderung in die Städte animiert. Eine Reihe von WissenschaftlerInnen hat dieses gesamte Szenario in Frage gestellt. Als die Löhne in den Städten vergleichsweise hoch lagen, besonders in den 1950er und frühen 1960er Jahren, ging es der Wirtschaft – auch der Landwirtschaft – relativ gut, infolge der Krise der 1970er Jahren und des Drucks von Seiten des IWF und der Weltbank sank das Einkommen in den Städten stark ab,und zwar sowohl absolut wie auch im Vergleich zum Einkommen der Landbevölkerung. Wenn die Hypothese des urban-bias zutreffen würde, dann hätte es Afrika in den durch niedrigere Löhne gekennzeichneten 1980er Jahren besser gehen müssen als in den 1960er Jahren mit hohem Lohnniveau. Dem war jedoch nicht so.47

Der urban bias unterliegt in der Tat eine irreführenden Darstellung des Problems – man zeigt mit dem Finger auf die Arbeiterschaft, während man ihn doch viel mehr auf eben jene Eliten mit den engsten Beziehungen zu ausländischen Unternehmen ausländischen Banken und dem gesamten Apparat der ausländischen Entwicklungshilfe richten sollte. Das Problem ist nicht so sehr ein rein afrikanisches, sondern vielmehr ein euro-afrikanisches, und muss im Zusammenhang mit der von mir angesprochenen Geschichte der ungleichen Struktur der globalen Wirtschaft gesehen werden.

Diese Geschichte hat gatekeeper-Staaten“ („Pförtner-“ oder „Türhüter-Staaten“) hervorgebracht. Die Staatsführer sind, genauso wie es ihre Vorgänger waren, weiterhin über die starken sozialen Bindungen beunruhigt, die unter den Staatsangehörigen (unter BäuerInnen, Handelsnetzwerken, religiösen Gemeinschaften, ethnischen Gruppen) bestehen, und unsicher über den Grad, in dem BäuerInnen immer noch die Option einer „Abwanderung“ aus nationalen Waren- und Arbeitsmärkten wahrnehmen.48 Sie haben die Institutionen des Kolonialstaats geerbt und versucht, ihre eigenen Klientelnetzwerke zu mobilisieren.49 Gate­keeper-Staaten sind, wie Kolonialstaaten, an dem Knotenpunkt stark, an dem die örtliche Gesellschaft auf die externe Ökonomie trifft, abhängig von der Manipulation von Einkünften und von Patronagemöglichkeiten, die aus diesem Punkt hervorgehen, einschließlich Entwicklungshilfe und Geschäftsabschlüssen. Entwicklung war als Quelle manipulierbarer Patronageressourcen und als Symbol der staatlichen gatekeeper-Macht zu wichtig, als dass sie einen unkorrigierten Kurs entweder in Richtung auf eine private Akkumulation oder auf eine populistisch ausgerichtete, kleinbäuerliche Form nehmen durfte. Studien über Ghana betonen beispielsweise, wie Nkrumah aus Angst, dass der Reichtum und die Verbundenheit der KakaobäuerInnen ein alternatives Machtzentrum entstehen lassen könnte, ihren Einfluss zu neutralisieren versuchte.50 In jüngerer Zeit sind ghanaische Regierungen gegen Marktfrauen vorgegangen (die effiziente Verfahren entwickelt haben, Waren an relativ arme KonsumentInnen zu vertreiben), da sie ihr Geschick, ihre Autonomie und ihre Geschlechtersolidarität fürchteten und die Händlerinnen als nützliche Sündenböcke für staatliche Fehler betrachteten.51

Ähnliche Tendenzen in Nigeria wurden durch den Fund von Öl verschärft, einer Reichtumsquelle, die so externalisiert und so auf eine einzige, über die Achse von Staat und ausländischen Ölgesellschaften kontrollierte Ressource konzentriert ist, dass der Staat in sich zusammenfiel. Mit der Kontrolle war so viel verbunden, dass Teile der Elite miteinander konkurrierten, regionale Verbindungen zu mobilisieren versuchten und Öleinnahmen als Patronageressource nutzten statt als Kapital, um die Ölabhängigkeit zu verringern. Die Kakaoproduktion – unterhöhlt durch die Arbeitskraftkonkurrenz von Patronage- und Selbstdarstellungsprojekten seitens der Elite – fiel der Ölbegeisterung des gatekeeper-Staats zum Opfer. Gewalt war häufig ein Merkmal des gatekeeper-Staats, da die Vorteile der Kontrolle über die „Pforte“ so groß sind, dass Militärfraktionen versuchen, Staatsstreiche zu inszenieren, regionale Führer ethnische Gruppen mobilisieren und Führer, die tatsächlich in einem allgemeinen Interesse handeln, so wahrgenommen werden, als würden sie partikularistische Vorteile suchen.52 Die Gewalt in Teilen Afrikas ist nicht durch Afrikas Bevölkerungsdichte, ethnische Vielfalt oder Kulturen zu erklären, aber vielleicht sollte damit begonnen werden, die Instabilitäten des gatekeeper-Staats genauer zu betrachten.53

Die Diskussion über diese Fragen bleibt in einer Reihe von Vorstellungen über die Ausnahmeerscheinung Afrika gefangen, während die Weltmärkte, denen früher viel an der Verfügung über Afrikas Arbeitskraft und Ressourcen lag, anscheinend zunehmend sagen, dass der gesamte Kontinent abgeschrieben werden kann.

Abschließend möchte ich auf einige Alternativen eingehen, die sich aus der hier dargestellten historischen Problematik ergeben könnten:

Kapitulation vor dem IWF – Sorgen wir für korrekte Preise und vertrauen wir auf die magische Wirkung des Marktes. Das Problem dabei liegt darin, dass die Argumentation des IWF tatsächlich existierende Situationen in all ihrer Verworrenheit mit dem Markt als Abstraktum auf eine Stufe stellt und davon ausgeht, man könne afrikanischen Regierungen vorschreiben, was sie zu tun hätten; eine Untersuchung der internationalen Wirtschaftsstrukturen sei obsolet. 54 Dabei wird – wie auch schon in den 1940er Jahren – in keiner Weise deutlich, dass die heruntergekommene Armee unzureichend beschäftigter Arbeitskräfte kaum in nennenswertem Umfang zur Zukunft Afrikas beitragen kann. Ebenso bleibt unklar, dass Afrika nicht viel gewinnen kann, wenn es einfach nur seine Exporte verbilligt, nach denen ohnehin kaum Nachfrage besteht, oder dass ein Programm zur Senkung von Staatsausgaben nicht langfristig der Stärkung des Humankapitals abträglich wäre, auch wenn es der kurzfristigen Kanalisierung von Kapital in unmittelbar produktive Investitionen dienlich wäre.55 Aus diesen Gründen entsteht leicht der Verdacht, dass es beim Programm des IWF weniger um ökonomische Reformen als um einen moralischen Diskurs geht, nämlich darum, die Legitimität des afrikanischen Anspruchs auf globale Ressourcen zu bestreiten und darauf zu beharren, das einzig diskutable Thema sei korrektes Marktverhalten – und nicht ökonomische Gerechtigkeit.

Kapitulation vor dem Geist von Karl Marx – oder: Machen wir Ernst mit dem Kapitalismus. Vielleicht sollte eine afrikanische Kapitalistenklasse die BäuerInnen von ihrem Land verjagen und eine kapitalistische Wirtschaft schaffen, die für Wachstum, Prosperität und Vollbeschäftigung sorgen wird. Dieser Prozess würde bestenfalls für das 21. Jahrhundert ein Proletariat wie im 19. Jahrhundert schaffen und schlimmstenfalls die Schmerzen, die Unterdrückung, die Gewalt und die Unsicherheit, nicht aber die Vorteile früherer Übergänge zum Kapitalismus mit sich bringen. Niemand hat ernsthaft die Mühe auf sich genommen und die Beziehungen zwischen einem solchen Unterfangen und der Schaffung von Staaten mit einer stabilen und legitimierten Regierung zu Ende gedacht: Menschen werden, wenn sie die Wahl haben, niemals für ihre Enteignung stimmen.56 Wir können bei Marx nachlesen – und könnten am Beispiel Afrikas sehen – , dass ökonomische Beziehungen ihre Wurzeln in spezifischen Machtkonstellationen und Kämpfen haben.

Vergessen wir den Rest der Welt – Bauen wir eine nationale oder regionale Ökonomie meinem Minimum an Verbindungen zur Außenwelt: Das wirtschaftliche Leben Afrikas soll ein Ausdruck der Einzigartigkeit Afrikas sein.57 Das Problem hier ist, dass wir gerade ein siebzig Jahre währendes Experiment dieser Art von Rückzug erlebt haben – und zwar in einer ziemlich großen und mit vielen Bodenschätzen gesegneten Region: der Sowjetunion. Das Ergebnis war eine Katastrophe. Auch Afrikas eigene Experimente mit weniger drastischen Formen eines ökonomischen Nationalismus – Industrialisierung als Ersatz für Importe, Staatsunternehmen in Schlüsselsektoren der Wirtschaft – sind mehr oder weniger gescheitert. An diesem Punkt haben die neoklassischen Ökonomen Recht: Künstlich abgesicherte, keinem Wettbewerb unterworfene ProduzentInnen sind ineffizient und ihre Produkte teuer – die Lasten müssen die Armen tragen.

Die Ausweglosigkeit dieser Situation ist der Grund dafür, warum ich die enge wechselseitige Verknüpfung der unausgeglichenen Präsenz des Kapitalismus in Afrika und der Art und Weise, in der bisher über diesen Prozess gesprochen worden ist, in den Mittelpunkt gestellt habe.58 Festzuhalten bleibt, dass sehr viele Dinge ungesagt und unreflektiert bleiben, wenn man in Afrika all das zu sehen glaubt, was Europa nicht zu sein vorgab. Haben uns die Händlerinnen von Kumasi, die Dioula aus dem Sahel oder die StraßenverkäuferInnen von Mombasa etwas zu sagen? Oder die KaffeepflanzerInnen vom Kilimandscharo und die KakaobäuerInnen von der Côte d’Ivoire? Wir müssen noch gründlicher über die ökonomischen Dimension unseres wechselseitigen Verhältnisses nachdenken. Wir müssen uns klar machen, dass kein Teil unserer Welt auf eine ursprüngliche, in sich geschlossene Existenz hoffen kann und dass es ebenso wenig möglich ist, die Märkte, wie es in den Lehrbüchern steht, als sich selbst regulierend, unpersönlich und nicht weiter hinterfragbar zu betrachten. Auch die mächtigsten Bereiche unserer Welt können sich den Zwängen der gegenseitigen Interaktion nicht entziehen – eine Lektion, die die AfrikanerInnen den Fremden sowohl in der Diaspora als auch in Afrika viele Jahre lang zu vermitteln versucht haben. Wer am stärksten marginalisiert und und am stärksten erniedrigt wurde, muss bewusst und mit Vorsicht neue Beziehungen eingehen, aber auch seine eigenen Stärken erkennen. Wir müssen die Möglichkeiten und auch die Schranken der besonderen Formen ökonomischer Organisation kennen, denen wir in Afrika begegnen. Wir müssen auch Institutionen wie die multinationalen Konzerne oder die Weltbank einer ähnlich kritischen Prüfung unterziehen, und vor allem müssen wir erkennen, wie institutionelle Machtstrukturen, Kulturen und Dynamiken sich gegenseitig beeinflussen und prägen – das müssen die zentralen Aspekte unserer Untersuchung der wechselseitigen Beziehungen sein. Was wir brauchen, ist ein Vokabular, mit dem wir asymmetrische Machtstrukturen analysieren können, ohne dem Irrtum einer alles bestimmenden Dominanz oder der Illusion von Verhandlungen unter Gleichberechtigten zu verfallen. Die Realität, mit der wir in der Vergangenheit konfrontiert waren und der wir uns auch heute stellen müssen, ist die eines ungleichen Kampfes – mit der gleichen Betonung auf beiden Elementen diese Begriffs.

Unter dem Kapitalismus – so haben die Nachkommen der englischen BäuerInnen, die ihr Land verloren, schließlich gelernt – stellte die Tatsache, eine ausgebeutete Arbeitskraft zu sein, letztlich eine neue Grundlage für den Kampf und die Forderung nach höheren Löhnen und sozialer Absicherung dar. Auf der anderen Seite war der Preis eines erfolgreichen Widerstands gegen den Ansturm des Kapitalismus erschreckend hoch. Afrika hat diesen Preis bezahlt – nicht nur mit dem Verlust seiner wirtschaftlichen Bedeutung und mit seiner zunehmenden Verwundbarkeit, sondern auch mit der Art und Weise, wie über den Kontinent gesprochen wird. Oder gibt es nur eine Wahl zwischen der Armut der Marginalisierung und den Verwüstungen der ursprünglichen Akkumulation und der Ausbeutung? Das eigentliche Problem bei unserer Vorstellung von Afrika als einem rätselhaften Ort des Anderen besteht darin, dass diese Art von Fragen nicht gestellt werden.

1 Zwei bemerkenswerte Beispiele des Afrika-Bashing in der „verantwortlichen“ Presse sind „Colonialism’s Back – and Not a Moment Too Soon“ von Paul Johnson, New York Times Magazine (18. April 1993) und „The Coming Anarchy“ von Robert D. Kaplan, The Atlantic Monthly (Februar 1994) (dt. „Die kommende Anarchie“, Lettre international 32). Kaplan wiederholt die Art der Argumente in seinem Buch The Ends of the Earth: A Journey at the Dawn of the Twenty-first Century (1996), dt. Reisen an die Grenzen der Menschheit. Wie die Zukunft aussehen wird (München: Droemer Knaur, 1996). Studien über Darstellungen und Gegendarstellungen von Afrika siehe: V. Y. Mudimbe, The Invention of Africa (Bloomington: Indiana University Press, 1988) und Kwame Anthony Appiah, In My Father’s House: Africa in the Philosophy of Culture (New York: Oxford University Press, 1992).

2 Einen ähnlichen Versuch, Gegensätze, die dann als Rechtfertigung für eine aggressive Sicherheitshaltung des Westens dienen, anzuheizen, stellt Samuel Huntingtons „The Clash of Civizations?“, Foreign Affairs 72, 3 (1993), 22 – 49, dar. Die Seichtheit der Argumentation Huntingtons und die Absurdität der Kulturkreise, in die er die Welt unterteilt, sind gut herausgestellt in Fouad Ajami, „The Summoning“, ebd. 72, 4 (1993), 2 – 9. In einem weiteren Artikel im Atlantic stellen Mathew Connelly und Paul Kennedy vernünftige Vorschläge vor (auf Kleinprojekte ausgerichtete moderate Entwicklungshilfe, Kampagnen zur Ermöglichung reproduktiver Selbstbestimmung ohne Zwangsmaßnahmen, Einschränkung des Waffenhandels und ein breiterer Diskurs über Rechte und Diversität), aber sie halten es für nötig, mit dem Gespenst schlecht gekleideter Menschenmassen, die sich barfuß als ungeladene Gäste auf den Weg in den Westen machen, um Unterstützung zu werben. Indem sie die Armen der Welt in einer Sprache porträtieren, die sie als eigentümlich und erschreckend darstellt, fördern sie eher die Politik des Abschreibens und der Eindämmung als ihr eigenes Programm. „Must it be the Rest against the West?“, Atlantic Monthly 274, 6 (Dezember 1994), 61 – 84.

3 Der neuste Unsinn in dieser Hinsicht ist William Pfaff, „A New Colonialism? Europe Must Go Back into Africa“, Foreign Affairs 74, 1 (Januar/Februar 1995), 2 – 7.

4 Mazruis Polemik wurde ursprünglich in der International Herold Tribune veröffentlicht. Die beste Möglichkeit, die Kontroverse nachzuvollziehen, die diese unter afrikanischen WissenschaftlerInnen auslöste, sind das CODESRIA Bulletin 2 und 4 (1995). Mazrui bezog sich auf etwas, was er als Selbstkolonisierung – von AfrikanerInnen durch andere AfrikanerInnen und zum Wohl der Allgemeinheit – befürwortete. Kritisiert wurde an seiner Argumentation zum Teil, dass sich kein afrikanischer Staat und keine Organisation afrikanischer Staaten in der Lage gezeigt habe, sich selbst, geschweige denn andere, zu regieren, ohne auf den eigenen Vorteil bedacht zu sein; andererseits bestand die Kritik darin, dass die Vorstellung der Kolonialisierung eine Geschichte zurückbrächte, die nichts Positives zu bieten habe.

5 Ein in der Afrika-Bashing-Literatur gern vergessener Punkt ist, wie sehr das Versagen afrikanischer Staaten von AfrikanerInnen selbst kritisiert worden ist. Der Roman von Ayi Kwei Armah von 1968 hebt sich als einer der ersten und kraftvollsten, die sich mit dem Versagen einer afrikanischen Führungselite befassen, heraus – und zwar gerade deshalb, weil Armah so eindrücklich deutlich macht, wie viel Hoffnung mit der Unabhängigkeit verbunden war. The Beautyful Ones Are Not Yet Born (1968), dt. Die Schönen sind noch nicht geboren (Wuppertal: Peter Hammer Verlag, 1999). Eine kritische Sozialwissenschaft entwickelte sich langsamer als die literarische oder journalistische Kritik, aber Wissenschaftler wie Peter Anyang-Nyongo, Claude Ake, Samir Amin und Walter Rodney trugen dazu bei, sie in den 1970er Jahren entstehen lassen. Mittlerweile dient der in Dakar ansässige CODESRIA (Council for the Development of Social Science Research in Africa) als Zentrum für unabhängige Intellektuelle des gesamten Kontinents und seine Veröffentlichungen sind das beste Mittel, Zugang zu den Ansätzen zu erhalten, die entwickelt worden sind.

6 Appiah argumentiert in seinem Buch In My Father’s House, dass es nicht möglich sei, von einem „Afrika a priori“ auszugehen, ohne in einen Rassen- und Kulturessentialismus zu verfallen, aber dass die Geschichte der Versklavung, Kolonisierung und Ausbeutung selbst Afrika definiert habe. Was für rassistische Ideologien eine Reihe negativer Bilder war, wurde vom Pan-Afrikanismus in eine positive verwandelt.

7 Afrikanische Intellektuelle sind mittlerweile über ihre Kritiken der 1960er und 1970er Jahre hinausgegangen, wenn sie vom Scheitern ihrer Staaten sprechen; ein als „Afropessimismus“ bezeichnetes Literaturgenre ist entstanden. Zwei der aufschlussreicheren Argumentationen – die sich weigern, die Verantwortung für das Scheitern bei der Außenwelt zu suchen – sind Axelle Kabous Si L’Afrique refusait le développement? (1991), dt. Weder arm noch ohnmächtig. Eine Streitschrift gegen schwarze Eliten und weisse Helfer (Basel: Lenos, 2001) und Daniel Etounga Manguelles L’Afrique a-t-elle besoin d’un programme d’ajustement culturelle? (Ivry-sur-Seine: Editions Nouvelle du Sud, 1991).

8 David Landes „Why Are We So Rich and They Are So Poor?“, American Economic Review 80 (1990), 1 – 13.

9 A. G. Hopkins, An Economic History of West Africa (London: Longman, 1973), erschien in einem Moment, in dem es wichtig war, Mythen über die AfrikanerInnen als in „Kulturen“ verstrickt und unfähig, auf Anreize zu reagieren, zu zerstören. Sobald solche Stereotype zurückgewiesen sind, erfordert die Frage, wie sich bestimmte Strukturen auswirken und diese von sich verändernden Märkten beeinflusst werden, eine gründlichere Untersuchung, und es war enttäuschend, zehn Jahre nach Hopkins festzustellen, dass John Illiffe in eine ähnliche Richtung geht, statt solche Erwartungen zu erfüllen. Emergence of African Capitalism (Minneapolis: University of Minnesota Press, 1983).

10 Kabou, Weder arm noch ohnmächtig. Basel 1995

11 Robert Brenner, „The Origins of Capitalist Development: A Critique of Neo-Smithian Marxism“, New Left Review 104 (1977), 25 – 92.

12 Shlomo Aveneri (Hrsg.), Karl Marx on Colonialism and Modernization (Garden City, NY: Doubleday, 1968), insbes. 83 – 101, 125 – 31.

13 Wichtige Debatten über Fragen wie diese haben sich unter indischen WissenschaftlerInnen entwickelt, einschließlich einer Kritik dessen, wie sich Nationalisten und Marxisten in dieser Geschichte indischer Rückständigkeit verfangen haben. Siehe Gyan Prakash, „Writing Post-Orientalist Histories of the Third World: Perspectives from Indian Historiography“; siehe auch Rosalind O’Hanlon und David Washbrook, „After Orientalism: Culture, Criticism, and Politics in the Third World“ und Gyan Prakash, „Can the ‘Subaltern’ Ride? A Reply to O’Hanlon and Washbrook“, Comparative Studies in Society and History 32 (1990), 383 – 408, 34 (1992), 141 – 184; Ranajit Guha, „Dominance without Hegemony and Its Historiography“ in Ranajit Guha (Hrsg.), Subaltern Studies VI (Delhi: Oxford University Press, 1989), 210 – 309; Partha Chatterjee, The Nation and Its Fragments (Princeton: Princeton University Press, 1993).

14 Walter Rodney leistete in Bezug auf Bemühungen, Afrika im Verhältnis zu europäischer wirtschaftlicher Macht zu betrachten, Pionierarbeit und er beeinflusste eine Generation afrikanischer WissenschaftlerInnen, insbesondere die so genannte „Daressalamer Schule“. Aber sein Werk verlagert – wie die lateinamerikanische Dependenztheorie – das gesamte kausale Gewicht auf die europäische Seite. How Europe Underdeveloped Africa (1972), dt. Afrika: Die Geschichte einer Unterentwicklung (Berlin: Wagenbach, 1975). Einige dieser Fragen der afrikanischen Historiografie werden in meinem Beitrag „Conflict and Connecting: Rethinking Colonial African History“, American Historical Review 99 (1994), 1516 – 1545, diskutiert.

15 Hopkins, Economic History. Große Teile der Geschichte der afrikanischen Bevölkerung vor dem zwanzigsten Jahrhundert werden nie bekannt sein. Der Überseehandel war für die davon Betroffenen verheerend, aber seine Nettowirkung auf die Bevölkerung wurde durch das Überwiegen männlicher Personen unter den Exporten abgeschwächt; die wichtigsten demografischen Auswirkungen bestanden möglicherweise in einer Umverteilung von Frauen und Kindern zu den Zentren der Macht sowie einer Umverteilung zu Zufluchtsorten. Die Kolonisierung hatte eventuell größere negative demografische Auswirkungen, insbesondere da sie menschliche Erkrankungen und Viehkrankheiten brachte, die um die Wende zum zwanzigsten Jahrhundert zu Tod und Elend führten. Vgl. Patrick Manning, Slavery and African Life: Occidental, Oriental and African Slave Trades (Cambridge: Cambridge University Press, 1990), sowie Dennis Cordell und Joel Gregory (Hrsg.), African Population and Capitalism: Historical Perspectives (Boulder: Westview, 1987).

16 Jack Goody, „Population and Polity in the Voltaic Region“, in J. Friedman und M. J. Rowlands (Hrsg.) The Evolution of Social Systems (Pittsburgh: University of Pittsburgh Press, 1978), 417 – 420.

17 Diese den Widerstand gegen die Ausbeutung von Arbeitskraft und die Externalisierungsstrategien der Eliten betreffende Argumentation wird in „Africa and the World Economy“ entwickelt, in: Frederick Cooper u.a., Confronting Historical Paradigms: Peasants, Labor and the Capitalist World System in Africa and Latin America (Madison: University of Wisconsin Press, 1993), 84 – 204, insb. 110 – 115. Vgl. auch Claude Meillassoux (Hrsg.), L’esclavage en Afrique pré-coloniale (Paris: Maspero, 1975).

18 Albert O. Hirschman, Exit, Voice, and Loyalty (1970), dt. Abwanderung und Widerspruch (Tübingen: Mohr, 1974).

19 J. D. Y. Peel, „Olaju: A Yoruba Concept of Development“, Journal of Development Studies 14, 139 – 145. Peel entwickelt ein ähnliches Argument in Bezug auf longuedurée wie das hier angeführte, aber hinsichtlich eines bestimmten Königreichs, in Ijesbas and Nigerians: The Incorporation of a Yoruba Kindom, 1890s – 1970s (Cambridge: Cambridge University Press, 1983).

20 Joseph C. Miller, Way of Death: Merchant Capitalism and the Angolan Slave Trade 1730 – 1830 (Madison: University of Wisconsin Press, 1988); Paul Lovejoy, Transformations in Slavery: A History of Slavery in Africa (Cambridge: Cambridge University Press, 1983).

21 Eric Williams, Capitalism and Slavery (Chapel Hill: University of North Carolina Press, 1944). Bereits davor stellte das Werk von C. L. R. James die Frage der Sklaverei in das Zentrum einer Debatte über universelle Ideale und Befreiung. Sein Buch behandelt sowohl die koloniale Befreiung im zwanzigsten Jahrhundert als auch die Sklavenrebellion im achtzehnten. The Black Jacobins: Toussaint L’Ouverture and the San Domingo Revolution (orig. 1983), dt. Die schwarzen Jakobiner (Köln u.a., Pahl-Rugenstein u.a., 1984).

22 Sidney W. Mintz. Sweetness and Power (1985), dt. Die süße Macht. Kulturgeschichte des Zuckers (Frankfurt/Main: Campus, 1987).

23 Seymour Drescher, Econocide: British Slavery in the Era of Abolition (Pittsburg: University of Pittsburgh Press, 1977); David Eltis, EconomicGrowth and the Ending of Transatlantic Slave Trade (New York: Oxford University Press, 1987).

24 David Brion Davis, The Problem of Slavery in the Age of Revolutions, 1770 – 1823 (Ithaca: Cornell University Press, 1975).

25 Thomas Holt, The Problem of Freedom: Race, Labor and Politics in Jamaica and Britain 1832 – 1938 (Baltimore: John Hopkins University Press, 1992).

26 Die Gründe für die Welle kolonialer Eroberung ab den 1870er Jahren sind komplex und es ist viel über die ökonomischen und geopolitischen Kalkulationen, die bestimmten Initiativen zugrunde lagen und dann dazu führten, dass andere europäische Mächte in das eintraten, was als „Wettlauf um Afrika“ bezeichnet wird, geschrieben worden. Der Punkt, auf den ich hier hinweisen möchte, besteht darin, dass die Kolonisierung einer relativ skeptischen Öffentlichkeit im eigenen Land, die nicht völlig überzeugt war, dass Imperialismus mehr Nutzen bringen würde als einige Abenteurer, über eine Rhetorik erklärt werden konnte, die an den Fortschritt appellierte, über den in Europa so viel gesprochen wurde. Die Verbindung von Sklaverei und Imperialismus wird untersucht in Frederick Cooper, Thomas Holt und Rebecca Scott, Beyond Slavery: Explorations in Race, Labor, and Citizenship (Chapel Hill: University of North Carolina Press, 1998). Als Ansatz für eine Analyse des Kolonialismus siehe Ann Laura Stoler und Frederick Cooper „Between Metropole and Colony: Toward a Research Agenda“ in Frederick Cooper und Ann Laura Stoler (Hrsg.), Tensions of Empire: Colonial Cultures in a Bourgeois World (Los Angeles: University of California Press, 1997).

27 Frederick Cooper. From Slaves to Squatters: Plantation Labor and Agriculture in Zanzibar and Coastal Kenya, 1890 – 1925 (New Haven: Yale University Press, 1980); Martin Klein, Slavery and French Colonial Rule (Cambridge: Cambridge University Press, 1998); Anne Phillips, The Enigma of Colonialism: British Policy in West Africa (London: James Curry, 1989); Elias Mandala, Work and Control in a Peasant Economy: A History of the Lower Tchiri Valley in Malawi, 1859 – 1960 (Madison: University of Wisconsin Press, 1990).

28 Eine Form, Mobilität gegen die Ausübung von Zwang einzusetzen, ist in A. I. Asiwaju, „Migration as Revolt: The Example of the Ivory Coast and Upper Volta before 1945“, Journal of African History 17 (1976), 577 – 594, beschrieben.

29 Keletso Atkins, The Moon is Dead! Give Us Our Money! The Cultural Origins of an African Work Ethic, Natal, South Africa, 1843 – 1900 (Portsmouth, NH: Heinemann, 1993). Siehe auch William Beinart und Colin Bundy, Hidden Struggles in Rural South Africa (Berkeley: University of California Press, 1987) und Patrick Harries, Work, Culture, and Identity: Migrant Laborers in Mozambique and South Africa, c. 1860 – 1910 (Portsmouth NH: Heinemann, 1994).

30 Eric Hobsbawm und Terence Ranger (Hrsg.), The Invention of Tradition (Cambridge: Cambridge University Press, 1983); Martin Chanock, Law, Custom and Social Order: The Colonial Experience in Malawi and Zambia (Cambridge: Cambridge University Press, 987); Phillips, The Enigma of Colonialism; Alice Conklin, A Mission to Civilize: The Republican Idea of Empire in France and West Africa, 1895 – 1930 (Stanford: Stanford University Press, 1998).

31 Sara Berry, No Condition Is Permanent: The Social Dynamics of Agrarian Change in Sub-Saharan Africa (Madison: University of Wisconsin Press, 1995); Sara Berry, Fathers Work for Their Sons: Accumulation, Mobility, and Class Formation in an Extended Yoruba Community (Berkeley: University of California Press, 1984). David Perkins hat ebenfalls die Bedeutung von Beziehungen zwischen der Gemeinschaft und akkumulierenden UnternehmerInnen und die Schwierigkeiten deutlich gemacht, sich den in dem Prozess entstandenen Verpflichtungen zu entziehen. Palm, Wine and Witnesses (London: Intertext, 1972).

32 Jane Guyer, „Traditions of Invention in Equatorial Africa“, für das Joint Committee on African Studies des Social Science Research Council/American Council of Learned Societies verfasstes Papier, 1995, Zitat S. 16.

33 Frederick Cooper, On the African Waterfront: Urban Disorder and Transformation of Work in Colonial Mombasa (New Haven: Yale University Press, 1987); Decolonization and African Society: The Labor Question in French and British Africa (Cambridge: Cambridge University Press, 1996).

34 Steven Feierman, Peasant Intellectuals: Anthropology and History in Tanzania (Madison: University of Wisconsin Press, 1990); David Throup, Economic and Social Origins of Mau Mau, 1945 -53 (London: James Currey, 1987); Tabitha Kanogo, Squatters and the Roots of Mau Mau, 1905 – 63 (London: James Currey, 1987); Bruce Berman und John Lonsdale, Unhappy Valley: Conflict in Kenya and Africa (London: James Currey, 1992).

35 Hopkins stellte diesen Punkt vor einigen Jahren fest. Economic History. Siehe auch Jean Marie Allman, The Quills of the Porcupine: Asante Nationalism in an Emergent Ghana (Madison: University of Wisconsin Press, 1993).

36 Diese Punkte werden in Cooper, Decolonization and African Society, entwickelt.

37 Eine sinnvolle Kritik findet sich in Anne McClintock „The Angel of Progress: Pitfalls of the Term ‚Post-Colonialism’“, Social Text 31/32 (1990), 84 – 98.

38 Radical History Review 57 (1993) enthält einen speziellen Teil (Imperialism: A Useful Category of Historical Analysis?), in dem diese Fragen diskutiert werden.

39 Achille Mbembe, „The Banality of Power and the Aesthetics of Vulgarity in the Postcolony“, Public Culture 4, 2 (1992), 1 – 30.

40 James Ferguson, The Antipolitics Machine: “Development,” Depoliticization and Bureaucratic Power in Lesotho (Cambridge: Cambridge University Press, 1990).

41 Mamadou Diouf, „Senegalese Development: From Mass Mobilzation to Technocratic Elitism“, in Frederick Cooper und Randall Packard (Hrsg.), International Devolopment and the Social Sciences: Essays in the History and Politics of Knowledge (Berkeley: University of California Press, 1997). Vgl. auch Ulf Himmelstrand, Kabiru Kinyanjui und Edward Mburugu (Hrsg.), African Perspectives on Development: Controversies, Dilemmas and Openings (New York: St. Martin’s Press, 1994).

42 Eine schlüssige begründete Modernitätskritik findet sich in Arturo Escobar, Encountering Development: The Making and Unmaking of the Third World (Princeton: Princeton University Press, 1995), während die Dynamiken der Wechselbeziehung in den Essays in Cooper und Packard betont werden.

43 Daher die merkwürdige Annäherung der Politik des Abschreibens, die aus dem Westen kommt, und des Kulturnationalismus der Eliten der Dritten Welt; siehe Pascal Labazé, „Petite histoire d’un grande marriage entre le néo-libéralisme et le culturalisme“, APAD Bulletin 9 (Juni 1995), 47 – 55.

44 Neuere Beispiele finden sich in Peter Anyang’ Nyong’o (Hrsg.), 30 Years of Independence in Africa: The Lost Decades? (Nairobi: Academic Science Publishers for African Association of Political Science, 1992); Kabou, Weder arm noch ohnmächtig; Mahmood Mamdani und Ernest Wamba-dia-Wamba (Hrsg.), African Studies in Social Movements and Democracy (Dakar: CODESRIA 1995).

45 Die Vielfalt der Erfahrungen in der jüngeren afrikanischer Politik – unter Einbeziehung von Reformen ebenso wie Katastrophen – wird in Jennifer Widner, „States and Statelessness in Twentieth Century Africa“, Daedalus 124, 3 (1995), 129 – 153, betont.

46 Christopher Clapham, Africa and the International System: The Politics of State Survival (Cambridge; Cambridge University Press, 1996), 168.

47 Vali Jamal und John Weeks, Africa Misunderstood or Whatever Happened to the Rural-Urban Gap (London: Macmillan for International Labour Office, 1993).

48 Einige WissenschaftlerInnen argumentieren mittlerweile, dass die Abwanderungsoption, deren Bedeutung hier betont wurde, rapide immer weniger praktikabel wird, teilweise aufgrund der Bevölkerungsdichte und, was wichtiger ist, aufgrund der geschlosseneren Grenzen und der abnehmenden Möglichkeiten. Jeffrey Herbst, „Migration, the Politics of Protest, and State Consolidation in Africa“, African Affairs 89 (1990), 183 – 203. Dies könnte wahrscheinlich auch teilweise richtig sein, aber Abwanderung ist ein soziales, kein geografisches Konzept. Die Tatsache, dass es in afrikanischen Städten Lohnarbeit neben beengt lebenden, marginalen ländlichen und Verwandtschaftsgruppen gibt, die sich bemühen, sich durchschlagen, bedeutet noch nicht, dass diese ArbeiterInnen in dem von Marx beschriebenen Sinn auf dem Arbeitsmarkt allein stehen. Dicht bevölkerte Städte erfüllen eine Funktion sowohl als Region der Ausbeutung, Ort der Staatsmacht, der Industrie und des Handels als auch als Zufluchtsregion, wo komplexe Beziehungsnetze Alternativen zu einer kapitalistischen Disziplin bieten.

49 Mein Argument ist denen ähnlich, die von einigen PolitikwissenschaftlerInnen in Hinblick auf einen Neopatrimonialismus oder patrimonialen Kapitalismus ausgeführt wurden, mit dem Vorbehalt, dass die Kontrolle über den Zugang zu externen Ressourcen besonders wesentlich ist. Siehe Niclas van de Walle, „Neopatrimonialism and Democracy in Africa, with an Illustration from Cameroon“, in Jennifer Widner (Hrsg.), Economic Change and Political Liberalization in Sub-Saharan Africa (Baltimore: John Hopkins University Press, 1994), 129 – 158; Thomas Callaghy, „State, Choice, and Context: Comparative Reflections on Reform and Intractability“, in David E. Apter und Carl G. Rosberg (Hrs.), Political Development and the New Realism in Sub-Saharan Africa (Charlottesville: University Press of Virginia, 1994), 184 – 219. Andere WissenschaftlerInnen sprechen von „Monopolstaaten“ – um zu betonen, wie Führungseliten jede andere Möglichkeit inländischer politischer Partizipation unterdrücken – oder „Rentierstaaten“ – um zu unterstreichen, wie Machthaber Renten herausziehen, indem sie Außenstehenden selektiv ermöglichen, bestimmte Ressourcen auszubeuten. Vgl. Clapham, Africa and the International System, 56 – 57, 70 – 71. Ich verwende den Begriff „Gatekeeper“ (Pförtner), um den Schwerpunkt auf das gegenseitige Verhältnis von Beziehungen nach außen und nach innen zu legen. Studien über das Klientelismuskonzept in komparativem Kontext siehe Christopher Clapham (Hrsg.), Private Patronage and Public Power: Political Clientalism in the Modern State (London: Pinter, 1982).

50 Björn Beckman, Organizing the Farmers: Cocoa Politics and National Development in Ghana (Uppsala: Scandinavian Institute of African Studies, 1976).

51 Gracia Clark, Onions Are My Husband (Chicago: University of Chicago Press. 1995).

52 Ein entsetzliches Beispiel der Elite eines „Gatekeeper-Staats“ – während ein abnehmendes Handelsvolumen die „Pforte“ durchlief, begünstigt durch die eigennützige Politik Frankreichs und die Gleichgültigkeit des Rests der Welt – die die historische Differenz und Spannung in Hass verwandelte und in der Bemühung, ihre Macht zu bewahren, bis zum Genozid ging, siehe Gérard Prunier, The Rwanda Crisis: History of a Genozide (New York: Columbia University Press: 1995). Einer der Vorzüge dieser Studie besteht darin, dass sie dem Versuch, das Grauen zu erklären, nicht aus dem Weg geht. Es ist nicht klar, ob die Politikwissenschaft auf einer allgemeinen Ebene angemessene Erklärungen für die Krise afrikanischer Staaten geboten hat. Einer der kühnsten Versuche findet sich in Jean-François Bayart, The State in Africa: The Politics of the Belly (London: Longman, 1993).

53 Afrikas hohes Bevölkerungswachstum wird ebenfalls viel beklagt, aber selten erklärt. Dass die Sterblichkeitsrate ohne einen entsprechenden Rückgang der Fruchtbarkeitsrate gesunken ist, ist bekannt, aber eine genauere Untersuchung der Beziehung von Fruchtbarkeit zu Geschlechterverhältnissen, Verwandtschaftsstrukturen und der Vielzahl von Faktoren, die sich auf die Risiken des täglichen Lebens auswirken, erfordert eine gründlichere Überlegung. Auf die Geschichte bezogen wäre es möglich, damit zu beginnen, intensiver über Macht nachzudenken: wie hauptsächlich männliche Könige, Chiefs oder Lineage-Älteste Stärke aus Zahlen bezogen. In jüngerer Zeit förderte die Unsicherheit über Unterstützung durch Institutionen bei Armut oder im Alter die Fruchtbarkeit und tatsächlich deutet viel darauf hin, dass Bildung und Beschäftigungsmöglichkeiten, insbesondere für Frauen, zu einem Geburtenrückgang führen. Solche Überlegungen laufen darauf hinaus, dass die besten Möglichkeiten der Kontrolle konstante Bemühungen sein könnten, Gesundheitseinrichtungen zu verbessern, Schulen zu bauen und eine Vielzahl von Möglichkeiten vorzusehen, die einfachen Leuten ein Gefühl von Sicherheit und Wahlmöglichkeiten geben, ein Programm, das den IWF-Bemühungen, Staatsausgaben zu reduzieren, und dem Ruf der Alarmisten der Bevölkerungskontrolle nach Feuerwehrprogrammen, die sich auf Fruchtbarkeit konzentrieren, zuwiderläuft. Siehe Cordell und Gregory und Caroline Bledsoe „Children are like young bamboo trees: Potentiality and Reproduction in Sub-Saharan Africa“, in Kerstin Lindahl-Kiessling und Hans Landberg (Hrsg.), Population, Economic Development, and the Environment (London: Oxford University Press, 1994), 105 – 138.

54 Eine fruchtbarere Nutzbarmachung von Gegenüberstellungen findet sich in Howard Stein (Hrsg.), Asian Industrialization and Africa: Studies in Policy Alternatives to Structural Adjustment (New York: St. Martin’s Press, 1995).

55 Zwei Studien, die deutlich machen, wie „Liberalisierung“ neue Varianten des Gatekeeper-Staats geschaffen hat, statt einen Weg aus dem Verhalten der Rentenaneignung, sind „Economic Statism, Private Capital, and the Dilemmas of Accumulation in Nigeria“ von Peter M. Lewis und „Trade, Taxes, and Tribute: Market Liberalization and the New Importers in West Africa“ von Catherine Boone, World Development 22 (1994), 437 – 51, 451 – 67. Die Gefahren negativer Langzeitwirkungen von Strukturanpassungsprogrammen – selbst wenn es kurzeitige Erfolge gibt – gehen aus den Beiträgen in Frances Stewart, Sanjaya Lall und Samuel Wangwe (Hrsg.), Alternative Development Strategies in Subsaharan Africa (London: Macmillan, 192), hervor. Ralph Austen weist auf die Ironie hin, dass Afrika zunehmend in globale Netzwerke des Austauschs integriert wurde, wie westliche Berater lange gehofft hatten, aber gerade zu dem Zeitpunkt, als der Bedarf der Weltwirtschaft an dem, was es zu bieten hatte, abnahm. African Economic History (London: Currey, 1987).

56 Eine Argumentation, die der Befürwortung einer ursprüngliche Akkumulation am nächsten kommt, findet sich in dem Werk von Goran Hyden: No Shortcuts of Progress: African Development Management in Perspective (London: Heinemann, 1983. Hyden teilt uns mit, dass die Stärke der sozialen Institutionen Afrikas die Art von reinem Kapitalismus verhindert, für die er einzutreten scheint, aber er weigert sich, sich mit den Implikationen seiner eigenen Argumentation auseinander zu setzen: wie die afrikanische Gesellschaft demontiert werden soll.

57 Der einflussreichste Befürworter von Variationen dieses Ansatzes ist Samir Amin. Eine eigene Rückschau auf sein Denken und seine Bemühungen, Einfluss auf den Verlauf der afrikanischen Wirtschaftsgeschichte zu nehmen, ist nachzulesen in: Itinéraire intellectuel (Paris: L’Harmattan, 1991).

58 Fragen der Darstellung sind ebenfalls wichtig für das Verständnis von Beziehungen innerhalb von Haushalten, beispielsweise zwischen Männern und Frauen, da versucht wird, markante kulturelle Auffassungen von Geschlechterrollen in Auseinandersetzungen um die häuslichen Konsequenzen von staatlichen Bemühungen, mehr Arbeitskraft aus den Haushalten herauszuziehen, zu nutzen. Siehe z.B. Judith Carney und Michael Watts, „Manufacturing Dissent: Work, Gender and the Politics of Meaning in a Peasant Society“, Africa 60 (1990), 207 – 241.