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Frühling der Studierenden-Revolten

In mehreren afrikanischen Staaten kommt es zur Zeit zu Auseinandersetzungen auf den Campi der Universitäten. Meist stehen studentische Forderungen im Mittelpunkt, aber die Kämpfe in Südafrika sind ein gutes Beispiel dafür, wie daraus schnell allgemeine soziale Forderungen entstehen können.

  1. Südafrika, Frühjahr 2016

In Südafrika weiten sich im Frühjahr 2016 Studierendenproteste aus. Sie richten sich nicht nur gegen die Bildungspolitik und die Arbeitsbedingungen an den Universitäten, sondern auch gegen das Erbe von Kolonialismus und Apartheid. An vielen Universitäten kommt es zu immer mehr gewalttätigen Auseinandersetzungen; Gebäude werden umbenannt, zum Teil aber auch in Brand gesteckt.

Bereits in der zweiten Jahreshälfte 2015 hatten sich südafrikanische Studierende mit Protestmärschen und Besetzungen erfolgreich gegen die Erhöhung der Studiengebühren zur Wehr gesetzt (siehe: Jungle World 45/2015).

Nach ihrem Erfolg ist die Bewegung aber nicht abgeflaut, sondern hat soziale Forderungen aufgegriffen, wie die Regelung des Zugangs zu den Universitäten für Unterprivilegierte sowie den arbeitsrechtlichen Status ihrer Beschäftigten. Zudem werden die Zusammensetzung des mehrheitlich weißen Lehrkörpers sowie die Inhalte des Studiums kritisiert, die nach wie vor vielfach einen europäischen Blick auf Afrika reproduzieren. Auch das institutionelle Erbe von Kolonialismus und Apartheid, das sich in der Gestaltung und Benennung der Universitäten niederschlägt, ist Thema.

Am 20.4. streikten Studierende gegen die „Vergewaltigungskultur“ auf dem Campus in Südafrika aber auch in anderen Ländern wie indien und UA gestreikt1.

Ebenfalls zentral sind Fragen der Sprachpolitik: Die Studierenden kritisieren die privilegierte Stellung, die Afrikaans entgegen allen demographischen Verhältnissen an einigen Universitäten nach wie vor einnimmt. Unter dem Hashtag #Afrikaansmustfall wurde nun an ehemals rein afrikaanssprachigen Universitäten für die vollständige Ersetzung von Afrikaans durch Englisch beziehungsweise die Erteilung von Lehre in afrikanischen Sprachen agitiert2.

Waren bereits die Proteste des vergangenen Jahres vielschichtiger, als das Hashtag #Feesmustfall suggerierte, so scheint es bei den derzeitigen Forderungen nach »Dekolonisierung« der Universitäten zuweilen, als ob sich die Protestierenden zum Teil selbst nicht ganz einig sind, was sie unter dem Begriff verstehen. Offenkundig bricht sich hier die Unzufriedenheit der Generation der nach Ende des Apartheid-Regimes Geborenen3 mit dem faulen Kompromiss Bahn, auf dem das neue Südafrika beruht. Denn jenseits der ihnen eingeräumten formalen politischen Rechte hat sich an der sozialen Realität der Mehrheit der schwarzen Südafrikaner zu wenig geändert4.

  1. Universität Nairobi, April 2016

An der Universität in Nairobi gingen Anfang April die Studierenden auf die Barrikaden, um die Wahl ihres Studierendenvertreters anzufechten. Babu Owino, der das Amt bereits drei Wahlperioden inne hatte, gewann laut offiziellen Ergebnis die Wahl gegen seinen Kokurrenten Mike Jacobs klar mit 15.000 zu 3.000 stimmen. Das verwunderte die Studierenden sehr, lag doch bei Umfragen stets Jacobs deutlich vorne.

Neben Wahlfälchung wurde Owino “Hooliganismus” vorgeworfen, nachdem ein Video aufgetaucht war, auf dem er Jacobs angegriffen hatte. Außerdem wude Owino vorgeworfen, Geld von der Universitätsverwaltung bekommen zu haben, um Studierende zu schmieren.

Am Freitag dem 1. April blockierten die Studierenden zwei Stadtautobahnen. Als sie von der Poizei auf den Campus zurück getrieben wurden, setzten sie dort das Gebäude der Studierendenvertretung in Brand. Am nächsten Tag, als erneu Straßen blockiert wurden, nahm die Polizei 30 Studierende fest, die aber noch am selben Tag wieder freigelassen wurden5.

  1. Universität in Cocody, April 2016

An der Universität in Cocody (Cote ‚Ivoire) ging die Pozei am Montag den 11. April gegen Sudierende vor, die sich an einem Streik beteiligen wollten. Der Protest richtete sich gegen die schlechte Ausstattung der Universität, gegen die Repression und dagegen, dass wegen der Jeux de la Francophonie6 7.000 Studierende ihre Unterkunft verlieren. Die Bilanz: 35 Festnahmen, 15 verwundete Studierende. In der Nacht von Mittwoch auf Donnertag kam es erneut zu Ausschreitungen, Festnahmen und Verletzten7.

  1. Sudan, April 2016

An mehreren Universitäten im Sudan demonstrierten tausende Studierende nach dem Tod eines Sudenten in Nord-Kordofan im Zentral-Sudan .

Am Montag, 18.4. wurde Abubakar Hassan, 18, an der Kordofan Universität erschossen, nachdem Geheimdienstler das Feuer auf friedlich demonstrierende Studierende erföffnet hatten. Die Demonstrierenden wollten zum Gebäude der Studierendenvertretung ziehen, um dort ihre oppositionelle Kandidaten für die Campus Wahlen nominieren zu lassen. Weitere 27 Studierende wurden verletzt werden, fünf von ihnen schwer. Ein Student berichtete Amnesty, dass er die Geheimdienstler, bewaffnet mit AK47 Gewehre, in 15 Pickup-Trucks kommen sah. Ohne Vorwarnung begannen sie in die Menge zu schießen. „Die Studierenden fielen um, einer nach dem anderen. Unter ihnen war Hassan.

Am Mittwoch, gingen Studierende aus den Universitäten in Kordofan und der Hauptstadt Khartum auf die Straße, um gegen Hassans Ermordung zu protestieren und aus Solidarität mit seiner Familie. Am folgenden Tag demonstrierten Studierende an der “Roten Meer-Universität” in Ost-Sudan und an der Universität in Nayala, Süd-Darfur. Die Sicherheitskräfte gingen mit scharfer Repression gegen die Deomostrierenden vor und setzten Tränengas ein.

Bereits eine Woche vorher streikten Studierende an der Universität Khartum, weil die Regierung ihre Univerität an einen anderen Ort verlegen will. Auch hier wurden zahlreiche Studierende verletzt, andere verhaftet.

Der Politologe und Autor Fathi El Daw bemekte, dass in den 27 Jahren der Präsidentschaft Omar al-Bashirs, mehr als 100 Studierende an sudanesischen Universitäten getötet wurden. Bashir unterdrücke die Studierende, wegen ihrer politischen Stärke: “Die Studierenden stürzten bereits zwei Diktatoren im Sudan, im Jahr 1964 und im Jahr 1985″. Bereits seit Januar geht die Regierung extrem brutal gegen Studierende in Darfur, Khartum und Kordofan vor. An der El-Geneina Universität in West-Darfur wurde ein Student getötet8.

1 https://sexismclassviolence.wordpress.com/

2 Englisch ist die südafrikanische Alltagssprache und gilt allgemein trotz der britischen Kolonialpolitik am Kap als historisch weniger belastet. Afrikaans ist die Sprache der weißen, ursprünglich aus den Niederlanden eingewanderten “Buren”, ist dem Niederländischen verwandt und wird außerhalb Südafrikas und Namibias nirgendwo verwendet.

1976 hatte sich der Aufstand von Soweto, ein Meilenstein im Kampf gegen das Apartheid-Regime, an der Einführung von Afrikaans als verpflichtender Unterrichtssprache an Schulen entzündet.

3 Die Regierungspartei African National Congress (ANC) ist für viele alte Kämpfer_innen auch auf Grund persönlicher Erfahrungen und Beziehungen, immer noch die Partei des Anti-Apartheidkampf. Für die Generation der derzeit Protestierenden (der sogenannten „Free-Born“) ist sie in erster Linie die Regierungspartei und kann mit seinem Erbe als Befreiungsbewegung kaum punkten

4 Nach Hertz 2016

5 citizentv.co.ke; hivisasa.com; standardmedia.co.ke

6 Die Spiele der Frankophonie (französisch Jeux de la Francophonie) umfassen verschiedene Kunst- und Sportwettbewerbe in französischsprachigen Ländern, die seit dem Jahr 1989 veranstaltet werden (Wikipedia).

7 conectionivoirienne.net; abidjantv.net

8 Guardian, 22.4.2016