Mit einem von der Gewerkschaft UGTT für den 21.10. ausgerufenen regionalen Generalstreik setzten die Bewohner*innen der im Süden Tunesiens gelegenen Stadt Gabès ihre Proteste gegen die von der ‚Groupe Chemique Tunisien‘ betriebene Phosphatfabrik fort. An die 60 000 Menschen hatten sich an diesem Tag in dem gut 400 000 Einwohner*innen zählenden Ort versammelt, um gegen die krank machenden Emissionen des am Stadtrand liegenden Werkes zu demonstrieren. Bereits in der Woche zuvor gingen tausende von Menschen jeglichen Alters mit der Forderung nach Schließung auf die Straße. Trotz des friedlichen Charakters der Proteste setzte die Polizei Tränengas ein und verhaftete 89 Demonstrant*innen. Zehn Personen wurden wegen Störung der öffentlichen Ordnung inhaftiert.
Die 1979 in Betrieb genommene Chemieanlage mit ihren 4000 Mitarbeiter*innen verwendet Schwefelsäure und Ammoniak zur Herstellung von Phosphatdüngern. Die bei diesem Verarbeitungsprozess entstehenden Gase gelangen aufgrund einer nicht funktionierenden Waschanlage ungehindert in die Umwelt. Allein in den letzten zwei Monaten wurden in der Umgebung bei mehr als 200 Betroffenen Gasvergiftungen festgestellt. Ärzt*innen aus der Region bestätigen seit Jahren eine Zunahme von Atemwegserkrankungen, Fällen von Lungenkrebs sowie Asthma und Osteoporose.
Zudem leitet das Werk Phosphorgips – ein Abfallprodukt bei der Umwandlung von Phosphat in Phosphorsäure – ungeklärt direkt ins Meer. Der selbst am Strand sichtbare, leicht radioaktive ‚giftige Schaum‘ hat nach einer Studie von 2023 93 Prozent der maritimen Artenvielfalt an der Küste von Gabès – aufgrund seiner zum UN-Weltkulturerbe gehörenden Meeresoase immer noch Ziel vieler Tourist*innen – zerstört. Fischer müssen deshalb ihrem Beruf über 100 Kilometer entfernt ausüben und Baden geht dort niemand mehr.
Tunesien exportiert den Phosphatdünger hauptsächlich nach Europa und Indien. Für den diktatorisch regierenden Präsidenten Said ist der Abbau von Phosphatminen „eine tragende Säule“ der Wirtschaft. So soll die Düngemittelproduktion bis 2030 verfünffacht werden, um von den steigenden Weltmarktpreisen zu profitieren.