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Südafrika: Presseerklärung von Abahlali baseMjondolo vom 21.12.2020

Abahlali baseMjondolo ist eine selbstorganisierte soziale Bewegung in Südafrika, die auf der Basis gegenseitiger Hilfe und Solidarität obdachlose Menschen bzw. Arme  darin unterstützt, ungenutztes Land zu besetzten und Unterkünfte (shacks) zu errichten sowie  anschließend deren Legalisierung, Ausbau und Anschluss an die öffentliche Infrastruktur (Straßen, Wasser, Abwasser, Strom) zu erkämpfen.

Weitere Informationen unter: http://abahlali.org/

Die Presseerklärung ist nicht nur ein Rückblick auf das vergangene Pandemie-Jahr aus einer sozialrevolutionären Perspektive, sondern bringt  auch das  politische  Selbstverständnis dieser größten sozialen Selbstorganisation Südafrikas zum Ausdruck.

Ein düsteres Jahr für die Armen und die Arbeiterklasse

Das Jahr 2020 hat die Grausamkeit der korrupten und kapitalistischen ANC-Regierung aufgedeckt, einer repressiven und räuberischen Regierung, die die politischen und wirtschaftlichen Eliten reicher macht, während sie die Armen ärmer macht.

Während des rigiden Lockdowns wurden arme und schwarze Menschen aus der Arbeiter*innenklasse offen auf den Straßen von der Armee und der Polizei ermordet. Unsere Bewegung war während des Lockdowns wiederholt mit illegalen und gewaltsamen Räumungen konfrontiert, trotz des angeblichen Moratoriums für Räumungen. Scharfe Munition wurde gegen unbewaffnete Menschen eingesetzt. Die meisten Hüttenbewohner (shack dwellers) erhielten die Covid-Zuschüsse nicht. Millionen von Menschen verloren ihre Arbeit. Andere waren nicht in der Lage, ihren Lebensunterhalt weiter zu bestreiten. Überall im Land hungerten die Menschen.

Die Regierung unternahm nichts gegen die Kapitalisten und deren Interesse, um jeden Preis Profit zu machen, was dazu führte, dass sie ihre Arbeiter*innen während der Pandemie in Gefahr brachten. Das Leben des Gesundheitspersonals, das an vorderster Front im Kampf gegen die Pandemie steht, wurde von der Regierung missachtet, die es versäumte, genügend Schutzausrüstung bereit zu stellen.

Das Geld, das die Regierung für die Bewältigung der Covid-Krise bereitgestellt hatte, wurde in großem Umfang gestohlen. Viele Firmen wurden mit dem einzigen Zweck gegründet, Covid-Gelder zu unterschlagen. Riesige Geldbeträge wurden bei betrügerischen Ausschreibungen von hochrangigen ANC-Mitgliedern, darunter auch Personen, die dem Präsidenten und Minister*innen nahe stehen, erbeutet.

Korruption trifft immer die Armen und die Arbeiter*innenklasse am härtesten. Zum Beispiel ist die Arbeiter*innenklasse in Khayelitsha in Kapstadt nicht in der Lage, mit billigen, erschwinglichen Verkehrsmitteln zur Arbeit zu fahren, weil die Diebe im ANC die PRASA in den Ruin getrieben haben. Das einzige erschwingliche Transportmittel für die Arbeiter*innenklasse gibt es wegen der gierigen Politiker nicht mehr.

Wir werden von Dieben regiert. Das war nicht gemeint, als es in der Freiheitscharta hieß: „Das Volk soll regieren“. Dies ist eine Regierung von Konterrevolutionär*innen. Sie haben den Kampf des Volkes gekapert, um sich selbst reich zu machen.

Wir leben weiterhin unter schwierigen Bedingungen in Hütten, während diejenigen im ANC im Luxus leben. In der Freiheitscharta heißt es: „Alle Menschen haben das Recht, dort zu leben, wo sie wollen, anständig untergebracht zu sein und ihre Familien in Komfort und Sicherheit aufzuziehen“, aber mehr Menschen leben in Hütten als je zuvor. Im ganzen Land sind gewaltsame Zwangsräumungen alltäglich.

Anstatt sich mit all diesen Problemen zu befassen, nutzt der ANC diese Zeit, um seine eigenen Fraktionskämpfe in der Partei zu führen. Diejenigen, die in Korruption verwickelt sind, werden befördert, um einer bestimmten Fraktion zu gefallen. Der ANC kümmert sich nicht um das Leben der einfachen armen schwarzen Menschen. Wir zählen nur während der Wahlen. Wenn wir verlangen, dass die Versprechen, die uns gemacht wurden, eingehalten werden, wird auf uns geschossen. Sie sagen ganz offen, dass wir nicht auf Land leben sollen, das in der Nähe der Gated Communities der Reichen liegt.

Warum wählen die Menschen weiterhin diese Schurken?

Dies wird ein trostloses Weihnachtsfest sein. Kinder, die früher jedes Jahr Weihnachtskleidung bekamen, werden sie dieses Jahr nicht erhalten, weil ihre Eltern ihre Arbeit oder ihren Lebensunterhalt verloren haben. Viele Familien sind jetzt ohne eine/n Ernährer*in. Es gibt Familien, die am Weihnachtstag hungern werden.

Steve Biko, der heute vor 74 Jahren geboren wurde, sagte: „Schwarzer Mann, du bist auf dich alleingestellt“. Wenn Sie heute schwarz und arm sind, sind Sie auf sich allein gestellt. Solidarität ist unabdingbar. Der Aufbau der Macht der Armen von unten ist zwingend erforderlich.

Wir haben unser Bestes getan, um die demokratische Macht der Armen von unten aufzubauen, Siedlung für Siedlung, und Besetzung für Besetzung. Unser Mitgliederstand beträgt derzeit 82.056 mit bisher 76 gezählten Zweigstellen und vier noch zu zählenden Zweigstellen.

Dieses Jahr feierten wir den fünfzehnten Jahrestag unserer Bewegung. Wir feierten all das, was wir trotz schwerer Repression erreicht haben, und gedachten den Helden*innen, die während unseres Kampfes ihr Leben verloren haben. Wir dankten all jenen, die mutig genug waren, für ihre Menschlichkeit einzutreten und der Unterdrückung zu widerstehen. Wir stellten fest, dass Frauen als Mitglieder und als Führerinnen an der Spitze unserer Bewegung stehen und betonten die Notwendigkeit, die Frauenmacht weiterhin von unten aufzubauen. Wir hielten viele Treffen ab, um über die letzten 15 Jahre nachzudenken und zu diskutieren, was wir im Kampf gelernt haben.

Während des Lockdowns haben wir uns gegen Räumungen gewehrt, ein Ernährungssolidaritätsprogramm in vier Provinzen entwickelt und daran gearbeitet, die soziale Infrastruktur unserer besetzten Areale aufzubauen und sie zu Räumen der Produktion sowie zu Land zum Leben zu machen. Wir haben hart daran gearbeitet, Ernährungssouveränität von unten aufzubauen.

Wir haben auch unser Bestes getan, um eine lebendige Solidarität mit anderen Organisationen und Kämpfen der Armen in Südafrika und auf der ganzen Welt aufzubauen.

Als die Armen sind wir auf uns selbst gestellt. Wir werden fortfahren, eine lebendige Politik aufzubauen, zu besetzen, zu produzieren und zu widerstehen. Wir werden weiterhin darauf bestehen, dass unsere Menschlichkeit und unser Recht auf Würde nicht verhandelbar sind.

Biko sagte: „Wir glauben, dass es in unserem Land keine Minderheit und keine Mehrheit geben wird, es wird einfach Menschen geben. Und diese Menschen werden den gleichen Status vor dem Gesetz haben und sie werden die gleichen politischen Rechte vor dem Gesetz haben. Wenn das geschieht, wird es eine völlig nicht-rassistische egalitäre Gesellschaft sein.“

Im Jahr 2020 behandelte uns die Regierung, als stünden wir unterhalb des Gesetzes. Sie ignorieren einfach das Gesetz, wenn es um uns geht. Es gibt keine Gleichheit.

Der ANC wurde durch die Kämpfe des Volkes an die Macht gekauft, aber er hat jede Tradition der Befreiung in diesem Land verraten. Es ist nun an den Unterdrückten, sich selbst zu befreien.

Wir drücken unsere Solidarität mit den Bewohner*innen von Masiphumelele in Kapstadt aus. Über tausend Häuser wurden bei dem schrecklichen Feuer am Donnerstag letzter Woche zerstört. Mehr als ein Vierteljahrhundert nach dem Ende der Apartheid lässt man uns immer noch brennen, weil wir immer noch nicht als Menschen anerkannt werden.

Quelle: http://abahlali.org/node/17207/#more-17207 

Übersetzung: izindaba