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Libyen: Szenarien der SWP im März 2019

Angesichts der Expansion der sogenannten Nationalen Libyschen Armee (NLA, siehe nebenstehenden Artikel) im Süden Libyens hielt der deutsche, regierungsnahe Thinktank Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) im März 2019 zwei Szenarien für realistisch:

Im ersten Szenario schließen westlibysche Kräfte die Reihen gegen die Bedrohung, die von einer Expansion Haftars in Richtung Tripolis ausgeht. „Sollten sich die Kräfte Tripolitaniens darauf einigen, Haftar Widerstand zu leisten, wäre die Einheitsregierung gezwungen, ihm gegenüber einen härteren Kurs einzuschlagen. Im Gegenzug könnte Haftar die Erdölexporte blockieren und der Zentralbank in Tripolis damit die Einnahmen vorenthalten“ (SWP März 2019).

Im zweiten Szenario der SWP schließt sich eine zusehends größere Anzahl von Akteuren in Westlibyen dem Lager Haftars an. Die Folge wären wachsende Spannungen innerhalb und zwischen den „Gemeinschaften“. „Haftar wird auf das zweite Szenario hinarbeiten. Er dürfte versuchen, langsam vorzurücken, indem er Uneinigkeit unter seinen Gegnern ausnutzt und sich Loyalität erkauft.

Außerhalb Ostlibyens hat Haftar eine direkte Konfrontation mit anderen Kräften weitgehend vermieden. In Westlibyen hält die SWP eine weitgehend friedliche Übernahme ganzer Landstriche wie im Süden jedoch für ausgeschlossen. Im Süden Hätten sich seit 2011 die bewaffneten Gruppen meist opportunistisch mit unterschiedlichen Lagern assoziiert, Haftars Einzug stellte dort nur für wenige lokale Akteure eine existentielle Bedrohung dar.

Im Westen dagegen gibt es in mehreren Städten bedeutende militärische Kräfte, die tief ins soziale Gewebe eingebettet sind. Sie gehen auf den Krieg gegen das Qadhafi-Regime 2011 zurück und lehnen autoritäre Herrschaft ab. Sie müssen befürchten, dass sie nach einer Machtübernahme Haftars harter Repression ausgesetzt wären“.

Deswegen hätte jeder Versuch Haftars, die Kontrolle über Tripolis zu erlangen, mit hoher Wahrscheinlichkeit einen großflächigen und langwierigen Konflikt zur Folge. Diese Einstellung der ausländischen Kräfte mache jedoch eine größere Eskalation in Westlibyen wahrscheinlicher.

Allerdings verdunkelt die SWP als deutscher Regierungs-Thinktank gezielt die treibende Rolle der imperialistischen Akteure, indem sie suggeriert, die Verhinderung einer Eskalation sei im Interesse des „Westens“, doch ihre „Uneinigkeit“ würde diese Verhinderung torpedieren: „Eine Rückkehr an den Verhandlungstisch ist also nur denkbar, wenn westliche Regierungen ihre Haltung ändern. Ein Hindernis für einen solchen Kurswechsel ist ihre Uneinigkeit: die USA sind an Libyen nicht interessiert; zwischen Italien und Frankreich herrscht ein diplomatischer Zwist, der auch in Libyen zum Ausdruck kommt; Paris unterstützt Haftar in Südlibyen im Alleingang“.

Die Realität sieht anders aus: die USA sind an Libyen sehr wohl interessiert, gemeinsam mit Italien, Frankreich und anderen ausländischen Akteuren unterstützen sie sowohl die Milizen und die GNA wie auch die NLA. Aber vor allem fördern sie die Eskalation mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln – versuchen das aber zugleich vor ihren kriegskritischen Bevölkerungen zu kaschieren.