Nach den massiven sozialen Protesten im Juni in Kenia gingen Anfang August auch in vielen Städten Nigerias Hunderttausende auf die Straße, um gegen Misswirtschaft und ständig steigende Lebenshaltungskosten zu protestieren.
Die Demonstrationen verliefen äußerst unterschiedlich. In Abuja, der Hauptstadt Nigerias, fanden heftige Auseinandersetzungen zwischen Demonstrant*innen und den Sicherheitskräften statt. Es wurden Geschäfte geplündert und immer wieder Abschnitte einer Hauptverkehrsstraße verbarrikadiert.
Auch in Kano, der mit gut 2,5 Millionen Einwohner*innen viertgrößten Stadt Nigerias, nutzten Demonstrant*innen den ersten Protesttag zum freien Einkauf, wobei es zu zahlreichen Festnahmen kam. Einen Tag später zogen nach dem Freitagsgebet Hunderte von Jugendlichen, Lieder singend und die Ausgangssperre missachtend, friedlich durch die Stadt. Sie trugen Plakate mit den Aufschriften End Bad Governance, We are Hungry, Justice for Masses und We are looking for a Change.
In der Hafenstadt Port Harcourt waren es tausende Frauen, Jugendliche, Angehörige zivilgesellschaftlicher Organisationen und Kinder – darunter auch viele körperlich Gehandicapte – , die friedlich eine deutliche Verbesserung ihrer sozialen Situation einforderten.
In Lagos versuchten anfänglich bezahlte zivile Schlägertrupps, die zahlreichen Teilnehmer*innen an der Ausübung ihres Demonstrationsrechts zu hindern. Die Masse der Demonstrierenden zwang sie sich zurück zu ziehen.
In Jos, der Hauptstadt des zentral gelegenen Bundesstaates Plateau – unter anderem bekannt geworden durch zahlreiche bewaffnete, auch tödliche Auseinandersetzungen zwischen muslimisch und christlich Gläubigen – taten sich dieses Mal Menschen beider Konfessionen zusammen, um am ersten und zweiten August gemeinsam auf die Straße zu gehen. Sie … „betonten, dass ihr Kampf nichts mit Religion oder Stammeszugehörigkeit zu tun habe, sondern dass es darum gehe, die schlechte Politik der Regierung, die den Nigerianern Hunger und allgemeines Elend beschert habe, rückgängig zu machen.“
Die Sicherheitskräfte reagierten auf die Proteste mit der in Nigeria üblichen Härte. Nach Informationen von Amnesty International Nigeria töteten sie mindestens 22 Menschen und nahmen über 1100 Personen fest. Selbst Journalist*innen waren Ziele von Polizeikugeln, fünfzig wurden am 03. August allein in Abuja verhaftet. Die Repression trug dazu bei, die Zahl der Teilnehmer*innen an den vom ersten bis zehnten August durchgeführten Demonstrationen im Lauf der Zeit deutlich zu verringern.
Den Hintergrund für die sich häufenden sozialen Proteste bilden die selbst für einen afrikanischen Staat horrenden Einkommensunterschiede. Einem Oxfam-Bericht zufolge verdient der reichste Mann Nigerias an einem Tag mehr als das 8000-fache dessen, was den ärmsten 10 Prozent der gut 210 Millionen Nigerianer*innen in einem Jahr für ihren Lebensunterhalt zur Verfügung steht. Die all gegenwärtige Korruption besorgt den Rest. So haben sich nigerianische Staatsbedienstete zwischen 1960 und 2005 um 20 Billionen Dollar aus der Staatskasse bereichert. Deshalb kann auch kaum jemanden die vor kurzem aufgrund einer Inflationsrate von 40 Prozent gebilligte Erhöhung des Mindestlohns auf knapp 47 Euro zufrieden stellen.
Aktivist*innen und zahlreiche zivilgesellschaftliche Gruppierungen kündigten übrigens am 10. August eine Neuauflage der End Bad Governance Proteste für den ersten Oktober an.
aus: This Day 04.08.24 Zitat ebenda – Jeune Afrique 05.08.24 – AP Abuja 03.08.24 – The Guardian 04.08.24 – Welt-Sichten 22.05.24 – DW 10.08.24