Burkina Faso: Chronologie eines Umsturzes von Unten
Anfang Juli 2015: In Burundi, das seit April von heftigen Unruhen erschüttert wird, setzt der seit zwei Amtszeiten regierende Präsident Pierre Nkurunziza mit blutiger Gewalt Wahlen für eine von der Verfassung nicht vorgesehene dritte Amtszeit durch. So wie er wollten in 16 weiteren Ländern Subsahara-Afrikas die Machthaber die nach den Umbrüchen Anfang der 90er Jahre in den Landesverfassungen aufgenommenen Amtszeitbeschränkung nicht akzeptieren. In zehn Fällen waren die Potentaten „erfolgreich“, in sechs Ländern schlug ihr Coup fehl – so auch in Burkina Faso. In weiteren Ländern schwelen die Auseinandersetzungen: neben Burundi in der DR Kongo1, in Ruanda und Zimbabwe.
An den Wahlen entzünden sich im Unterschied zu Europa soziale Konflikte, weil dort die Macht personalisierter ist und der Staatsapparat mit seinen Bereicherungsmöglichkeiten mit den Wahlen in die Hand von dem Präsidenten nahe stehender Cliquen fällt. Ohne Beziehungen zu dieser Eliten-Fraktion ist für die meisten eine Anstellung beim Staat oder ein sozialer Aufstieg unmöglich.
Doch die Revolution vom 30.10.2014 in Burkina Faso – das „Model Ouagadougou“ – sitzt den herrschenden Eliten in den Knochen. Der Aufstand hat nichts von seiner Faszination verloren und ist für viele Aktivist_innen in West- und Zentralafrika inspirierend. Ein in 27 Jahren festgefügtes „System Campaoré“ wurde trotz Armee, Polizei, Geheimdienste und vieler anderer Machterhaltungsstrategien von einem Aufstand von Unten mit einem Zusammenwirken von Massenmobilisierung und Sabotageaktionen ohne viel Blutvergießen hinweggefegt. Orchestriert wurde der Aufstand weniger von Oppositionsparteien als von außerparlamentarischen Gruppen. Viele Frauen und Funktionäre der Mittelschicht waren daran beteiligt, aber vor allem die Bevölkerungsmehrheit der Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen. Dabei spielten die Ideen Thomas Sankaras von Panafrikanismus und Selbstbefreiung, die auch nach 30 Jahren noch im kollektiven Gedächtnis der burkinischen Gesellschaft präsent sind, eine nicht zu unterschätzende Rolle. Schon nehmen sich Aktivist_innen in der Demokratischen Republik Kongo oder in Togo, beides ebenfalls Länder mit langjährigen autokratischen Regimen, an Bewegungen wie Le Balai Citoyen („Bürger_innen-Besen“) ein Beispiel, die ihrerseits sich am Vorbild der senegalesischen Bewegung Y’en a marre! („Es reicht!“) orientierten. Sie genießen vor allem deshalb Respekt, weil sie sich ausdrücklich jeder Beteiligung am etablierten Politik- und Machtbetrieb verweigern, sich eher als Korrektiv der herrschenden Politik verstehen und konkrete Missstände wie etwa dauernde Stromausfälle oder Müllentsorgung aufgreifen.
„Es ist immer wieder erstaunlich, wie rasch festgefügte Ordnungen zusammenfallen können (…). Innerhalb von zwei Wochen hatte sich das Sahelland radikal verändert“, stellt ein Kommentator2 fest. Doch der erzwungene Abgang des Autokraten Campaoré war nicht die Folge einer spontanen Revolte. Entscheidend für den massenhaften Aufstand war vielmehr das Zusammenkommen zweier sozialer Entwicklungen: die Explosion einer lange aufgestauten Wut über die autokratische Herrschaft eines sich die Reichtümer des Landes schamlos aneignenden Clans von etwa 200 Familien sowie andererseits die jahrelangen widerständigen Organisierungs- und Mobilisierungsprozesse innerhalb der burkinischen Gesellschaft.
Für die jüngere Vergangenheit sind hier besonders die Aufstände und Kampagnen „Gegen das teure Leben“ („Contre la vie chère“)3 im Februar 20084, im März und April 20115 und im Mai 20126 zu nennen wie auch die Massenproteste in Reaktion auf die Erschießung des Jugendlichen Justin Zongo durch Gendarmerie-Angehörige im Februar 2011.
Chronologie:
Im Laufe des Jahres 2013 wurde in der öffentlichen Diskussion eine mögliche erneute und von der Verfassung nicht gedeckte Präsidentschaftskandidatur von Blaise Comparé im Jahr 2015 immer mehr zum Thema.
Denn Artikel 37 der Verfassung Burkina Fasos – des „Lands der Aufrichtigen“7, wie die Staatsbezeichnung des früheren Obervolta seit 1984 lautet – beschränkt die Zahl der Präsidentschaftsmandate, die eine Person nacheinander ausüben kann, auf zwei. Compaoré hatte bereits vier Amtszeiten hinter sich. Das war durch zwei Verfassungsänderungen in den Jahren 1997 und 2000 möglich geworden. Zuerst war 1997 die Zahl der damals siebenjährigen Amtszeiten auf zwei begrenzt worden. Dann wurde im Jahr 2000 die Mandatszeit von sieben auf fünf Jahre verkürzt. Damit reagierte Blaise Campaoré auf erhebliche Proteste wegen der Ermordung des regimekritischen Journalisten Norbert Zongo im Dezember 1998, die seine Macht ernsthaft zu bedrohen schien. Diese Verfassungsänderung im Jahr 2000 erlaubte ihm allerdings, die Zählung der Amtszeiten von vorne zu beginnen. Einschließlich der drei Jahre, die er nach seinem Militärputsch gegen seinen ehemaligen Genossen Thomas Sankara bereits faktisch Staatschef war, schaffte er es so, sich insgesamt 27 Jahre an der Macht zu halten.
Im September 2013 machte Campaoré klar, dass seine erneute Kandidatur nicht von der gegenwärtigen Version der Verfassung abhänge, sondern „von seinen eigenen Kräften und seiner Entscheidung“. Ende 2013 sprach er offen über die Möglichkeit einer neuen Verfassungsänderung des Artikel 37 und brachte die Möglichkeit eines Referendums darüber ins Spiel. Denn für eine erneute Kandidatur wäre eine Änderung oder die Aussetzung der Verfassung notwendig gewesen, für die ihm die notwendige Mehrheit im Parlament fraglich erschien. Im Falle eines Scheiterns der Parlamentsabstimmung wäre als „Plan B“ ein Referendum über die Verfassungsänderung zum Zug gekommen.
Am 16.12.2013 schloss sich die Opposition zusammen und setzte einen permanenten Krisenstab zum Kampf gegen den „Verfassungsputsch“ ein.
Samstag, 18. Januar 2014
Die Bewegung Le Balai Citoyen und der Mouvement ca suffit („Bewegung Es reicht“) haben zu einem marche-meeting d.h.einer Großdemonstration gegen die Änderung des Artikels 37, gegen die Verteuerung des Lebens sowie gegen Ungerechtigkeit und Straflosigkeit aufgerufen. Die Beteiligung an dem friedlichen Protestmarsch gegen die Verfassungsänderung ist sowohl in Ouagadougou als auch in der zweitgrößten Stadt des Landes Bobo-Dioulassou und anderen Städten mit etwa 100.000 Teilnehmer_innen über Erwarten groß. Mehrere Anfang des Jahres aus der Regierungspartei CDP (Congrès pour la Démocratie et le Progès) ausgetretene prominente Politiker_innen – darunter drei Gründungsmitglieder – nehmen daran teil. Es ist von einem „historischen Tag“ die Rede.
Sonntag, 29. Juni 2014
Eine Großdemonstration in Ouagadougou gegen den geplanten „Verfassungsputsch“ beginnt am Morgen ohne Zwischenfälle, wird aber an der Bannmeile der Avenue de l´Indépendance von der Polizei gewaltsam mit Tränengas aufgelöst. Zahlreiche Personen werden verletzt.
Samstag, 23. August 2014
Erneute Großdemonstration in Ouagadougou, die sich nicht allein gegen eine erneute Bewerbung von Compaoré um das Präsidentenamt 2015 richtet, sondern auch gegen Campaorés dunkle Machenschaften zu seinem Machterhalt. Hintergrund ist die offensichtliche Ermordung des dissidenten Verfassungsrichters Salifou Nébié am 25. Mai 2014. Der Richter war auf einer Überlandstraße tot aufgefunden worden. Der bis zu seiner Beerdigung am 09.06.2014 geheim gehaltene Autopsiebericht führte die Todesursache auf mehrere schwere Verletzungen aufgrund eines Autounfalls zurück. Nach Aussagen aus Kreisen seiner Familie hatte der Richter jedoch um sein Leben gefürchtet, nachdem er sich mit Campaoré überworfen hatte. Denn als einer von neun Verfassungsrichtern hatte er eine Änderung des Artikels 37 abgelehnt.
Montag, 20. Oktober 2015
Nach dem Scheitern eines von Compaoré inszenierten politischen Dialogs zwischen Regierungsvertretern und Opposition setzt er bei einer außerordentlichen Ministerratssitzung eine Gesetzesvorlage zur Änderung des Artikel 37 durch. Der Ministerrat gibt bekannt, dass die Abstimmung über die Verfassungsänderung am Donnerstag, den 30. Oktober, in der Nationalversammlung stattfinden soll.
Dienstag, 21. Oktober 2014
Seit der Bekanntgabe des Abstimmungstermins in der Nationalversammlung finden täglich Kundgebungen in der Hauptstadt Ouagadougou statt. Sprecher_innen der außerparlamentarischen Opposition rufen zum zivilen Ungehorsam auf. Mit Straßensperren legen sie den Verkehr lahm. In den folgenden Tagen werden diese Straßenblockaden mit Unterstützung der AktivistInnen von Le Balai Citoyen 8 und des Collectif anti-référendum (CAR) immer besser organisiert. Die Gruppen rufen für die Woche vom 24. bis 30. Oktober zum zivilen und gewaltfreien Ungehorsam und zum Fernbleiben von der Arbeit auf. Daneben gibt es Platzbesetzungsversuche und Mobilisierungskonvois durch die Stadtviertel. Damit soll Druck auf die Abgeordneten der Nationalversammlung ausgeübt werden, gegen die Verfassungsänderung zu stimmen. Die Erziehungsministerien ordnen für die Zeit vom 27. Oktober bis zum 1. November die Schließung der Schulen, Gymnasien und Universitäten an, um ein organisiertes Auftreten der Schüler_innen und Student_innen zu erschweren, was aber das Gegenteil bewirkt. 9
Montag, 27. Oktober 2014
Am Abend demonstrieren Hunderte mit Teigschabern „bewaffnete“ Frauen vor dem Maison du Peuple 10. Mit ihrer Sprecherin, der aus der Regierungspartei CDP ausgetretenen Abgeordneten Saran Séréme, die mehr als ein Jahr zuvor eine neue Oppositionspartei gegründet hatte, durchbrechen sie Polizeisperren, um zu dem Kundgebungsort zu gelangen.
Später formieren sich die ersten größeren Demonstrationen. In der Nacht versuchen vornehmlich jugendliche Demonstrierende eine der wichtigsten Straßen des Landes, die von der Hauptstadt nach Bobo-Dioulasso führt, zu blockieren. Als Polizeieinheiten dies unter Einsatz von Tränengas verhindern wollen, kommt es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen, bei denen Steine auf die Sicherheitskräfte fliegen.
Dienstag, 28. Oktober 2014
In mehreren Städten des Landes finden seit dem Morgen Kundgebungen statt, zu denen das Oppositionsparteien-Bündnis CFOP und Organisationen der außerparlamentarischen Opposition aufgerufen haben. In Ouagadougou gehen mehrere Hunderttausende auf die Straße, die Opposition spricht von einer Million (Burkina Faso hat etwa 19,5 Mio. Einwohner_innen, die Hauptstadt fast 1,5 Mio.). Es ist die bis dahin größte Demonstration in der Geschichte des Landes. Der Zug bewegt sich ab 9.30 Uhr zum zentralen Platz der Nation. Auf den mitgeführten Plakaten und Spruchbändern wird der Rücktritt von Blaise Campaoré gefordert, es ist zu lesen: “Blaise hau ab!“, „Blaise: Ebola von Burkina Faso“ oder „Finger weg von Artikel 37!“.
Es sind so viele Menschen gekommen, dass die Demonstrierenden in die Zufahrtsstraßen ausweichen müssen, weil der große Platz nicht alle aufnehmen kann. Aktivist_innen taufen ihn wieder auf den Namen Platz der Revolution um, wie er schon nach der Regierungsübernahme Thomas Sankaras in den Jahren 1983-87 benannt worden war. Die Balai Citoyen wollen ein Protestcamp aufbauen. Nachdem Sicherheitskräfte eintreffen, geben sie den Plan auf, um eine Gewalteskalation zu vermeiden. Als einige Tausend sich weiter in Richtung des Parlamentsgebäudes bewegen, werden sie von Sicherheitskräften mit Tränengas und Wasserwerfern gestoppt. Dabei kommt es zu Verletzten. Die Demonstrierenden wehren sich mit Steinen und zünden Autoreifen an. Die Auseinandersetzungen dauern bis zum Abend an.
Später durchstreifen Aktivist_innen die Stadtviertel, um die Bevölkerung für den 30. Oktober zu einer Großkundgebung vor der Nationalversammlung zu mobilisieren. Die Gewerkschaften rufen für den nächsten Tag zu einem Generalstreik auf. In Bobo-Dioulasso stürzen Demonstrierende eine Statue von Campaoré vom Sockel.
Die 99 von insgesamt 127 Parlamentsabgeordneten, von denen bekannt ist, dass sie der Verfassungsänderung zustimmen wollen, werden seit dem Vortag im etwa 200 Meter vom Parlament entfernt gelegenen Azalai Hotel Indépendance einquartiert und mit schwerem Geschütz vor Demonstranten abgeschirmt. Das gibt dem Regime die Möglichkeit, sie vor der Abstimmung unter Druck zu setzen, damit sie ihre Meinung unter dem Eindruck des massiven Widerstandes der Bevölkerung nicht noch kurzfristig ändern. Außerdem existiert zwischen dem Hotel und dem Parlamentsgebäude ein Geheimgang, durch den sie ungestört zur Abstimmung gelangen sollen.
Mittwoch, 29. Oktober 2014
Der Generalstreik wird weitgehend befolgt. Die Aktivist_innen von Balai Citoyen setzen den ganzen Tag über ihre Mobilisierungskonvois durch die Stadtviertel fort und versuchen gegen Abend erneut, den Platz der Revolution zu besetzen. Sie werden jedoch gewaltsam von den Ordnungskräften daran gehindert. Oppositionssprecher_innen fordern die Bevölkerung dazu auf, am Tag der Abstimmung von ihrem Recht auf Teilnahme an der öffentlichen Sitzung der Nationalversammlung Gebrauch zu machen. In einer Verlautbarung ruft die sankaristische Partei Front Progressiste Sankariste zum Volksaufstand auf.
Bei den für Repression und Aufstandsbekämpfung Verantwortlichen des Regimes kommt Besorgnis auf: werden die Sicherheitskräfte überhaupt in der Lage sein, die Massen aufzuhalten, falls sie ernst machen und das Parlament stürmen sollten? Polizei- und Gendarmerieführung sind der Auffassung, dass dazu allein die Armee in der Lage wäre. Aber seit der großen Meuterei im Jahr 201111 hat die Regierung aus Sorge vor neuen Aufständen in den Kasernen fast alle Einheiten aus der Hauptstadt abgezogen und auf das ganze Land verteilt. Mehrere Einheiten wurden zu sog. Friedenseinsätzen der UNO und der AU12 ins Ausland u.a. nach Mali und in den Sudan geschickt. Die in Ouagadougou verbliebenen Einheiten wurden ebenfalls aus Angst vor Meuterei weitgehend entwaffnet. Davon sind etwa 2.000 Mann bereits in Bobo-Dioulasso, um am „Armee-Fest“ teilzunehmen, das jedes Jahr am 1. November dort stattfindet. Es bleiben nur die schlecht ausgerüsteten Polizisten und Gendarmen, eine Armee-Einheit, die sich gerade auf einen Sudan-Einsatz vorbereitet und die Präsidentengarde RSP (Régiment de la Sécurité Présidentielle). Der Vorschlag eines Ministers, die Abstimmung am folgenden Tag von zehn Uhr auf acht Uhr vorzuverlegen wird ebenso zurückgewiesen, wie die Mahnung der CEDEAO13, das Projekt der Verfassungsänderung zurückzuziehen.
Bei einem geheimen Treffen von Repräsentant_innen der Oppositionsparteien mit Exponent_innen außerparlamentarischer Organisationen wird ein Plan für die Verhinderung der Abstimmung am morgigen Donnerstag entwickelt. Mit von Händlern und Geschäftsleuten gespendeten Geldern sollen möglichst viele Jugendliche, aber auch wegen der Meuterei im Jahr 2011 entlassene Soldaten rekrutiert werden. Außerdem werden davon Steinschleudern, Schlagstöcke und ähnliche „Waffen“ beschafft. In der Nacht werden überall in Ouagadougou, aber auch in den anderen großen Städten des Landes Molotow-Cocktails fabriziert und Lagepläne verteilt, in denen die Gebäude markiert sind, die angegriffen werden sollen. Dabei handelt es sich um die Häuser und Geschäfte im Besitz von Angehörigen des Regimes. Aufgaben und Zuständigkeiten für Viertel und Straßenzüge werden aufgeteilt.14
Donnerstag, 30. Oktober
Am Morgen geht alles sehr schnell. Der Sicherheitsapparat blockiert den Platz der Revolution. Die Masse der Demonstrierenden ist immens. Gendarmerie und Polizei, die den Befehl hatten, nicht auf Menschen zu schießen, und denen „nur“ Tränengas, Wasserwerfer und leichte Panzerwagen zur Verfügung stehen, sind dagegen machtlos. Sie weichen mehrfach zurück. Um neun Uhr sind die Ordnungskräfte am Kreisverkehr der Vereinten Nationen eingeschlossen, nur einige hundert Meter von der Nationalversammlung entfernt. Der Plan der Oppositionellen scheint aufzugehen: Kleingruppen provozieren die Ordnungskräfte, mit Tränengas zu schießen. Die Gasschwaden verlangsamen zwar das Vorankommen des Demonstrationszuges, aber bald ist der Vorrat an Gasgeschossen aufgebraucht.
Die RSP, die vor der Nationalversammlung postiert ist, hat ebenfalls den Befehl, nicht auf Menschen zu schießen. Falls nötig, sollen Warnschüsse in die Luft abgegeben werden, was auch geschieht. Doch die Aufständischen lassen sich davon nicht abschrecken. Mit erhobenen Armen gehen sie langsam weiter, die Präsidialgardisten der RSP ziehen sich zurück. Schließlich überwindet der Demonstrationszug die letzte Sicherheitssperre. Der Weg zum Parlamentsgebäude ist frei! Demonstrierende dringen in das Gebäude ein. Kurz darauf, um 9.30 Uhr, dringt schwarzer Rauch aus der Nationalversammlung. Wie geplant wurde Feuer gelegt. Im Plenarsaal kommt Panik auf, die Sitzung wird abgebrochen und die Abgeordneten bringen sich in Sicherheit. Die Aufständischen stürmen das Gebäude, zerstören die Symbole der Macht und eignen sich an, was brauchbar ist. Auch die Lobby des Hotels Azalay wird gestürmt und samt der angrenzenden Boutiquen geplündert. Luxuswagen auf dem Parkplatz werden angezündet.
Es kommt zu hektischen Telefonaten und Diskussionen innerhalb des Regierungsapparats und der Regierungspartei CDP, wie mit der prekären Situation umzugehen sei.
Derweil greifen Kleingruppen die am Vortag festgelegten Ziele an: die staatlichen Fernseh- und Rundfunkstudios werden besetzt, der Sitz der CDP wird verwüstet, Häuser und Geschäftsräume des Campaoré-Clans und anderer hoher Repräsentant_innen des Regimes werden geplündert, zum Teil in Brand gesetzt. So werden u.a. die Villen des Generalsekretärs der Präsidentenpartei CDP und des „kleinen Präsidenten“, des Bruders und Wirtschaftsberaters des Präsidenten, François Campaoré, der im Vorstand mehrerer Staatsunternehmen und privater Lebensmittelkonzerne saß, gestürmt. Ford-Händler in Ouagadougou und die Goldmine von Bissa im Südwesten der Hauptstadt, an der der Präsidentenbruder ebenfalls beteiligt war, werden geplündert. Dasselbe Szenario läuft auch in den anderen großen Städten Burkina Fasos ab. Parallel zum Aufstand treten die Bergarbeiter gegen ihre miserablen Arbeitsbedingungen und niedrigen Löhne in den Ausstand. Bei der Demonstration werden nicht nur Parolen gegen das Campaoré-Regime gerufen, sondern auch soziale Forderungen: „Wir wollen Frieden und Gesundheit: Medikamente zu bezahlbaren Preisen! Schule, Arbeit für die Jugend und richtige Berufe!“ 15
Während der Demonstrationszug weiter in Richtung des einige Kilometer außerhalb des Stadtzentrums im Reichen-Stadtteil Ouaga 2000 16 gelegene Präsidentenpalastes (Palais de Kosyam) zieht, drängen mittlerweile selbst Getreue Campaorés darauf, das Projekt der Verfassungsänderung zurückzunehmen und die Macht dem Militär zu übergeben.
Um 13 Uhr verkündet der Premierminister nach Beratungen von Kabinettsmitgliedern und Campaoré mit dem Chef des Generalstabs, Honoré Traoré, dass das Projekt der Verfassungsänderung aufgegeben sei und ruft den Notstand aus.
Die Demonstrierenden fordern längst nicht mehr bloß den Verzicht auf die Verfassungsänderung, sondern den Rücktritt Campaorés. „Blaise Campaoré dégage!“ „Blaise va t’en!“ _ „Blaise tritt zurück, verschwinde!“ – wird skandiert und hundertfach auf Transparente, Schilder und Mauern geschrieben. Gegen 14 Uhr wird der Demonstrationszug an einer Straßensperre auf der Höhe des Hotels Laico von der RSP mit Schüssen in die Menge gestoppt, es gibt etliche Verletzte. Doch die Demonstrierenden gehen langsam mit erhobenen Armen und die Nationalhymne singend weiter. Die RSP kapituliert vor der Menge und weicht nach und nach zurück. In einem anderen Stadtviertel fallen Schüsse vor dem Haus des Präsidentenbruders François Campaoré. Angehörige seiner schwer bewaffneten Privatgarde schießen auf die Demonstrierenden, von denen mehrere tödlich getroffen werden.
Der große Demonstrationszug rückt bis auf 400 Meter zum Präsidentenpalast vor. Gegen 16 Uhr empfängt Campaoré Repräsentant_innen der Aufständischen, die seinen Rücktritt fordern. Er antwortet, er habe verstanden und werde am Abend eine Erklärung abgeben. Danach ziehen sich die Demonstrierenden wieder zum Platz der Revolution zurück.
Für den Generalstab des Militärs hat die Aufrechterhaltung der Einheit der Armee oberste Priorität, er steht unter Zugzwang. Der König der Mossi, der größten Bevölkerungsgruppe Burkina Fasos, fordert den Generalstab zur Machtergreifung auf. In einer Fernsehansprache am Nachmittag erklärt Generalstabschef Honoré Traoré die „Suspendierung“ der Institutionen, um “in Abstimmung mit allen Kräften die Bedingungen für eine Rückkehr zur Verfassungsordnung innerhalb von zwölf Monaten vorzubereiten“ – faktisch ein Militärputsch.
Um 20.15 Uhr verkündet Campaoré auf einem privaten TV-Kanal nicht seinen Rücktritt, sondern neben der Aufhebung des Ausnahmezustands lediglich, dass er die Regierung aufgelöst habe und er verspricht, die Macht an die Gewinner der nächsten Wahlen zu übergeben. Die Aufständischen fühlen sich hintergangen, sie vermuten ein abgekartetes Spiel zwischen Campaoré und dem Militär. Sie rufen unter dem alten Sankara-Slogan „Vaterland oder Tod, das Volk wird siegen!“ dazu auf, am nächsten Tag wieder auf die Straße zu gehen, und zwar solange, bis der Präsidentenpalast „befreit“ ist.
Freitag, 31. Oktober 2014
Mit der Erklärung vom Vorabend hat Campaoré Öl ins Feuer gegossen, es gibt nur noch die Alternative: Rücktritt oder Blutbad. Doch weder Armee noch RSP sind bereit, den „Bluthund“ zu geben.
Um acht Uhr sammeln sich die Demonstrierenden wieder auf dem Platz der Revolution. Sie wollen den Rücktritt Campaorés erzwingen und fordern ein Gespräch mit Verantwortlichen der Armee. Um 9 Uhr wird eine Delegation von fünf Repräsentanten der außerparlamentarischen Opposition von einer Gruppe Offizieren empfangen. Dabei handelt es sich um den Rechtsanwalt Kam Hervé und Smockey von Balai Citoyen, Hervé Ouattara vom CAR und die Professoren Lac Ibriga und Augustin Loada. Sprecher auf Seiten der Militärs ist der Chef des Generalstabs Honoré Traoré.
Damit wird Campaoré und seinem Umfeld endgültig klar, dass die Armee nicht eingreifen wird. Um 11.30 Uhr wird einem privaten TV-Sender die Rücktrittserklärung Campaorés überbracht. Eine halbe Stunde später verlässt Campaoré unter dem Schutz der RSP den Präsidentenpalast und fährt mit seiner Entourage in einem Autokonvoi in Richtung Pô in der Nähe der ghanaischen Grenze. Als bekannt wird, dass dort bereits Demonstrierende den Konvoi erwarten und blockieren wollen, bringt ein Hubschrauber der französischen Armee Campaoré zum französischen Militärstützpunkt in Fada N’Gourma, von wo aus er mit einem Flugzeug in die Elfenbeinküste geflogen wird. In den folgenden Tagen macht sich ein Schwarm von hohen Repräsentant_innen des alten Regimes an Bord zweier Privatjets aus dem Staub.
Als am frühen Nachmittag die Rücktrittserklärung Campaorés verlesen und durch einen Militärsprecher „offiziell“ bestätigt wird, bricht unter den Demonstrierenden und in den Straßen Ouagadougous überschwänglicher Jubel aus. Die Nachricht verbreitet sich rasend schnell im ganzen Land. Um 17.30 Uhr erklärt sich Armeechef Traoré zum Übergangspräsidenten und gibt bekannt, dass bis in spätestens 90 Tagen Wahlen abgehalten werden sollen. Dieser Ankündigung der Militärs waren Gespräche mit den Oppositionsparteien vorausgegangen, an denen auch der Oppositionsführer Zéphirin Diabré, teilgenommen hatte. Aber vor allem die Gruppen der außerparlamentarischen Opposition sind mit der vorübergehenden Machtübernahme der Militärs nicht einverstanden. Sie gehen noch nicht nach Hause.
Samstag, 01. November 2014
Bei Sonnenaufgang rücken unzählige Aktivist_innen mit Besen und Schaufeln an und beseitigen auf Straßen und Plätzen die Spuren der Plünderungen und Brände.
In der Nacht hat der Führungsstab der Armee Oberstleutnant Isaac Yacouba Zida zum Übergangspräsidenten bestimmt. Er ist die Nr. 2 der RSP und im Gegensatz zu General Honoré Traoré in der Bevölkerung nicht für eine allzu große Nähe zu Campaoré bekannt. Außerdem hatte sich Zida Berichten zufolge geweigert, der Präsidialgarde RSP zu befehlen, das Feuer auf die Demonstrierenden zu eröffnen, als die sich dem Präsidentenpalast weiter genähert hatten, weswegen er in Teilen der Protestbewegung einen gewissen Respekt genießt. Diese im Alleingang getroffene und als Putsch bewertete Entscheidung des Militärs wird noch am selben Tag von der außerparlamentarischen Opposition, durch Oppositionssprecher_innen und aus dem Ausland (USA, UNO, Afrikanische Union und CEDEAO) scharf kritisiert. Sanktionen gegen Burkina Faso werden angedroht, falls kein ziviler Übergangspräsident eingesetzt wird.
Erneut versammeln sich Tausende Menschen versammeln am Morgen auf dem Platz der Revolution in Ouagadougou und schwenken Transparente mit Aufschriften wie „Gegen die Beschlagnahme unseres Sieges, es lebe das Volk!“ oder „Zida, hau ab!“. Anschließend marschieren sie zur Sendezentrale des Staatsfernsehens, die die Armee zuvor wieder unter ihre Kontrolle gebracht hatte, um die Übergabe der Macht an eine zivile Regierung zu fordern. Soldaten der RSP schießen vor dem Sendegebäude in die Luft, um die Demonstrierenden zu vertreiben.
Sonntag, 02. November 2014
Nach einem Aufruf der Oppositionsparteien gehen am Morgen wieder Tausende in Ouagadougou auf die Straßen, um auf dem Platz der Revolution gegen die Machtübernahme des Militärs zu protestieren. „Der Sieg dieses Aufstands und die Kontrolle über den Übergangsprozess gehört dem Volk“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung der parlamentarischen und außerparlamentarischen Oppositionsgruppen. „Er darf unter keinen Umständen von der Armee gestohlen werden.“
Die Armee löst die Demonstration mit Tränengasgranaten und Schüssen in die Luft auf. Soldaten riegeln anschließend den zentralen Platz ab. Ein Demonstrant wird vor dem Gebäude der Rundfunkanstalten durch eine Kugel der Sicherheitskräfte – wahrscheinlich ein Irrläufer – getötet. Später räumt die Armee auch den Platz der Revolution.
Montag, 03. November 2014
Der selbsternannte Übergangspräsident Zida trifft sich mit Sprecher_innen der großen Oppositionsparteien, um die Bildung einer Übergangsregierung zu diskutieren. Er kündigt den Rückzug der Armee von der Staatsspitze unter bestimmten Bedingungen an.
Die Opposition fordert die Ausarbeitung einer „Übergangscharta“, eines Fahrplans zur Rückkehr zur Demokratie.
Die Afrikanische Union setzt der Militärregierung eine Frist von zwei Wochen, um die Macht an eine zivile Übergangsregierung zu übertragen. Ähnliche Forderungen kommen aus den USA und von der EU.
Mittwoch, 05. November 2014
Großeinsatz internationaler und nationaler Vermittler. Die Präsidenten Nigerias, Ghanas und Senegals sowie der zum Sondervermittler der Afrikanischen Union ernannte Ex-Premier Togos, Edem Kodjo, beteiligen sich an den Krisengesprächen. Die Opposition hat die Proteste für die Zeit der Verhandlungen ausgesetzt.
Am Abend wird eine gemeinsame Erklärung von Vertreter_innen des Militärs, der Oppositionsparteien sowie der außerparlamentarischen Opposition und der größeren Ethnien und der Religionsgemeinschaften veröffentlicht. Danach sollen im November 2015 Präsidentschafts- und Parlamentswahlen durchgeführt werden. Die Übergangsregierung soll von einer allgemein anerkannten zivilen Persönlichkeit geleitet werden.
Namhafte Unterstützer_innen des geflüchteten Ex-Präsidenten Campaorés, die u.a. zu Demonstrationen aufgerufen hatten, werden festgenommen.
Freitag 14. November 2014
Zwei Wochen nach dem Sturz Campaorés einigt sich das Militär mit den Oppositionsparteien, den außerparlamentarischen Oppositionsgruppen sowie den traditionellen und religiösen Autoritäten auf ein Übergangsabkommen. Der einstimmig beschlossenen Charta zufolge soll ein spezielles Wahlgremium einen zivilen Übergangspräsidenten bestimmen, der wiederum einen Interimsregierungschef einsetzt, welcher einem 25-köpfiges Interimskabinett vorsitzen soll.
Daneben soll ein 90-köpfiges Übergangsparlament konstituiert werden. Die Zusammensetzung: 40 Sitze für die Parteien, davon zehn für das Campaoré-Lager; 30 Sitze für die bisherige Opposition; außerparlamentarische Opposition und Militär erhalten je 25 Sitze. Entgegen den Wünschen der Militärs soll das Übergangsparlament auch Gesetze verabschieden können.
Sonntag, 16. November 2014
In einem Staatsakt im Maison du Peuple wird die Magna Charta des Übergangs vor tausend Burkiner_innen verlesen, mit Ovationen gutgeheißen und unterzeichnet. Die Charta versteht sich als Ergänzung zur burkinischen Verfassung von 1991. Zu ihren Besonderheiten gehört, dass in künftigen Staatsorganen kein Mitglied der alten Regierung vertreten sein darf und niemand, der sich zugunsten der Änderung des Artikel 37 ausgesprochen hat. Des Weiteren kommt durch die ausgehandelten Regularien und die Bildung entsprechender Untersuchungsausschüsse wie u.a. einer „Wahrheitskommission“ das Bemühen zum Ausdruck, die bislang dominanten Parteien nicht gänzlich aus dem politischen Prozess auszuschließen und die Aufklärung und Verfolgung der unter dem alten Regime begangenen Verbrechen tatsächlich in Angriff zu nehmen.
Zida erklärt in seiner Rede, das Volk habe gesiegt, und es bestehe jetzt die Gelegenheit, zu den revolutionären Idealen von 1983 zurückzufinden – damit bezieht er sich auf die Machtergreifung Thomas Sankaras.
Ein aus je fünf Vertreter_innen der oben genannten gesellschaftlichen Sektoren zusammengesetztes Komitee bestimmt nach einer Marathonsitzung in der Nacht zum Montag den 72-jährigen Berufsdiplomaten Michel Kafando zum Übergangspräsidenten.
Mittwoch, 19. November 2014
Das Übergangsparlament konstituiert sich. Die 25 neuen Minister_innen werden ernannt. Isaac Zida wird Übergangsministerpräsident und Verteidigungsminister. Insgesamt gehören der Übergangsregierung vier Militärs an, vier Ministerposten sind mit Frauen besetzt.
Auf heftigen Protest stößt später die Berufung von Adama Sagnon zum Kulturminister. Er war maßgeblich an der Schließung der „Akte Norbert Zongo“ im Jahr 2007 beteiligt. Nach nicht einmal zwei Tagen im Amt tritt er als Minister zurück. Der Minister für Infrastruktur, Moumouni Djiuguemde, tritt ebenfalls nach wenigen Wochen zurück. Ihm wird vorgeworfen, dass er Bauaufträge nicht nach dem vorgeschriebenen Verfahren vergeben hat.
Montag, 24. November 2014
Die erste Sitzung des Übergangskabinetts findet statt. Neben der Ankündigung einer „Vielzahl von Reformen“ wird als erste Maßnahme der Korruptionsbekämpfung beschlossen, dass sämtliche Chefs der staatlichen Betriebe und Institutionen ausgetauscht und die alten Bürgermeister_innen ihrer Ämter enthoben werden.
Präsidentschafts- und Parlamentswahlen sollen am 11. Oktober 2015 stattfinden, Kommunalwahlen im Januar 2016.
Dienstag, 02. Dezember 2014
Feierliche Ehrung der 24 Opfer des Aufstandes. Sechs von ihnen werden in Gegenwart des Übergangspremiers und anderen Mitgliedern der Übergangsregierung beerdigt. Die Angehörigen fordern eine Untersuchung der Todesumstände und dazu, wer für die Tötungen verantwortlich war. Daneben wurden im Zusammenhang mit dem Aufstand 625 Verletzte gezählt.
In den Monaten nach dem Sturz des alten Regimes macht sich nach und nach Unzufriedenheit breit, da sich die wirtschaftlichen Verhältnisse nicht verbessert, sondern teilweise sogar verschlechtert haben. Hoffnungsvolle Aufbruchstimmung, Ernüchterung und die Befürchtung eines gewaltsamen Rollbacks liegen nahe beieinander.17 Angespornt durch die kollektiven Selbstermächtigungsprozesse während der „Okober-Revolution“ kommt es zu Protesten und Streiks wegen Nichtauszahlung von Löhnen, zu hoher Preise oder Entlassungen – aber auch gegen Versuche, die neu gewonnenen gesellschaftlichen Gestaltungsräume wieder einzuschränken.
Am 07.02.2015 demonstrieren Zehntausende für die Auflösung der Präsidentengarde RSP. Außerparlamentarischen Gruppen hatten dazu aufgerufen, weil die Eliteeinheit den Rücktritt des Ministerpräsidenten gefordert hatte. Sie ist mit seinen Personalentscheidungen nicht einverstanden und fordert Bonus-Zahlungen. Ministerpräsident Zida muss vorsichtshalber Asyl beim Mossikönig suchen.
In der zweiten Aprilwoche 2015 findet ein Warnstreik statt, um die Übergangsregierung zu veranlassen, etwas gegen die galoppierende Teuerung zu unternehmen. Der eintägige Streik wird zwar unterschiedlich befolgt, die regional niedrigste Beteiligung liegt aber immer noch bei über 80%. Schulen, Krankenhäuser und soziale Dienste weisen die stärkste Beteiligung auf. Auch an den überall im Land stattfindenden Demonstrationen und Kundgebungen beteiligen sich Zehntausende. Die Koalition gegen das teure Leben (CCVC) betont, das sei erst der Anfang des Kampfes, falls die Regierung nicht reagiere. 18
1s. izindaba-Nachricht vom 23.012015
2 Kommentar von NZZ 21.11.2014
3 Bettina Engels hat dies in mehreren Aufsätzen beschrieben: „Wenn Du den Esel nicht schlägst …“ Hungeraufstände und gewerkschaftlicher Protest gegen hohe Lebenshaltungskosten in Burkina Faso. In: Peripherie Nr. 129, S.39-57, ; Hungeraufstände und Kämpfe gegen hohe Preise. In: Prokla, Heft 170 S. 5-22; „Glokale“ Kämpfe: Konflikte um hohe Nahrungsmittelpreise in Burkina Faso. In: Forschungsjournal Soziale Bewegungen Heft 3 – September 2014. S. 61-69; „Trop, cést trop!“ nach langem Kampf verzeichnen Burkina Fasos soziale Bewegungen nun Erfolge. In: iz3w, Heft Nr. 329, S. 6-7
4 Ende Februar 2008 fanden innerhalb einer Woche in den vier größten Städten Burkina Fasos (Ouagadougou, Bobo-Dioulasso, Bnanfora Ouahigouya) Hungeraufstände statt.
5 s. izindaba vom 27.03.2011
6 s. izindaba vom 11.06.2012
7 Burkina ist ein Wort aus dem Mooré und bedeutet soviel wie Würde, Anstand, Unbestechlichkeit. Es ist ein zentraler Begriff in der Ethik der Mossi, der größten Bevölkerungsgruppe des Landes. Faso heißt freies Land, Freiheit, Republik und stammt aus der zweitgrößten Sprachgruppe, dem Dioula. Die Einwohner_innen des Landes heißen Burkinabe, wobei die Endung be, die betont wird, der dritten großen Sprachgruppe, dem Fufulbe entlehnt ist.
8Zu Le Balai Citoyen und anderen am Umsturz beteiligten Organisationen und Akteuren siehe unten: „Schwerpunkt Extra“
9Peter Stepan: Die burkinische Revolution, in: Lettre International 108, S. 44 ff.
10Das Maison du Peuple, das Haus des Volkes ist die größte Veranstaltungshalle in Ouagadougou mit 2.500 Plätzen
11 siehe unten „Extra“: Die beteiligten Akteur_innen: Armee
12Afrikanische Union
13 CEDEAO = Communauté économique des États de l’Afrique de l’Ouest = Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft / englisch: Economic Community of West African States, kurz ECOWAS ; Wirtschaftsgemeinschaft von derzeit 15 Staaten Westafrikas, s.: http://de.wikipedia.org/wiki/Westafrikanische_Wirtschaftsgemeinschaft
14Jeune Afrique, Nr. 2809 vom 9.-15. November 2014, S. 20 ff.
15Anne Frintz: „Land der Unbestechlichen“, in: le monde diplomatique, Dezember 2014
16 Ouaga 2000 ist ein Stadtviertel im Süden der Hauptstadt und wurde als moderne Erweiterung Ouagadougous geplant. Dort befinden sich neben privat gebauten Villen ein Botschaftsviertel, neue Ministerien, der neuer Präsidentenpalast (Palais Kosyam), ein Nationaldenkmal (Mémorial aux héros nationaux), der Palais des Sports de Ouaga 2000 und ein von Libyen finanzierter Hotelkomplex. Außerdem wurde ein Kongresscenter gebaut. Das Projekt ist ein betont luxuriöses Viertel und manifester Ausdruck der eklatanten sozialen Ungleichheit.
17Hans-Georg Eberl und Moussa Ouédrago: Ungewisse Übergangsphase, in: ak – analyse & kritik Nr. 602, 17.02.2015
18LabourNet Germany: Gewerkschaften und soziale Organisationen: Gemeinsam gegen die Teuerung in Burkina Faso – und für Demokratie.“, aufgerufen am 21.04.2015