Zum Inhalt springen

Aufruf zur Solidarität mit den über 5000 Nachbarschafts-Widerstandskomitees im Sudan

Die revolutionäre Bewegung im Sudan, die auf einer langen Geschichte des Widerstands beruht und 2019 zum Sturz des Diktators Omar Al Bashir geführt hat, wurde und wird von der linken Bewegung in Deutschland weitgehend ignoriert. Mit dem Aufruf möchten wir die Bedeutung unterstreichen, welche die Erfahrungen der Revolution im Sudan für linke Bewegungen weltweit haben und die Notwendigkeit von internationaler Solidarität und der Verbindung der Kämpfe deutlich machen.

Die Auswirkungen der neoliberalen Politik und der globalen kapitalistischen Krisen haben in den letzten Jahren in zahlreichen Ländern weltweit zu Massenprotesten und Aufständen geführt. Die besondere Bedeutung der Revolution im Sudan liegt in ihrem Grad der Organisierung von unten in Form der Widerstandskomitees sowie in der Rolle der Frauenbewegung. Zugleich zeigen die Ereignisse im Sudan – einschließlich des verheerenden aktuellen Konflikts, der am 15. April begann – den Einfluss regionaler und internationaler Mächte, einschließlich der Politik der EU und Deutschlands, bei der Unterdrückung revolutionärer Bewegungen und der Stärkung reaktionärer Kräfte. Dies macht deutlich, dass die Kämpfe gegen Kapitalismus, Krieg und Militarisierung, gegen die Migrationskontrollpolitik, neokoloniale Ausbeutung und patriarchale Unterdrückung zusammengehören und dass revolutionäre Bewegungen voneinander lernen, sich gegenseitig unterstützen und zusammenwachsen müssen.

Wir rufen alle emanzipatorischen Organisationen, Gruppen und Einzelpersonen dazu auf, die Widerstandskomitees zu unterstützen. Dazu gehören aus unserer Sicht:

1. Die Verantwortung der internationalen Staatengemeinschaft, darunter Deutschlands und der EU, an der Entstehung des Krieges und der Unterdrückung der revolutionären Bewegung im Sudan öffentlich machen und verbreiten:

  • Die Unterstützung der RSF-Milizen zum Zweck der Migrationskontrolle durch Deutschland und die EU
  • Die Anwendung verschiedener Methoden wie Destabilisierung, Fragmentierung, das Aufzwingen von Diktatur und Autoritarismus oder politischen Vereinbarungen von oben zur Unterdrückung der sudanesischen Revolution, zur Ausbeutung der Ressourcen des Landes und zur Unterwerfung seiner Bevölkerung
  • Die politische, militärische und wirtschaftliche Stärkung von Milizen, Militär- und Parteiapparaten durch die Einmischung der internationalen Staatengemeinschaft bei gleichzeitiger Ausgrenzung des Willens der Bevölkerung im Sudan und seiner organisierten Formen der Widerstandskomitees

für weitere Informationen siehe Anhang Teil I

2. Informationen über die revolutionäre Bewegung im Sudan verbreiten und deren Bedeutung für linke Bewegungen und Freiheitsbewegungen weltweit deutlich machen.

  • Seit 2018 sind im Sudan Millionen von Menschen auf die Straße gegangen. Sie haben dazu beigetragen, Präsident Omar Al-Bashir zu stürzen und gegen das Militärregime zu kämpfen. Die revolutionäre Bewegung im Sudan wird von einer starken Organisierung von unten und der zentralen Rolle der Frauen angetrieben.

a) Bekanntmachen der revolutionären Rolle der Nachbarschafts- Widerstandskomitees

  • Die Gründung von Nachbarschaftskomitees begann im Sudan im Jahr 2013. In der Revolution von 2018 spielten die Nachbarschaftskomitees eine zentrale Rolle bei der Organisation der Proteste und bei der Organisierung von unten. Mittlerweile gibt es über 5000 Widerstandskomitees im Sudan. Sie haben ihre eigene Koordination und arbeiten basisdemokratisch. In einem langen Diskussionsprozess haben die Komitees die „Revolutionäre Charta zur Errichtung von Macht von unten (Peoples Power)“ als Grundlage für eine Regierung von unten entwickelt.

für weitere Informationen siehe Anhang Teil II

b) Bekanntmachen der Rolle der Frauenbewegung

  • Die Frauenbewegung im Sudan hat lange und tiefe Wurzeln. Frauen haben von Anfang an eine zentrale Rolle in der Revolution gespielt. Sie standen nicht nur in den vordersten Reihen der Proteste, sondern kämpften und erkämpften sich einen festen Platz in den Widerstandskomitees und treiben die Auseinandersetzung mit patriarchalen Strukturen und Gewalt in der Gesellschaft und der Bewegung selbst voran.

für weitere Informationen siehe Anhang Teil III

3. Forderungen zur Bekämpfung der humanitären Krise und Verteidigung der Revolution verbreiten

  • Die derzeitige Situation ist katastrophal. Das Militär und die Milizen tragen ihren Machtkampf auf dem Rücken der Menschen im Sudan aus. Es gibt fast keine medizinische Versorgung mehr, Probleme bei der Versorgung mit Wasser, Lebensmitteln usw. Millionen von Menschen sind auf der Flucht. Die Widerstandskomitees sind federführend bei der Organisation der Grundversorgung der Menschen. Sie machen deutlich, dass keine der Kriegsparteien den Willen der sudanesischen Bevölkerung vertritt. Die Situation betrifft auch die große Zahl von Geflüchteten aus anderen Ländern, die im Sudan leben sowie alle Menschen, die aus dem Sudan fliehen und nicht als Geflüchtete anerkannt sind

für weitere Informationen siehe Anhang Teil IV

Wir rufen alle emanzipatorischen Kräfte dazu auf:

  • sich über die Revolution, ihren Hintergrund und die aktuelle Situation im Sudan zu informieren
  • die Ziele der Widerstandskomitees zu unterstützen und ihre Stimmen zu verstärken
  • die Informationen und diesen Aufruf über ihre sozialen Medienkanäle etc. zu verbreiten
  • Veranstaltungen, Redebeiträge, Demonstrationen, Infotische usw. zu organisieren
  • mit der sudanesischen Diaspora in ihren Städten in Kontakt zu treten
  • die Stimme der Geflüchteten aus dem Sudan und anderen Ländern, die in Deutschland oder anderen europäischen Staaten Asyl beantragen, zu erheben und ihre Rechte zu verteidigen

Unsere Forderungen:

  • Beendigung des Krieges und jeglicher Unterstützung für die Kriegsparteien
  • Öffnung aller Grenzen zum Sudan, damit die Menschen sich in Sicherheit bringen können, einschließlich der Grenzen zu Ägypten, Äthiopien, Südsudan und der Europäischen Union
  • Öffnung von humanitären Korridoren und sicheren Routen, damit die Widerstandskomitees und die Bevölkerung im Sudan Unterstützung organisieren können
  • Ablehnung einer militärischen Intervention der UN oder anderer Organisationen oder Staaten im Sudan, Forderung nach sofortiger Einstellung der Unterstützung für die beiden Kriegsparteien und Beendigung der Einmischung der internationalen Gemeinschaft – die Bevölkerung im Sudan kann sich selbst regieren
  • Stopp von Abschiebungen und Bewegungsfreiheit für alle Geflüchteten sowie das Recht, in Sicherheit hier zu leben
  • Unterstützung der Forderung von Menschen aus dem Sudan, insbesondere der Opfer und Überlebenden von ethnischen Säuberungen, Völkermord und Kriegsverbrechen, nach rechtlichen Mechanismen, die die Täter*innen zur Rechenschaft ziehen können

Bei Rückfragen könnt ihr euch melden unter: transnational-soli@proton.me

Sudan-Iran Solidaritätsnetzwerk

AnhangArtikel, Interviews, Filme etc. über die Situation und Bewegung im Sudan

Teil I: Rolle der europäischen Migrations-Kontrollpolitik und anderer globaler und regionaler Mächte im Sudan

Teil II: Über die Nachbarschafts Widerstandskomitees und Organisierung von unten

Teil III: Über die Situation von Frauen und die Rolle der Frauenbewegung sowie die Situation und Kämpfe von LGBTIQ*

Teil IV: Über die aktuelle Situation und humanitäre Krise

Hintergrundinformationen:

  • Buch über die Revolution im Sudan und ihr Hintergrund: Sudan’s unfinished Democracy. The Promise and Betrayel of a People’s Revolution by Berridge, de Waal and Lynch (2022).
  • Über die Geschichte der Widerstandskomitees und Konterrevolution im Sudan von Magdi el-Gizouli (11/2021): https://spectrejournal.com/counterrevolution-in-sudan/
Schlagwörter: