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Solidarität – mit wem?

Kommentar zu den aktuellen Entwicklungen im Mali

Das afrikanisch-europäisch Solidaritätsnetztwerk afrique-europe-interact (AEI) veröffentlichte auf ihrer Webseite Texte von zwei malischen Organisationen, die den Putsch begrüßen. Die „Volksbewegung des 22. März“, in der mehrere Partnerorganisationen von AEI vertreten sind, schreibt u.a.: „Wir möchten betonen, dass der Putsch ein heilsamer Akt zur Befreiung Malis und seiner Demokratie vom Übel der defätistischen Heerführer und einer korrupten politischen Elite ist, die das Land in den Bankrott und in die Aufteilung (zwischen Norden und Süden – der Übersezter) geführt haben“. Die Assoziation der Abgeschobenen (AME), eine der Partnerorganisation, fordert von den Putschisten, die Autorität des Staates wieder herzustellen und glaubt, dass die Mehrheit der Malier den Putsch unterstützt. Vor allem die AME benutzt den Begriff Tuareg in abschätziger Weise.

Die Berliner Forschungsgesellschaft Flucht & Migration (ffm) veröffentlicht dagegen einen Text von Helmut Dietrich, der mit der MNLA sympathisiert. Dietrich schreibt, dass die MNLA „Meldungen, dass Dschihadisten, Terroristen und Warlords verschiedene Städte in Nord-Mali übernommen hätten“, als Desinformation zurückweist.

Gegen ethnisierende Gewalt

Das Verhältnis zwischen den überwiegend berbersprachigen Nomaden und der bäuerlichen Bevölkerung der Sahel-Region ist durch tiefgehende Ressentiments geprägt, weil der seit Jahrhunderten existierende Konflikt zwischen Nomaden und Ackerbauern im Mali seit der Kolonialzeit extrem ethnisiert worden ist.

Jede radikale Kritik an den Verhältnissen muss diese Ethnisierung angreifen. Während die AME und die „Volksbewegung des 22. März“ voll in dieser enthnisierenden Logik argumentieren, ist zumindest die Rhetorik der MNLA eine andere. AEI sollte sich nicht scheuen, mit ihren GenossInnen im Mali eine Diskussion über deren ethnisierenden und nationalistischen Diskurs führen.

Ethnisierende Gewalt, sei es gegen Tuareg im Süden oder SchwarzafrikanerInnen im Norden sind auf jeden Fall nicht tolerierbar.

Gegen religiöse Gewalt

Ob die Berichte über die Gräueltaten des Ancar Dine allesamt nur Desinformationen sind, wie Dietrich (und die MNLA) schreiben, ist angesichts der Vielzahl der Quellen zweifelhaft. Auf der anderen Seite würde das bedeuten, dass die zahlreichen Kriegsverbrechen, deren Ancar Dine beschuldigt wird, von jemand anders begangen worden sein müssen. Von der malischen Armee, der Algerischen oder gar von der MNLA? Diese Szenarien scheinen angesichts der Quellenlage unwahrscheinlich.

Warum die MNLA, die rund 3.000 Kämpfer in ihren Reihen haben soll, die viel kleinere Ansar Dire, die nur ca. 300 Kämpfer in ihren Reihen haben soll, gewähren lässt, ist allerdings mehr als unklar.

Gegen sexistische Gewalt

Zum Elend bewaffneter Auseinandersetzungen gehört es, dass Männer ihr Gewaltpotential gegen Frauen exzessiv ausleben. In Mali scheint es nicht anders zu sein. Uns erreichen Meldungen über Vergewaltigungen und Frauenmorde, die in den meisten Quellen Ancar Dine zugeschreiben werden. Aber auch MNLA-Kombattanten werden beschuldigt. Die Verbrechen gegen Frauen scheinen aber – wie meist – kaum Gegenstand der Debatte – weder im Mali noch hier.

Gegen imperialistische Gewalt

Die Ancar Dine gilt als Teil der Al-Quaida im Maghreb (AQMI). AQMI ist aus der Algerischen GIA entstanden, die – vom algerischen Geheimdienst gesteuert – in den 1990 Jahren einen blutigen Krieg gegen die Algerische Bevölkerung führte. Es halten sich nach wie vor Gerüchte, dass AQMI aus Algier gesteuert ist. Wenn das auch plausibel aber nicht beweisbar ist, so ist unumstritten, dass die Aktivitäten der AQMI zu einer extremen imperialistischen Militarisierung der Sahara geführt haben.

Aktuell wird die Anwesenheit der AQMI in Azawad vom französischen Außenminister Juppe als Vorwand genommen, im UN-Sicherheitsrat eine bewaffnete Intervention afrikanischer Streitkräfte in den Mali zu fordern. Frankreich würde logistische Hilfe leisten.

Nur wenn es gelingt, all die ethnisierenden, sexitischen, religiösen und imperialistischen Gewalttäter zu stoppen, kann es Frieden geben in einer der schönsten Regionen der Erde.