Seit der Ausrufung von Präsident Joseph Kabilas zum Sieger der Präsidentschaftswahlen in der Demokratischen Republik Kongo durch die Wahlkommission am 9. Dezember ist es in verschiedenen Landesteilen zu Gewalt gekommen. Vor allem betroffen sind Städte, die mehrheitlich für die oppositionellen Kandidaten Etienne Tshisekedi oder Vital Kamerhe stimmten.
Tshisekedi erklärte sich noch in der Nacht zum 10. Dezember zum gewählten Präsidenten. Bereits am Folgetag kamen mindestens zehn Menschen ums Leben.
Sechs wurden in der Hauptstadt Kinshasa erschossen, die mehrheitlich für Tshisekedi stimmte und wo ab der Nacht zum 10. Dezember die Präsidialgarde massiv Präsenz in den Armenvierteln zeigte. Eine 19-Jährige starb per Kopfschuss, als sie auf die Straße ging, um Brot zu kaufen. Straßensperren aus brennenden Autos und Reifen wurden rasch aufgelöst. Viele jugendliche Straßenkämpfer greifen mittlerweile zu Brandbomben, berichten Augenzeugen. Im Stadtviertel Masina wurde ein Polizeikommissariat geplündert, in Bandalungwa drang die Polizei in Privathäuser mit Tränengas ein.
Am härtesten ging die Staatsmacht in Mbuji-Mayi vor, die mehrere Millionen Einwohner zählende Hauptstadt der Provinz Kasai-Oriental, Zentrum der kongolesischen Diamantenindustrie und traditionelle Hochburg von Tshisekedis Partei UDPS (Union für Demokratie und Sopzialen Fortschritt). Mbuji-Mayi feierte am 10. Dezember die Selbstausrufung Tshisekedis zum Präsidenten, aber die Aufmärsche wurden mit Tränengas und Schüssen aufgelöst. Augenzeugen berichten vom Einsatz schwerer Waffen und der Einrichtung zahlreicher Straßensperren des Militärs zwischen Flughafen und Stadtzentrum. Die lokale Zivilgesellschaft spricht von „wahllosen Verhaftungen“ von rund 100 Menschen, darunter Studenten und Juristen. Wohnhäuser von UDPS-Kadern seien von unbekannten Bewaffneten angegriffen worden.
In Lubumbashi, Hauptstadt von Kongos südlichster und mineralienreichster Provinz Katanga, wurde die UDPS-Zentrale von der Polizei abgeriegelt und geschlossen. Proteste dagegen wurden gewaltsam aufgelöst. Der UDPS-Präsident in Katanga, Fabien Mutomb, wurde nach Angaben seiner Partei festgenommen. In Katanga haben Wahlbeobachter besonders verdächtige offizielle Wahlergebnisse festgestellt.
Angehörige von Tshisekedis Luba-Ethnie wurden in der weiter nördlich gelegenen Stadt Kamina, Eisenbahnknotenpunkt und Militärstützpunkt, Opfer ethnischer Übergriffe. Rund 300 Menschen mussten vor Angriffen von Milizen des katangischen Parlamentspräsidenten Gabriel Kyungu, ein Verbündeter Kabilas, Zuflucht im Bahnhof suchen. Manche befürchten eine Neuauflage der Pogrome gegen Luba in Katanga, die Kyungu bereits in den 1990er Jahren durchführte, damals zugunsten des damaligen Mobutu-Regimes.
In der ostkongolesischen Provinz Nord-Kivu hat die Ermordung des Sekretärs der Zivilgesellschaft der Stadt Rutshuru am 9. Dezember hohe Wellen geschlagen. Willy Wabo soll getötet worden sein, weil er Unregelmäßigkeiten bei den Wahlen anprangert hatte. Am 13. Dezember wurde in der Provinzhauptstadt Goma ein Protestmarsch von UDPS und der mit ihr verbündeten UNC (Union für die Kongolesische Nation) von Vital Kamerhe mit Tränengas aufgelöst, die beiden lokalen Parteichefs Rubens Mikindo und Bauma Balingene festgenommen. Die beiden Parteien hatten die Behörden zwar vorab von der Demonstration informiert, aber in Reaktion hatte die Stadt sämtliche öffentlichen Kundgebungen in Goma verboten. Mikindo und Balingene wurden jetzt der „Gefährdung der Staatssicherheit“ angeklagt, worauf im Kongo die Todesstrafe steht.
Auch in Bukavu, Hauptstadt der Nachbarprovinz Süd-Kivu, ging die Armee am gleichen Tag gewaltsam gegen Demonstrationsversuche von UNC und UDPS vor. Am Vorabend waren in der Stadt unter ungeklärten Umständen zwei Studenten und zwei andere Personen ermordet worden.
Tshisekedi selbst befindet sich in seinem Haus im Stadtviertel Limete von Kinshasa unter faktischem Hausarrest, sagt sein Sprecher Valentin Mubake. Präsidialgardisten, als Poliziste verkleidet, hätten die umliegenden Straßen abgeriegelt. Polizeichef Charles Bisengimana hat dies dementiert, sagt aber, es sei tatsächlich Polizei stationiert, weil von Tshisekedis Haus Demonstrationen ausgingen.
Gleichzeitig seinen seien laut EU-Wahlbeobachtermission mehrere oppositionelle Sender ohne offizielle Ankündigung geschlossen worden. In Mbuji-Mayi traf es RLTV (Radio Lisanga Television); in Kananga, Hauptstadt der Nachbarprovinz Kasai-Occidental, Radaio-Télé Amazone, Radio Maria und Radio Espoir du Kasai; in Kinshasa Canal Futur. In Kabambare in der östlichen Provinz Maniema wurden vier Journalisten des kommunalen Radios Tujenge eingesperrt. SMS-Dienste gibt es im Kongo bereits seit dem 3. Dezember nicht mehr.
Der EU macht das alles gar nichts: Sie unterstützt weiterhin Armee und Polizei, v.a. bei der Ausbildung und Ausrüstung.
Quelle: taz 18.12.2011