Die autonomen (d.h. ohne Gewerkschaften) Streiks der südafrikanischen Bergleute weiten sich trotz der Repression aus. Rund um den „Platingürtel“ bei Rustenberg sollen alle Minen dicht sein. Die Streiks der Platin-Bergarbeiter haben jetzt auch auf die Goldminen übergegriffen. Letzte Woche befanden sich in verschiedenen Platin- bzw. Goldminen Südafrikas insgesamt 60.000 Arbeiter im Streik. Ein Polizeisprecher klagt: „Die Bergleute versammeln sich alle. Sie versperren die Straßen mit Reifen, Baumstämmen und Steinen. … Es handelt sich um einen Massenaufruhr.“
Seit Monaten, wenn nicht seit Jahren gibt es in Südafrika immer wieder militante Arbeitskämpfe. Durch ein Massaker an 34 streikenden Arbeitern der Marikana-Mine des britischen Bergbaukonzerns Lonmin Plc. (früher Lonrho) durch Aufstandsbekämpfungseinheiten der Polizei am 16. August fanden Sie in der Weltpresse kurzzeitig Beachtung. Doch die Streiks gehen weiter: Sämtlich Zugänge zur Marikana-Mine sind weiterhin blockiert. Als das Lonmin-Management den Streik mit Hilfe der NUM-Führung (NUM ist die dem regierenden ANC nahe stehende Metallgewekschaft) nach dem Massaker möglichst schnell abwürgen wollte (Sie vereinbarten, dass vor weiteren Lohnverhandlungen die Arbeit am Montag wieder aufgenommen werden soll und dass die Arbeiter zukünftig auf „wilde Streiks“ und jede Art von Gewalt verzichten) erschienen nicht mal acht Prozent der 28.000 Marikana-Kumpel wieder zur Arbeit. Stattdessen marschierten 10.000 mit Macheten, Knüppeln und Speeren bewaffnete Bergleute von einem Schacht zum nächsten, bezogen die Kumpel dort in den Kampf mit ein und organisierten die Blockaden.
Am Sonntag meldete Welt-online, dass die südafrikanische Regierung ihr Vorgehen gegen streikende Bergarbeiter erstmals seit dem Massaker wieder verschärft hat: „Die Polizei setzte am Samstag Tränengas und Schlagstöcke gegen Streikende ein. Männer, Frauen und Kinder wurden in der Ortschaft Wonderkop in ihre Häuser getrieben. Die Polizei beschlagnahmte bei der Razzia nach eigenen Angaben Macheten, Speere, Messer und Schläger. Zwölf Männer wurden festgenommen. Sechs Frauen wurden nach Angaben des anglikanischen Bischofs Jo Seoka von Gummigeschossen getroffen, eine wurde in ein Krankenhaus gebracht.
Die Regierung hatte zuvor angekündigt, dass sie entschlossen sei, den illegalen Streik zu beenden, durch den die Arbeit in einem Gold- und sechs Platinbergwerken nordwestlich von Johannesburg zum Erliegen kam…
Es war der erste Polizeieinsatz gegen Streikende seit dem 16. August, als 34 Arbeiter getötet wurden. Für (den heutigen) Sonntag planten die Streikenden einen Marsch zur Polizeiwache in Rustenberg, 100 Kilometer nordwestlich von Johannesburg. Am Samstag wurden Soldaten mit Lastwagen in das Gebiet verlegt. Finanzminister Pravin Gordhan hatte am Freitag erklärt, die Streiks fügten der südafrikanischen Wirtschaft schweren Schaden zu. Justizminister Jeff Radebe sagte, die Regierung schreite ein, weil die Bergbauindustrie für die Wirtschaft des Landes von zentraler Bedeutung sei“ (welt online 16.9.2012).
Die Slum-BewonerInnen-Bewegung abahlali baseMjondolo schreibt: „Wir müssen erkennen, dass es gegen die Armen in diesem Land einen Krieg gibt. Wir haben diesen Krieg nie gewollt, aber er ist über uns gekommen – heute kann niemand mehr leugnen, dass ein Krieg gegen die Armen geführt wird… Wir müssen endlich akzeptieren, dass sich diese Regierung nicht um uns kümmert. Wir zählen nicht mehr auf sie. Denn wenn wir darum bitten, angehört zu werden, werden wir als Kriminelle und Verräter behandelt“ (http://www.abahlali.org/node/9042). Diese Kriegsmetapher ist deswegen umso bemerkenswerter, weil der regierende ANC für die Menschen in Südafrika immer eine gewisse Ambivalenz repräsentierte: eben nicht nur Repräsentantin des Schweinesystems sondern auch GenossInnen aus dem langen Kampf gegen die Apartheid, die nach 1994 „den größten Sozialstaat de Kontinents“ (jW 4.9.2012) geschaffen haben. Die Erklärung von abahlali baseMjondolo lässt sich so deuten, dass diese Ambivalenz dem ANC nicht mehr abgekauft wird – für Südafrika eine bemerkenswerte Entwicklung.
Shawn Hattingh von der anarchistischen Zabalaza Anarchist Communist Front (ZACF) hat einen längeren Artikel zu den Hintergründen der Streikbewegung auf anarchismo.net veröffentlicht (http://www.anarkismo.net/article/23802).
Quellen: abahlali baseMjondolo: PM zum Massaker in Südafrika, http://www.abahlali.org/node/9042 19.8.2012;
Shawn Hattinghr: Waht the Marikana Massacre tells us,www.anarkismo.net/article/23802 4.9.2012
junge Welt 4.9.2012; rf-news.de 13.9.2012; welt-online 16.9.2012