„Am 3. September legten die Lehrer der öffentlichen Schulen ihre Arbeit nieder – fast auf den Tag ein Jahr nach dem letzten Lehrerstreik in dem ostafrikanischen Land. Wie vor zwölf Monaten richtet sich der Protest dagegen, daß der Staat nach Ansicht der Pädagogen zu wenig Mittel für die Bildungseinrichtungen und deren Angestellte zur Verfügung stellt. Seit 2003 die Grundschulbildung und 2008 die mittlere Schulbildung für alle kostenlos wurde, ist das kenianischen Bildungssystem hoffnunglos überlastet. Denn mit diesem Schritt ging auch die Kürzung öffentlicher Gelder für Schulen einher, was zu sinkenden Lehrerzahlen führte, während immer mehr Kinder und Jugendliche in die Schulen strömten – hundert und mehr Schülerinnen und Schüler pro Klasse ist seither die Regel. Bis zu einer viertel Million Lehrerinnen und Lehrer beteiligen sich an dem Arbeitskampf (…)
Am 6. September legten dann Lektoren und nicht-wissenschaftliches Personal an den Universitäten die Arbeit nieder. Sie fordern Gehaltserhöhungen. Ein Versuch der Regierung unmittelbar nach Beginn des Unistreiks, mittels eines Angebots an die Hochschullehrer zumindest eine Gruppe zur Rückkehr an den Arbeitsplatz zu bewegen, wurde von der Gewerkschaft aufgrund der zu geringen Tariferhöhung als »Beleidigung und Verhöhnung« zurückgewiesen.
Aber auch in anderen Teilen des öffentlichen Sektors kämpfen die Angestellten um eine Verbesserung ihrer Situation. Wie bei den Lehrern geht es auch im Gesundheitsbereich nicht nur um Lohnerhöhungen, sondern vor allem um eine bessere Ausstattung der Einrichtungen selbst. Bereits seit August streiken die Assistenzärzte für eine finanzielle Unterstützung während ihrer Ausbildungszeit. Anfang vergangener Woche schlossen sich ihnen die Krankenhausärzte an, was den Arbeitskampf im Gesundheitssektor erst richtig in Gang brachte. Derzeit wird an den öffentlichen Krankenhäusern nur Notversorgung durchgeführt. Die Ärzte fordern mehr Geld für Krankenhäuser und den Ausbau der Versorgung durch zusätzliche Gesundheitseinrichtungen. Aufgrund einer Einigung zwischen Gewerkschaft und Regierung im vergangenen Jahr hätten 200 zusätzliche Ärzte angestelllt werden müssen, nach Angaben der Streikenden wurden aber lediglich 57 neue Mediziner aufgenommen. Zudem beklagen die Streikenden Mißwirtschaft und Veruntreuung von öffentlichen Mitteln. So seien etwa Gelder, die für die Bezahlung von Weiterbildungsmaßnahmen von Ärzten reserviert gewesen seien, »auf mysteriöse Weise verschwunden«, wie ein Gewerkschaftssprecher laut der kenianischen Tageszeitung The Standard sagte.
Alle Gespräche zwischen Gewerkschaften und Regierung sind bislang gescheitert. Ärzte und Lehrer wollen ihren Protest fortsetzen und kündigten am Wochenende an, daß die Maßnahmen noch ausgeweitet werden sollen, wenn weitere Verhandlungen ergebnislos blieben. Auch das Universitätspersonal verlautbarte am Sonntag, daß der Arbeitskampf trotz Einschüchterungsversuchen fortgesetzt würde. Am Samstag hatten Vertreter der Regierung erklärt, daß der Streik vom Arbeitsgericht als illegal eingestuft worden sei und alle, die am Montag die Arbeit nicht wieder aufnehmen würden, mit Entlassung zu rechnen hätten. Auch die Lehrer und Ärzte wiesen Äußerungen von Politikern und Kommentatoren zurück, wonach ihre Forderungen illegitim seien und die Proteste auf dem Rücken von Schülern und Kranken ausgetragen würden.“
junge welt 18.09.2012