Afrika1, mit Ausnahme des Nordens, kommt in der Debatte über globale Protestbewegungen häufig nur am Rande vor. Dabei haben sich seit 2011 auf dem Kontinent zahlreiche Kämpfe ausgebreitet2. Nicht nur Revolten, auch zahlreiche sozialen Bewegungen und stille Kämpfe. Trotz vieler Unterschiedlichkeiten im Konkreten sind diese Kämpfe eine vielstimmige „Antwort“3 auf die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte: brutale und stetige sozialpolitische, ökonomische, technologische und repressiv/ militärische Angriffe des Kapitals. „Africa is rising“, träumt das Kapital – „Africa is uprising“ ist die vielstimmige Antwort, die ihm entgegenschallt4.
Angriffe des Kapitals
Der amerikanische Historiker Frederick Cooper spricht in seinem Essay über „Afrika in einer kapitalistischen Welt“ von einer Geschichte der verhinderten Ausbeutung: „Mein Argument ist, dass die afrikanische Sozialstruktur und die afrikanische Geografie allerdings kapitalistische Herrschaftsbemühungen blockiert haben, genauso wie sie Versuche der afrikanischen Eliten durchkreuzt haben, Macht über Bevölkerungen aufzubauen. Trotz der Machtungleichgewichte haben AfrikanerInnen versucht, Elemente der sich ändernden globalen Strukturen so gut wie möglich zu nutzen. Vieles von dem, mit dem Afrika heute konfrontiert ist – die Beschränktheit seiner wirtschaftlichen Zukunftsaussichten und die herabwürdigenden Begrifflichkeiten in der Debatte um seine Zukunft – ist nicht so sehr eine Folge von ‚Versagen’, sondern des teilweisen Erfolgs einer großen Zahl der Menschen, wirtschaftliche Dominanzbemühungen abzuwehren, sich anzueignen oder umzulenken“5.
Gegen diese Erfolge richtet sich der Terror der kapitalistischen Angriffe. Er greift vor allem deren sozialen Rückhalt an: Verwandtschaftsbeziehungen, Freundschaften, Vieh, die Verfügung über das Land, die „moralische Ökonomie“ der Armen. Dieser Terror soll die Blockierung der kapitalistische Herrschaftsbemühungen aufbrechen und zeigt sich im heutigen Afrika in ganz unterschiedlicher Art und Weise6:
- Die Landbevölkerung wird durch Kriege, Landgrabbing, Zerstörung der ökologischen Lebensbedingungen usw. enteignet und vertrieben. Die Menschen werden von ihrem Land – ihrem wichtigsten Produktionsmittel – getrennt.
- Weite Teile des Kontinent sind geprägt von Repression, Folter, Terror und alle Formen der Gewalt.
- Auf dem Land entstehen neue Formen kapitalistischer Ausbeutungsverhältnisse. Was vorher außerhalb des Marktes stattfand wird kommerzialisiert (z.B. Ernährung, Kleidung, Bildung und Gesundheit).
- Als Folge der Enteignungen, Vertreibungen und der neuen Ausbeutungsverhältnissen breiten sich kapitalistische Marktverhältnissen stetig aus und wachsen die Städte. Dort steigern Vertreibungen der Menschen – von ihrem Land, aus ihren Häusern, von ihren prekären Einkommensmöglichkeiten – und die stetige Erhöhung der Lebenshaltungskosten den Arbeitsdruck.
- Neue kapitalistische Eliten entstehen.
- Sexistische und antihomosexuelle Gewalt7 als Kern einer neuen Körperpolitik und Genderordnung nehmen teilweise epidemische Ausmaße an.
- Gegen Hexen, Albinos und andre „Irrationalitäten“ werden mörderische Kampagnen geführt.
- Sklaverei und Sklaverei-ähnliche Ausbeutungsverhältnisse wuchern im Schatten der Kriege.
- Neue Technologien werden eingeführt und verbreitet, vermeintlich um die Folgen der Katastrophen, die der Imperialismus ausgelöst hat, abzumildern oder in den Griff zu kriegen. Real geht es darum, die Menschen der Gewalt des Marktes und des Algorithmus – und somit des Kapitals – zu unterwerfen.
Das Aufbrechen der Blockierungen ist Voraussetzung dafür, dass so etwas wie eine kapitalistische Entwicklung überhaupt möglich ist.
Dieser Terror hat vor allem immer eine lokale Dimension. Er wird aber gezielt gefördert durch Investitionsentscheidungen und die Strukturanpassungsprogramme von IWF und Weltbank. Und er ist eingebettet in aktuelle Afrikastrategien des Kapitals8, die im wesentlichen um diese neun Punkte kreisen. Niemals würde dort zu kriegerischer, sexistischer, antihomosexueller oder gegen „Irrationalitäten“ gerichteter Gewalt usw. aufgerufen. Die Gewalt ist scheinbar „natürlich“ schon vorhanden – und doch erst das Produkt kolonialer und neokolonialer Aggression.
Diese Strategien zielen darauf, die kapitalistische Entwicklung weiter zu treiben. McKinsey träumt gar von einer „Entfesselung einer afrikanischen industriellen Revolution“9.
Bislang ist der Kern der ökonomischen Praxis in Afrika die Ausbeutung von Rohstoffen. Bevölkerungspolitik, Dienstleistungen, Infrastruktur und Krieg gruppieren sich um diesen Kern. Eine weitergehende industrielle Entwicklung ist bislang bestenfalls in Ansätzen erkennbar10.
Wenn wir das aktuelle Geschehen in Afrika auf diesem Hintergrund verstehen, und nur dann, ergibt das Ganze einen – zugegebenermaßen grausigen – Sinn. Und zwar nicht in dem Sinne, wie Marx in seinem berühmten Kapitel über die sogenannte ursprüngliche Akkumulation, der
- die Enteignung und Vertreibung des Landvolks von Grund und Boden,
- die Scheidung von Produzenten und Produktionsmittel,
- den Terror und die Blutgesetzgebung gegen die Enteigneten;
- neue Formen kapitalistischer Ausbeutungsverhältnisse auf dem Land,
- Ausbreitung von Marktverhältnissen als Folge der Enteignungen,
- Vertreibungen und neuen Ausbeutungsverhältnissen
- sowie den Aufstieg neuer kapitalistischen Eliten
als Übel aber notwendig für den „geregelten“ Fortgang der Geschichte ansah. Marx ging davon aus, die überholte Produktionsweise „muss vernichtet werden, sie wird vernichtet“11.
Africa is uprising!
Ganz im Gegenteil! Wir sind fest davon überzeugt: nur unter Berücksichtigung der Vorstellungen und Erfahrungen dieser „überholten Produktionsweise“ kann der Kapitalismus vernichtet werden. Ihr vielstimmiger Widerstand trägt in sich die Wahrheit, dass eine andere Welt, eine Welt ohne Ausbeutung und Unterdrückung, zum greifen nahe ist.
Soziale Bewegungen und zivilpolitischen Akteure
Wird über Widerstand in Afrika berichtet, geht es meist um soziale Bewegungen und zivilpolitische Akteure. Auf vier großen gesellschaftlichen Feldern leisten sie wirkungsvolle politische Arbeit:
- Einforderung ökonomischer Verbesserungen;
- Kampf gegen Krieg, Gewalt, Repression;
- Beeinflussung von gesellschaftlichen Leitbildern wie Frieden, Menschenrechte, Demokratie, soziale Gerechtigkeit;
- Mitgestaltung der Transformationsprozesse in Richtung Demokratie12.
Besondere Bedeutung haben hier die vielfältigen Studierendenbewegungen sowie die Bewegungen der Arbeiterinnen und Arbeiter13. Branch und Mampilly (2015) beharren darauf, dass diese sozialen Bewegungen sich sehr stark von denen im Norden unterscheiden. Diese Eigentümlichkeiten sollten nicht unter universellen Narrativen der „weltweiten militanten Opposition“ (Harvey) oder „Multitude“ (Negri/ Hardt) unsichtbar gemacht werden. Einerseits, so argumentieren sie, haben die Probleme, Nöte und Ziele wenig gemeinsam mit dem Prekariat im Norden oder in den aufstrebenden Ökonomien Asiens und Südamerikas. Andererseits ist Prekariat in Afrika kein neues Problem. Die Kämpfe in Afrika sind Teil einer langen Geschichte sozialer Auseinandersetzungen seit der Kolonialzeit.
Soziale Nicht-Bewegungen
Weniger beachtet und untersucht sind die sogenannten „stillen Kämpfe“14 das „stille Vordringen“ oder auch „Soziale Nicht-Bewegungen“ (Bayat 2012) der Armen: „Kollektive Aktionen nicht-kollektiver Akteure“ transformieren die Gesellschaften. In seinem Buch Leben als Politik beschreibt Bayat, wie bereits lange vor dem arabischen Frühling15 die städtische Armen in Ägypten durch ihre alltägliche individuelle Praxis in ihrem „fortwährenden Streben nach besseren Lebenschancen“ die gesellschaftliche Realität „von unten“ veränderten: Bayat erzählt wie sich die Armen das „Notwendige zum Leben“ aneignen und damit die Reproduktion des Kapitals beeinträchtigen. Protagonist_innen sind vor allem Frauen und junge Menschen16.
Er erzählt von der Umverteilung von gesellschaftlichen Gütern, öffentlichen Raum und Gelegenheiten, von der illegale Besitznahme von Land oder Wohnraum, der Aneignung von städtischen Errungenschaften wie Strom, fließendem Wasser, Telefonleitungen, gepflasterte Straßen, oder dem Kleingewerbe auf öffentlichen Flächen. Zu den stillen Kämpfen zählt Federici (2012a, S. 65ff.) auch die „Migration als eigensinnige Praxis“17 oder die Verschuldung als Antwort auf sinkende Löhne und Verweigerung der dadurch verordneten Armut.
Die Armen kämpfen für Umverteilung, Autonomie und Sicherheit – doch ihr Sicherheitsbedürfnis richtet sich direkt gegen den repressiven Staat. Diese Kämpfe sind weit mehr als Abwehr, sondern ein „kumulatives Vordringen“ neuer Normen und Praktiken. Sie wollen nicht zurück zu einem romantisierten Gestern sondern brechen auf, zu einem neuen Morgen!
Dabei ist das „Individuelle“ kein Wert an sich, sondern eine Taktik zur Umgehung des feindlich gesinnten oder nicht reagierenden Staats. Wenn ihre Fortschritte gefährdet sind oder Gefahr droht, beispielsweise durch die Polizei, greifen die Armen „zu kollektiven Formen des Widerstands, ein Zeichen ihrer Wertschätzung von Solidarität“18.
Mit ihren widerständigen und oft illegalen Praktiken untergraben sie die herrschenden Normen und Gesetze und dringen in die Bereiche der Macht, des Eigentums und der Öffentlichkeit vor. Sie brechen den Kapitalismus auf, indem sie „Räume des Anders-Sein, Räume oder Augenblicke, die gegen die Straßenverkehrsrichtung verlaufen“19 schaffen.
Mit der Aneignung von Gütern und Dienstleistungen verringern sie ihre Reproduktionskosten und mit der Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen verbessert sich ihr Einkommen. Mit beidem greifen sie die Reproduktion des Kapitals und damit den Staat, die Reichen die Mächtigen direkt an – im Gegensatz zu „Strategien des Zurechtkommens“, wo das Überleben der Handelnden auf eigene Kosten oder auf Kosten der Mitmenschen gesichert wird. Bayat erwähnt hier NGOs und islamistische Bewegungen, deren Ausbreitung mit der Zeit zusammenfällt, in der die neoliberale Wirtschaftspolitik umgesetzt wurde.
Nicht Bewegungen sind eher Praxis- als Ideologie-orientiert. Sie handeln direkt und im Lokalen, um ihre Forderungen durchzusetzen. Ihre Praxis steht immer im Zusammenhang mit ihrem Alltag. Ihr Ort ist der öffentliche Raum. Solidaritäten entstehen in Nachbarschaften, an Straßenecken, in Moscheen, am Arbeitsplatz, an Bushaltestellen, bei der Lebensmittelverteilung, in Haftanstalten, Migrant_innenlagern, öffentlichen Parks oder Plätzen, Hochschulen, Sportstadien usw… Durch alltägliche und direkte Begegnung und Kommunikation entstehen „passive Netzwerke“, die sich ständig im Fluss befinden, so für die Repressionskräfte kaum zu durchschauen sind und deswegen eine hohe Widerstandsfähigkeit besitzen sind.
Jugendliche Nicht-Bewegungen sind nach Bayat dagegen weniger durch das bestimmt, was die Jugendlichen tun (Netzwerke herstellen, organisieren usw.) als durch die Art wie sie SIND: Verhalten, Kleidung, Sprechweisen, Gangarten, Musik – sowohl in öffentlichen als auch privaten Räumen. Die Identität einer Jugendlichen Nichtbewegung fußt also nicht so sehr auf kollektiven Handeln sondern auf kollektivem Sein. Dabei können sie Vorboten eines gesellschaftlichen Wandels werden.
Ihre Stärke ist die Macht der großen Zahl, die zur Normalisierung und Legitimierung von eigentlich unzulässige Aktivitäten führt. „Nicht-Bewegungen zu unterdrücken würde bedeuten, bestimmte Abläufe im Alltagsleben einzuschränken – eine Maßnahme, die ausgedehnte Kameraüberwachung, Kontrollpunkte und häufige Festnahmen nötig machen würde“20. So wird das Vordringen in der Regel solange akzeptiert, wie es überschaubar bleibt. „Sobald es ausufert, handeln die Regierungen“21.
Kämpfe um die Stadt
Diese stillen Kämpfe lassen sich aber nicht nur in Ägypten, sondern in vielen Städten Afrikas beobachten22. Im Vordergrund stehen die Verteidigung der prekären Einkommensquellen und Lebensbedingungen, Kämpfe um Teilhabe, Haus- und Landbesetzungen in der Stadt und der Kampf gegen Vertreibungen und Repression.
Bergmann23 versucht sich dieser „Subjektivität ohne Subjekte“ durch einen Rückgriff auf AbdouMaliq Simone (2010) zu nähern: „Subjektivität, und besonders in Afrika, [ist] eine immer sehr vorläufige, volatile, dem Neuen durchaus aufgeschlossene Suche nach einer Veränderung der schlechten Verhältnisse“. Für Bergmann beruht diese antagonistische Subjektbildung auf kollektiven Praktiken vor Ort und gleichzeitig sieht er sie primär im globalen Kontext. Sie ist geprägt durch
- einen hohen Grad der Mobilität, als Praxis und als Aspiration, eben nicht nur unter dem Zwang der Verhältnisse, sondern auch auf der Suche nach Erfahrungen und Möglichkeiten;
- durch das Verhältnis von den Städten des Globalen Südens zu denen des Nordens;
- durch die relative Unsichtbarkeit der Quartiere der working poor in den Städten des Südens;
- durch die Wege, auf denen besondere kollektive Erfahrungen in diesen Städten geschmiedet werden, indem disparate Erfahrungen zusammengebracht werden, um zu sehen, was dann damit passieren könnte
- und durch die Verbindungen und Rückbindungen von den Städten zum Land.
Simone beschwört die Vielfalt und Offenheit, die Unkontrollierbarkeit und die fehlende Planbarkeit des peripheren städtischen Lebens24.
Kämpfe um die Subsistenz
Auf dem Land kämpfen Menschen überall in Afrika um den Erhalt ihrer Subsistenz. Diese Kämpfe um Land richten sich gegen ausländische Investoren, die Regierungen, die sie gerufen, die Repressionskräfte, die sie schützen und lokale Eliten, die mit ihnen kooperieren.
Häufig werden die sozialen Konflikte ethnisiert, d.h. die vom Kolonialismus und Nationalstaat durchgesetzten ethnischen oder religiösen Kategorien bilden die Interpretationsfolie der Auseinandersetzungen. Daraus ergibt sich, wer von wem massakriert oder beschützt wird, weil traditionelle Konfliktbewältigungsstrategien gezielt ausgehebelt werden.
Im letzten Jahr waren die Auseinandersetzungen in Äthiopien besonders heftig. Die Situation eskalierte dort Ende 2015, als die Regierung bekannt gab, die Stadtgrenzen der Hauptstadt Addis Abeba auszuweiten. Die ansässige Bevölkerung, die der diskriminierten Ethnie der Oromo angehört setzte sich zur Wehr. Innerhalb eines halben Jahrs ermordeten die Represssionskräfte mehr als 600 Oromo. Die Pläne wurden aber erstmal auf Eis gelegt25.
Der Widerstand im ländlichen Raum äußert sich wie in der Stadt nicht ausschließlich in Form organisierter Bauernbewegungen oder Riots, sondern in vielfältigen Formen wie illegales Abernten öffentlicher oder privater Plantagen, illegale Pflanzungen, Drogenökonomie von unten, Fällen von Bäumen in sogenannten Naturschutzgebieten, Wilderei oder das Sabotieren von Bauarbeiten. Auch hier sind die Protagonist_innen vor allem Frauen und junge Menschen.
Kämpfe gegen den Krieg: Das Beispiel Dadaab
Angesichts der Kriege und Vernichtungszüge gegen afrikanische Bevölkerungen von Überflussbevölkerung zu sprechen trifft den Kern nicht: die Elenden sind nicht überflüssig sondern notwendig für die „kapitalistische Entwicklung“: Der Tod der einen garantiert das Trauma der anderen. Und die Gewalt des Krieges ist die Grundlage besonders krasser Ausbeutungsformen, Kapitalakkumulationen in den Händen weniger usw.
Der Realität des Krieges können wir nur gerecht werden, wenn wir versuchen, sie aus dem Blickwinkel dieser vermeintlich „Überflüssigen“ zu betrachten, die für den Kapitalismus reif traumatisiert werden sollen. Ben Rawlence (2016) hat mit seinem fulminanten Bericht über das größte Flüchtlingslager der Welt unglaublich viele Facetten des Krieges aus verschiedenen Blickwinkeln „von unten“ festgehalten:
Er beschreibt aus der Sicht der Vertriebenen, deren Enteignung und Vertreibung durch die Hungerpolitiken (incl. internationaler Hilfe) und als direkte Folge der Waffenlieferungen aus Europa und USA. Al-Shabaab, weitere somalische, kenianische, äthiopische Warlords und Politiker sowie imperialistische Kräfte arbeiten hier Hand in Hand.
Er beschreibt den Terror gegen die Enteigneten, der sowohl in den Lagern, in Nairobi als auch in den Herkunftsgebieten groteske Formen annimmt. So müssen sich die Flüchtlinge permanent die Frage stellen, wo es sich denn weniger schlecht leben lasse, im somalischen Krieg oder im kenianischen „Frieden“. Auf der Flucht und in den Lagern nahmen die Vergewaltigungen „epidemische Ausmaße“26 an. Jede dritte Frau im Lager wurde Opfer27. Er beschreibt, wie die unerträgliche Situation im Lager viele Beziehungen scheitern ließ und zu einem Anstieg häuslicher Gewalt führte.
Er beschreibt aus der Sicht der Ausgebeuteten, wie in dem spitzelverseuchten, knastähnlichen Lager völlig neue Formen kapitalistischer Ausbeutungsverhältnisse entstehen, er berichtet über die Ausbreitung von Marktverhältnissen als Folge der Enteignungen und Vertreibungen, über die Entstehung von neuen Eliten, die Bereicherung von somalischen und kenianischen Geschäftsleuten an der Arbeitskraft der Flüchtlinge und der internationalen Hilfe. Er beschreibt die Verwobenheit von Politik und Geschäft, von Polizei28 und Al-Shabaab.
Er beschreibt, wie in den durch und durch rassistischen Strukturen der Lager ein völlig neuer Menschentypus aufwächst, „mit kenianischer Schulbildung, und den liberalen Idealen der globalen NGO-Kultur“29. Er beschreibt, wie sich imperialistische Staaten handverlesene Flüchtlinge für ihre Resettlement-Programme aussuchen, die mehr die Hoffnung als die reale Chance beinhalten, in eins dieser gelobte Länder umsiedeln zu können30. Er beschreibt, wie das Leben eines Europäers oder Amerikaners soviel mehr wert ist, als das Leben eines Afrikaners, und das Leben eines Kenianer soviel mehr wert, als das eines Flüchtlings.
Er beschreibt das Erstarken des wahabbistischen Islams am Horn von Afrika, seine zunehmenden Brutalitäten im Kampf gegen „Unmoral“, Hexenglauben und andere „Irrationalitäten.
Und er beschreibt die Zerstörung der ökologischen Lebensbedingungen im Norden Kenias wie in den Herkunftsgebieten in Somalia. Er erzählt von einer Welt mit eigenen Regeln, eigenen Grenzen, eigenen Geschichten. Er erzählt von einer vom UNHCR und den Hilfsorganisationen geschaffenen Gesellschaft, „deren Grundpfeiler die Lebensmittelhilfe und ein internationales Rechtevokabular waren. Und zugleich war es ein glühend heißer Slum“31.
Und weil er das alles aus der Sicht „von unten“ beschreibt, ist es nicht einfach nur eine Litanei des Elends. Im Mittelpunkt stehen die Bewohner_innen des Lagers, ihre täglichen Kämpfe, ihrer Arbeit, ihre Beziehungen, ihre Herkunft, ihre Träumen, ihre Strategien, ihren Erfolge und nicht selten ihr Scheitern. Vor allem beschreibt er, wie die Menschen nur überleben können, indem sie zusammenhalten, sich organisieren „wie sie es von zu Hause gewohnt waren“32, egal gegen wen: die Vergewaltiger, die kenianischen Behörden, die UNO und die NGOs, Al-Shabaab oder die Banditen im Lager.
Mit anderen Worten: Rawlence beschreibt – ohne es selber zu bemerken33 – den erbitterten Widerstand somalischer Menschen gegen die Zumutungen kapitalistischer Entwicklung. Viele hängen noch an ihren alten Verhältnisse, denen Marx schon im 19. Jahrhundert den Untergang an den Hals gewünscht hat. Andere träumen von einer Fata Morgana, die sich Frieden nennt und Ausbeutung meint.
Migration als eigensinnige Praxis
Afrika war schon immer ein Kontinent des Bewegens, des Weggehens, des Ankommens, des Weiterwanderns, des Wiederkommens34. Die Eingebundenheit in soziale Strukturen bewirkt, dass diese Mobilität als kollektiver Prozess gelebt wird35.
Rawlence beschreibt Migration als eigensinnige Praxis: „Die Subjekte handeln und bewegen sich nicht unabhängig von der Geschichte, den Strukturen und den damit verbundenen >eingeübten< Wegen, dennoch entsteht etwas Neues, etwas Eigen-Sinniges. Dieses Eigensinnige ist weder von einer Autonomie noch von Determinismen bestimmt, vielmehr nicht-linear, aber auch nicht beliebig“36.
Der Krieg, die Not oder das Abenteuer, Gründe wegzugehen gibt es zahlreiche. Doch die Katastrophen der letzten Jahrzehnte, vor allem auch die restriktive Migrationspolitik der Metropolen, blockieren zunehmend die Option des Wiederkommens für den ärmeren Teil der Migrierenden. Diese Katastrophen fördern das Schleppertum, die Verschuldung und selektieren gnadenlos die „Fittesten“ auf dem Weg in die Flüchtlingslager des Südens, durch die Sahara in den Norden des Kontinents oder im Mittelmeer auf dem Weg nach Europa37.
Jene, die Europa lebend erreichen, häufig traumatisiert, immer mit furchtbaren Erfahrungen im Gepäck, sind der Repression und Entrechtung sowie anderen Formen der Gewalt noch längst nicht entkommen. Ausgeschlossen vom regulären Arbeitsmarkt, getrieben von der Notwendigkeit, jede Arbeit zu übernehmen, um die Schulden abzuzahlen und das Schicksal der Lieben zu Hause zu erleichtern, werden sie gezwungen die Konkurrenz in den prekären Sektoren des Arbeitsmarktes anzuheizen. Egal welche Ausbildung oder Vorerfahrung sie haben, als Facharbeiter müssen sie erst sozialisiert werden38.
Kontinent der Kämpfe
Afrika wurde viele Attribute zugeschrieben. Mal war es der hoffnungsvolle, mal der hoffnungslose Kontinent, mal der Kontinent des Elends, der Korruption, der Vetternwirtschaft. Perry (2016) beschreibt Afrika als einen Kontinent der „totalen Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen“. Afrika sei heute zugleich „Kapstadt und Kogelo, Buschtrommel und Mobiltelefon“. Ist zugleich acht Raumfahrtprogramme und riesige Gebiete, die völlig dunkel sind, wenn man sie nachts im Flugzeug überfliegt, einfach weil immer noch knapp zwei Drittel ihrer Bewohner nicht ans Stromnetz angeschlossen sind.
Doch all diese Zuschreibungen werden dem Kontinent nicht wirklich gerecht. Ich glaube, wenn wir versuchen, den Kontinent mit den Augen der großen Mehrzahl seiner Bewohner_innen zu sehen, kommen wir nicht umhin, ihn als Kontinent der Kämpfe und als Kontinent der Solidarität wahrzunehmen.
Das Leben der meisten Armen Afrikaner_innen ist geprägt von diesen täglichen kleinen, und selteneren großen Kämpfen. Um Wasser, um Nahrung, um Einkommen, um Land, um Bewegungsfreiheit, um Gerechtigkeit und um ein Leben in Würde. Sie kämpfen gegen „Entwicklung“ und „neue Technologien“, nicht weil sie etwas gegen Glühbirnen oder Mobiltelefone haben, sondern weil sie täglich erfahren, das kapitalistische Entwicklung und Technologien im wahrsten Sinne des Wortes Vampire sind, die sich mit dem Blut ihrer Opfer vollsaugen müssen und die Überlebenden versklaven. Die Opfer leben überproportional in Afrika.
Diese Kämpfe wären nichts, ohne die Solidarität und die sozialen Beziehungen, die vor allem von den Frauen aufrecht erhalten werden. Sie knüpfen an Vorstellungen historischer egalitärer afrikanischer Gesellschaften an.
Doch diese Kämpfe haben ein Problem: es ist der Feind, der übermächtig von fernen Kontinenten Waffen, Müll, Ramsch, Technologien, Schulden, Soldaten, Drohnen, Raketen schickt, der ihnen eine Wirtschaftspolitik aufzwingt, bei der sie nur verlieren können, sie zur Verelendung und Ausbeutung zwingt. Dieser Feind ist unglaublich reich. Und brutal. Er ist immer wieder in der Lage, Kollaborateure aufzubauen. Er wird von Afrika aus kaum zu stoppen sein. In seinen Herkunftsländern muss er zu Fall gebracht werden! Nicht aus Mitleid, sondern aus Solidarität!
Literatur:
Bayat, Asef: Leben als Politik – Wie ganz normale Leute den Nahen Osten verändern; Berlin/ Hamburg 2012
Behrendt, Moritz; Kenia fordert Lösegeld; Interview mit Ben Rawlence; in: Candid Foudation (Hrsg.); Planet der Flüchtlinge; Warum es kein Zurück mehr gibt; Berlin 2016; S. 96f.
Benz, Martina/ Schwenken, Helen; Jenseits von Autonomie und Kontrolle: Migration als eigensinnige Praxis; in: Prokla 140; 3/2005; S. 363-377
Bergmann, W.; Cityness in Afrika – Über Mobilität, Offenheit, Unkontrollierbarkeit, Subjektivität und Selbstorganisierung; izindaba.info 27.06.2014
Branch, Adam/ Mampilly, Zachariah; Africa Uprising: Popular Protest and Political Change; London 2015
Bühler, Johannes, Am Fuß der Festung, Stuttgart 2015
Cooper, Frederick; Kolonialismus Denken, Frankfurt/ M.2012
Cooper, Frederick; Afrika in der kapitalistischen Welt; izindaba.info; 17.01.2011. (Original: Cooper, Frederick; Africa in a capitalist World; in: Darlene Clark Hine/Jaqueline McLeod (Hg.), Crossing Boundaries; Comparative History of Black People in Diaspora; Bloomington/Indianapolis 1999; S. 391 – 418)
Eberlei, Walter, Afrikanische Soziale Bewegungen vs. Zivilgesellschaften in Afrika; In: Forschungsjournal soziale Bewegungen; 3/2014; S. 32-38
Economist; The hopeful continent: Africa rising; After decades of slow growth, Africa has a real chance to follow in the footsteps of Asia; 3.12.2011; http://www.economist.com/node/21541015
Eggers, Dave; Weit Gegangen; Köln 2008
Federici, Silvia; Aufstand aus der Küche; Münster 2012a
Federici, Silvia; Caliban und die Hexe; Wien 2012b
Federici, Silvia; Women, Witch-Hunting and Enclosures in Africa Today; Sozial Geschichte online; 3/2010; S. 10-27
Gertel, Jörg/ Ouaissa, Rachid/Ganseforth, Sonja; Jugend in der arabische Welt; in: Gertel, Jörg/ Ouaissa, Rachid (Hg.); Jugendbewegungen; Städtischer Widerstand und Umbrüche in der arabischen Welt; Bielefeld 2014; S. 12-28
Goldberg, Jörg; Die Emanzipation des Südens: Die Neuerfindung des Kapitalismus aus Tradition und Weltmarkt; Köln 2015
Harvey, David, The New Imperialism; Oxfort 2003
Holloway, John, Kapitalismus aufbrechen, Münster 2010
Manji, Fiorene; Afrikanische Aufbrüche; Der Mut, die Zukunft neu zu erfinden; in: Africa Avenir International e.V. (Hrsg.); Widerstand, Revolutionen, Renaissance; Stimmen zum sozialen Aufbruch in Afrika; Berlin 2013; S. 14-30 (Original: Manji, Fiorene; African Awakenings: the courage to invent the future; in: Manji, Fiorene/ Ekine, Sokari (Ed.); African Awakening; Cape Town/ Dakar/ Nairobi/ Oxfort 2011)
Marx, Karl; Das Kapital; 1. Band; in: Marx, Karl / Engels, Friedrich; Werke Band 23; Berlin 1962 (Original: 1890)
Mbobela, Emmanuel, Mein Weg vom Kongo nach Europa; Wien 2014
MGI – McKinsey Global Institut; Lions on the move II: Realizing the potential of Africa’s economies; September 2016; http://www.mckinsey.com/global-themes/middle-east-and-africa/lions-on-the-move-realizing-the-potential-of-africas-economies
mLungu; „Wir werden den ägyptischen Weg, wir werden den tunesischen Weg gehen!“; In allen Regionen Afrikas eskaliert der Krieg um Lebensmittel; izindaba.info 03.05.2011
Perry, Alex; In Afrika; Reise in die Zukunft; Frankfurt 2016
Rawlence, Ben; Stadt der Verlorenen; Leben im größten Flüchtlingslager der Welt; München 2016
Saunders, Doug; Arrival City; München 2011
Simone, AbdouMaliq; CityLife from Jakarta to Dakar; New York 2010
Sylla, Ndongo Samba; Democracy, liberalism ans social movemets in West Africa; in: ders. (ed.); Liberalism and its Discontents; Social movements in West Africa; Dakar 2014; S. 13-71
Zeller, Christian (Hrsg.); Die Enteignungsökonomie; Münster 2004
1 Schon das, was ist Afrika ist, ist umstritten. Insgesamt scheint es aber einen Konsens zu geben, dass grob drei Sozialräume unterschieden werden können: der Maghreb und Ägypten, das subsaharische Afrika (SSA) und die Republik Südafrika (RSA), die alleine 30% der afrikanischen Wirtschaftskraft ausmachen soll. SSA wird oft als das „eigentliche“ Afrika betrachtet wird (vgl. z.B. Goldberg 2015; S. 156; 160). Im folgenden sind alle drei Sozialräume gemeint, wenn von Afrika gesprochen wird. Auf die Unterschiede zwischen Sozialräume, Regionen, Nationalstaaten kann im Rahmen dieses Textes nur am Rande eingegangen werden. Sonderfälle wie die spanischen Kolonien Islas Canarias, Melilla und Ceuta sowie der afrikanische Staat in der Karibik, Haiti, werden nicht weiter beachtet.
Cooper (2012, S. 187) weist darauf hin, dass „>Afrika< als Raum, den Menschen mit Sinn ausstatten, … weniger durch Prozesse innerhalb der Grenzen des Kontinents definiert (wurde) als vielmehr durch seine Diaspora“.
2 Seit 2011 ist in Afrika eine Zunahme vielfältiger Proteste, Streiks und Massenaktionen und über die letzten 10 Jahre eine beträchtliche Zunahme bzw. Rückkehr sozialer Bewegungen in zahlreichen Ländern zu beobachten. Siehe mLungu 2011; Manji 2013,
3 Manji 2013
4 Der Begriff „Africa is rising“ geht auf einen Artikel im Economist vom 3.12.2011 mit dem Titel „The hopeful continent: Africa rising“zurück. Adam Branch und Zachariah Mampilly (2015) betonten dagegen: Africa is uprising. Beide Aussagen sind von zahlreichen anderen Autor_innen aufgenommen worden.
5 Cooper 2011
6Siehe dazu auch: Federici 2010. 2012b
7 Gemeint sind hier alle Gewaltformen gegen LGBTIQ+, also Lesben, Schwule (Gays), Bi-, Trans- und Intersexuelle, Queere und andere sexuelle Minderheiten
8 Zur Zeit wird in Hinblick auf den G20 Gipfel in Hamburg der „Marschallplan mit Afrika“ des deutschen Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung verhandelt.
9 MGI 2016, S. 63ff.
10 Am ehesten in Südafrika, Marokko, Ägypten und Nigeria.
11 Marx 1962, S. 789. Vgl. Marx 1962, S. 741-791. Eine ausführliche Auseinandersetzung mit der Bedeutung des marxistischen Ansatzes, seiner aktuellen Apologeten und seiner völkermörderischen Implikationen für den afrikanischen Kontinent steht noch aus. Interessant aber ist, das z.B. bei Harvey und Konsorten heutzutage der Terror und die Blutgesetzgebung schlicht nicht mehr vorkommen. Repression, Terror, Krieg und Mord den Linken als „übel aber notwendig“ zu verkaufen, scheint nicht mehr so en vogue (vgl. Harvey 2003, Zeller 2004).
12 vgl. Eberlei 2014, S.35
13 Vgl. Sylla 2014
14 Federici 2012a
15 Die in dem Band versammelte Texte wurden zwischen 2000-2007 veröffentlicht, die deutsche Übersetzung erst 2012. Lediglich das Vorwort und das 8. Kapitel wurde von Bayat im Sommer 2012 für die deutsche Ausgabe geschrieben.
16 Bayat 2012; 81ff.; 126ff. Gertel u.a 2014
17 Benz/ Schwenken 2005.
18 Bayat 2012, S. 45
19 Holloway 2010, S. 260
20 Bayat 2012, S. 39
21 Bayat 2012, S. 121
22 Bayat (2012) geht davon aus, dass die Stillen Kämpfe vor allem in „Nicht-demokratischen Gesellschaften“ ausgefochten werden, weil es in den Demokratien des Nordens demokratische Konfliktregelungspraktiken gebe. Das ist einerseits falsch, weil er den demokratischen Gehalt der sogenannten Demokratien überschätzt und andererseits, weil soziale Nichtbewegungen auch im Norden stattfinden – sie werden, abgesehen von der Migration, nur viel zu wenig beachtet und gewürdigt.
23 Bergmann 2014
24 Ob der Blick des Urbanisten, der die Menschen als „Infrastruktur“ wahrnimmt (vgl. Simone 2010, 117ff.), dabei hilfreich ist, Widerstandsgeister wahr zu nehmen bzw. zu wecken, sei einmal dahingestellt – im Gegensatz dazu Bergmanns erfrischende Interpretation.
25 Während die Oromo ermordet wurden, verhandelte die EU mit dem Regime über ein sogenanntes „Rückübernahmeabkommen“ für Flüchtlinge. Auch mit Eritrea, Somalia, und dem Sudan wird verhandelt.
26 Rawlence 2016 S. 104
27 Rawlence 2016 S. 241
28 „Für die Polizei auf beiden Seiten der Grenze war der Flüchtlingsstrom eine einmalige Chance, reich zu werden“ Rawlence 2016 S. 104f.
29 Rawlence 2016 S. 104
30 Rawlence beschreibt die Geschichte von Muna und Monday, deren Leben im Lager bedroht war. Ihnen gelang es in das Resettlement-Pogramm der australischen Regierung aufgenommen zu werden. Die australischen Behörden verschlampten aber den Fall. Pech gehabt! „Wegen einer ausgebliebenen E-mail waren Munas und Mondays Leben durch das Resettlement-Raster gefallen“ (Rawlence 2016 S. 380). Die Resettlement-Plätze sind aber auch auf dem Schwarzmarkt handelbar, bis zur 10.000 US-$ kostet eine „Beratung“, immerhin etwas weniger, als die gefährliche Auswanderung auf dem Landweg, die kaum unter 11.000 US-$ zu haben war (vgl. Rawlence 2016 S. 215; 302).
31 Rawlence 2016 S. 66. Rawlence Recherchezeitraum überschnitt sich mit der Hungersnot 2010/2011. Mehr als eine viertel Millionen Menschen starben, die Hälfte davon jünger als fünf Jahre. Monatlich strömten zehntausende Neuankömmlinge nach Dadaab.
32 Rawlence 2016 S. 159
33 Vgl. Behrendt 2016
34. Insofern greift auch das Konzept der „Arrival Citys“ (Saunders 2011) für die großen und kleine Städte des Kontinents viel zu kurz
35 nach Cooper 2012, S. 179
36 Benz/ Schwenken 2005, S. 373
37 Diese Selektionen sind oft beschrieben worden, neben Rawlence 2016 siehe z.B. Eggers 2008, Gatti 2011, Mbolela 2014, Bühler 2015.
38 Im Jahre 2016 wurden z.B. in ganz Köln lediglich 84 (!!!) Flüchtlinge „neu in den Arbeitsmarkt integriert“, d.h. im regulären Arbeitsmarkt oder in einer Ausbildung ausgebeutet. Nach 5 Jahren, so sieht es die Bundesagentur für Arbeit, wird die Hälfte von jenen, die dann noch in Europa leben, „in den Arbeitsmarkt integriert sein“. Nach 10 Jahren, sollen es schon 90% sein (mündliche Mitteilung aus der Geschäftsführung der Kölner Arbeitsagentur am 24.3.2017).