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Togo: Ewige Diktatur

Togo hat das älteste Putschregime in Subsahara-Afrika

Der Gnassingbé-Clan regiert seit 56 Jahren die Republik Togo, sein autoritäres Regime hat auch den Machtwechsel von Vater zu Sohn überstanden. Korruption und brutaler Zwang spielen eine wichtige Rolle beim Machterhalt.

von Christian Lenz

1967 putschte sich in Togo die Armee unter der Führung des ehemaligen Kolonialoffiziers Eyadéma Gnassingbé an die Macht. Sie errichtete eine skrupellose Militärdiktatur. Als Eyadéma 2005 starb, war er mit 38 Jahren Regierungszeit der dienstälteste Staatschef Afrikas. Ihm folgte als Präsident sein Sohn Faure Gnassingbé. 1992 erkämpfte die Opposition zwar die Einführung des Mehrparteiensystems, aber sämtliche Wahlen wurden seither zugunsten der Gnassingbé-Partei manipuliert.

Über die Jahrzehnte hat sich um den Gnassingbé-Clan ein einzigartiges hybrides Herrschaftssystem gruppiert. Es besteht aus einer trickreichen Fassaden-Demokratie und einem umfassenden Repressionsapparat, der mit Korruption und Nepotismus angereichert ist. Abgesehen von gelegentlichen Appellen an die patriotische Gesinnung kommt dieser Herrschaftsentwurf weitgehend ohne eine übergeordnete Ideologie aus. Der starke Staat verspricht Sicherheit und Ordnung ohne die Bevölkerung zu gängeln – wenn diese dem Souverän nicht hineinredet.

Geschaukelte Wahlen

Dieses Taktieren konnte etwa bei den Präsidentschaftswahlen vom 22. Februar 2020 beobachtet werden. Um den Forderungen nach einem transparenten Wahlverfahren entgegenzukommen, ließ die Regierung Wahlbeobachter*innen zu. Die zentrale Forderung, die Wahlergebnisse durch jedes einzelne Wahllokal und nicht nur zentral durch die Nationale Wahlkommission (CENI) zu veröffentlichen, wurde jedoch abgelehnt. 17 der 19 CENI-Mitglieder gehörten dem Regierungslager an, sodass von Neutralität keine Rede sein konnte. Auch für den Fall der juristischen Anfechtung des Wahlergebnisses war vorgesorgt: Sieben von neun Richter des zuständigen Verfassungsgerichts sind Gefolgsleute Gnassingbés und würden dessen Mehrheit ‚sichern‘.

Aktivist*innen von Afrique-Europe-Interact hielten sich in der 14-tägigen Wahlkampfphase vor dem Wahltermin in Togo auf. Es fiel auf, dass ein sichtbarer Wahlkampf nur vonseiten der Partei des Präsidenten stattfand: Überall waren große Werbebanner mit dem Konterfei des Präsidenten und dessen Massenveranstaltungen zu sehen – bei denen staatlich Bedienstete zur Teilnahme verpflichtet wurden. Schulleiter*innen etwa mussten Schulen schließen und mit allen Schüler*innen erscheinen. Viele Wahlveranstaltungen der Opposition wurden »aus Sicherheitsgründen« verboten. Kurz vor dem Wahltermin wurde allen ehrenamtlichen Wahlbeobachter*innen die Akkreditierung entzogen. So ging es auch der US-Wahlbeobachtungsorganisation National Democratic Institute.

Die EU hatte Wahlbeobachter*innen gar nicht erst geschickt, weil die togoische Regierung ihren Empfehlungen in der Vergangenheit nicht gefolgt war. Schließlich wurde zwei Tage vor der Wahl das eigens zur Manipulationsverhinderung angeschaffte System zur elektronischen Erfassung der Wahlergebnisse von der CENI verboten. Am Ende wurden die fast 9.400 Wahllokale von lediglich 315 internationalen und einigen inländischen Wahlbeobachter*innen überprüft.

In einer Rekordzeit von 24 Stunden gab die CENI das Wahlergebnis bekannt. Gnassingbé wurden gut 70 Prozent der gültigen Stimmen zugesprochen, den Kandidaten der größten Oppositionsparteien 19,5 Prozent und knapp 4,7 Prozent. Unabhängigen Umfragen zufolge hätte der zweitplatzierte Kandidat Agbéyomé Kodjo den größten Stimmenanteil gewinnen müssen. Der Oberste Gerichtshof, dessen Richter*innen dem Gnassingbé-Clan treu ergeben sind, bestätigte am 3. März 2020 das Wahlergebnis.

Die abhängige Justiz

Eine Gewaltenteilung ist in Togo praktisch nicht vorhanden. Um eine einflussreiche Position im Justizsystem zu bekommen, muss man dem Netzwerk der Regierungspartei UNIR angehören oder entsprechende Beziehungen haben. Reiche können sich Entscheidungen von Richter*innen kaufen. Zeitungen werden temporär geschlossen und mit Geldstrafen belegt, Journalist*innen angeklagt und verurteilt, wenn sie Regierungsmitglieder kritisieren.

Im August 2019 wurde das Versammlungsrecht verschärft: Demonstrationen auf Hauptstraßen, in städtischen Zentren und an Regierungsgebäuden, militärischen Einrichtungen und diplomatischen Gebäuden sind nun verboten. Es darf nur noch zwischen 10 und 18 Uhr und höchstens einmal pro Woche demonstriert werden. Seitdem haben keine größeren Demonstrationen und kaum Kundgebungen stattgefunden. Sogar angemeldete Treffen in angemieteten Räumen werden, oft in letzter Minute, verboten. Zwar hat sich das Regime wegen dieser Restriktionen eine Rüge des UN-Menschenrechtsauschusses eingehandelt, aber das blieb ohne Konsequenzen.

In völlig überfüllten Haftanstalten sitzen unter menschenunwürdigen Bedingung über hundert politische Gefangene seit mehreren Jahren ohne Anklage ein. Dem liegen zumeist nur regimefeindliche Äußerungen zugrunde. Aber wenn Militär-, Polizei- oder Gendarmerie-Angehörige unrechtmäßig gegen Demonstrierende vorgehen oder Festgenommene foltern, werden sie nicht strafverfolgt. Straflosigkeit ist ein weiteres Element des togoischen Repressionssystems.

Darüber hinaus wurde bekannt, dass das Regime zur digitalen Überwachung von über 300 Angehörigen oppositioneller Parteien und Gruppierungen, Journalist*innen und Menschrechtsaktivist*innen das Ausspähprogramm Pegasus einsetzt. Präsident Gnassingbé meint dazu lapidar, dass »jeder souveräne Staat so organisiert ist, dass er dem, was ihn bedroht, mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln begegnen kann«.

Koffer voll Geld

Als ähnlich effektiv wie der Repressionsapparat erweist sich die von der Staatsspitze ausgehende Kultur von Korruption und Nepotismus. Wie im Justizsystem können mittlere und höhere Posten im öffentlichen Dienst oder bei staatlichen Firmen nur mit Beziehungen erlangt werden. Die Loyalität zum Regime ist die Grundvoraussetzung. Daneben gibt es die Praxis der Vereinnahmung kritischer Personen durch Bestechung.

In diesem Zusammenhang wurde die Existenz eines »Schattenstaates« (état fantôme) aufgedeckt: Das ist ein Netzwerk aus dem innersten Kreis um Faure Gnassingbé, der illegale Deals einfädelt. So zum Beispiel mit dem französischen Magnaten Vincent Bolloré, bis vor Kurzem Eigentümer fast aller afrikanischen Atlantikhäfen. Die französische Justiz hatte ein Verfahren gegen Bolloré eingeleitet, weil er die Konzession für den Betrieb des Tiefsee-Container-Hafens durch Korruption erhalten hatte. Im Februar 2021 bekannte er sich der aktiven Bestechung schuldig.

Zwei weitere spektakuläre Fälle wurden durch den Investigativ-Journalisten Ferdinand Ayité publik. Er deckte Unterschlagungen hoher Geldsummen bei einem Erdölförderprojekt vor der Küste Togos sowie bei Hilfsmitteln im Rahmen der Covid-19-Pandemie auf. Nun ist Ayité untergetaucht, weil gegen ihn in Abwesenheit ein Urteil zu drei Jahren Haft gefällt wurde.

Der »Schattenstaat« nutzt die aus der Korruption gewonnenen Mittel, um damit die eigenen Reihen zu schließen und um Dritte zu bestechen. Es gibt immer wieder Versuche, Regimekritiker*innen mit dem Verweis auf einen Koffer voll Geld zu kaufen.

Es gibt keinen Schutz

Das System aus Repression und Korruption funktioniert. Zusammen mit einem wirtschaftlichen Wachstum hat sich eine Mittelschicht herausgebildet, die mit der Regierungsführung zufrieden ist. Daneben fühlen sich weitere Menschen dem Abhängigkeitsnetzwerk verpflichtet. Hinzu kommt, dass die Unterstützung der internationalen Geberländer unbeirrt weitergeht. Die Rolle Togos als »Sicherheitsanker« sowie dessen starke Truppenstellung für UN-Einsätze in der fragilen Sahel-Umgebung geben hier den Ausschlag.

Auf der anderen Seite ist die Einkommensverteilung in Togo extrem ungleich und die Hälfte der etwa 8,2 Millionen Einwohner*innen lebt unter der absoluten Armutsgrenze. Nicht zuletzt deshalb wünschen sich die Togoer*innen nach mehr als 50 Jahren Gnassingbé-Autokratie einen Machtwechsel. Das sagt eine Umfrage für das Afrobarometer im Jahr 2022. In persönlichen Gesprächen beklagen junge Togoer*innen durch die Bank, dass sie keine Perspektive für sich im Land sehen.

Insgesamt ist die Ablehnung des Gnassingbé-Regimes in Togo also groß. Aber über Generationen hinweg haben sich die oben genannten Strategien der Unterwerfung in die Gesellschaft eingefressen: das Wissen darum, wie brutal und willkürlich die Sicherheitskräfte vorgehen können, dass es keinen juristischen Schutz und keine Gerechtigkeit gibt, dass vielerorts Geheimdienste mithören, dass ein guter Bekannter morgen schon ein Verräter sein kann, weil er bestochen oder unter Druck gesetzt wurde. Aus diesen Gründen ist es für togoische Aktivist*innen schwer vorstellbar, beispielsweise Nachbarschaftskomitees nach dem Vorbild des Sudan als Gegenmacht aufzubauen.

So bleibt nur die Hoffnung, doch mittels Wahlen einen Wechsel herbeizuführen. Daher wird es im Vorfeld der nächsten Präsidentschaftswahl im Jahr 2025, die Faure Gnassingbé eine fünfte Amtszeit bescheren könnte, wieder eine erbitterte Auseinandersetzung um die Durchführung fairer Wahlen geben.

Christian Lenz ist Aktivist bei Afrique-Europe-Interact.

Erstveröffentlichung Blätter des iz3w Mai/Juni 2023, S. 30-31: https://www.iz3w.org/artikel/diktatur-togo-gnassingbe